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Fußball

ober: Ein guter Schlaf ist auch etwas wert.

(Ein Film in drei Aufnahmen.)

I.

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Das Brechmittel.

Das Kaifergeburtstagsfeft-
essen war beendet. Die verstän-
digsten — ober, wie die Ehefrauen
behaupteten, die leichtsinnigsten
— der Teilnehmer faßen noch bei
einem Glas köstlichen Tucherbräu
beisammen. Alles mar natürlich
noch nüchtern, nur der kferr Bür-
germeister hatte in dem vollbe-
wußtfein feiner würde es für
scincpflicht gehalten, sich mit den
ungewohnten Getränken die Nase
gründlich zu begießen. Der Nacht-
wächter des kleinen Kreisstädt-
chens hatte schon längst die Mit-
ternachtsstunde abgeblascn, da er-
hob sich das Gberhaupt, um dem

heiuiatlichen lferde zuzustcuern, gleichzeitig aber auch allgemeiner
Widerspruch gegen solch frevelhaftes Beginnen. Alles vergebens.
Schon steckte der Bürgermeister den rechten Arm in den Mantel,
als der Justizrat an ihn herantrat und ihm so leise, daß alle Gäste
es hören konnten, ins Ghr flüsterte: „Bleiben Sie noch ein Viertel-
stündchen, ohne Sie ist es ja doch nur langweilig I Und ich bezahle
alles." Die letzten lvorte gaben den Ausschlag, bald hing der
Mantel wieder an der wand und ein Schöppchen nach dem andern
wurde dem vaterlande geweiht. Emsig lief der Kellner hin und
her, unentwegt rann das dunkle, süffige Naß.

Doch endlich schlug die Abschiedsstunde. Das Gberhaupt des
Städtchens war nicht mehr fähig, allein den weg nach kjause zu
wandeln, aber es waren noch kräftige Männer zur Stelle, die,
wenn auch etwas schwankend, ihm bei der Heimkehr behilflich sein
konnten. Rechts faßte ihn der Gberleutnant von Nachtwitz, links
der Postdirektor unter den Arm und beide schleiften das Häufchen
Unglück unangefochten und ungesehen über den Marktplatz hinweg

nach dem Eckhause, in dem die Ehelicbste des Bürgermeisters,
bekannt als bösartige Xantixpe, der man gerne einen Possen
spielte, das Zepter führte. Ganz nüchtern war keiner mehr, aber
das kaisertreue Dreiblatt kam doch noch vor die richtige Haustüre,
und da begannen die Schmierigkeiten. Der Vater der Stadt wollte
durchaus noch einen Kognak trinken und wurde höchst ungemüt-
lich, als ihm dieser nicht mehr bewilligt werden konnte. Grim-
mig fluchend weigerte er sich beharrlich den Hausschlüssel hervor-
zuholcn und setzte allen versuchen seiner Begleiter, ihm diesen aus
der Tasche zu ziehen, den heftigsten widerstand entgegen. Also
blieb nichts andres übrig, als Lärm zu machen, wenn man die
süße Last loswerden wollte. Zwei kräftige Männerfäuste schlugen
erst zaghaft, dann immer wuchtiger gegen die Haustüre, während
die beiden andern das hin- und herschwankende Gpfcr seines Patrio-
tismus vor dem Umfallen bewahrten, wie Donncrschläge hallte
- \ cs über den Markt. Der auf den Lärm herbeigeeilte Nachtwächter
verschwand rasch um die Ecke, als er seinen Herrn und Gebieter
erkannte. Da öffnete sich im ersten Stock des Hauses ein Fenster
und die Holde, die Liebliche, sie neigte sich heraus in blendend-
weißer Nachtjacke, Blitze zuckten auf die drei Sünder hernieder
und mit schriller Stimme entfloh es dem gebißlosen Munde der
Lrau Bürgermeister: „Was ist denn das für ein verdammter
Spektakel? was sind das da unten für betrunkene Kerls?" —
„Entschuldigen Sie," erwiderte, sich mutig dem Leinde entgegen-

werfend, der Gberleutnant, dabei
n einen diabolischen Blick nach

oben, dann einen mitleidigen
auf seinen ahnungslosen linken
Nachbarn werfend, „ist dies hier
vielleicht die Apotheke?" — „was
fällt Ihnen ein?" ruft cs von
oben, „wie kommen Sie dar-
auf?" — „Na, ich glaubte man,
weil da oben so 'n altes Brech-
mittel 'raushängt. —" Klirrend
schlug das Lenster zu. Die Haus-
türe öffnete sich und die Herrin
des Hauses schloß ihren Tog-
genburg in die Arme.

Der Bürgermeister durfte
vier Wochen lang nicht an den
Stammtisch gehen. —

Hans Lreyer.

III.


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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Fußball' oder: Ein guter Schlaf ist auch etwas wert"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Kirchner, Eugen
Entstehungsdatum
um 1922
Entstehungsdatum (normiert)
1917 - 1927
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 156.1922, Nr. 4010, S. 187
 
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