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Fliegende Blätter — 18.1853 (Nr. 409-432)

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Nr. 418
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Tabletten.

Nach drei Jahren kehrte ich zurück — als ich in ineiner
Vaterstadt ankam, war es Abend und das Theater begann.
Ich brachte meinen Bart in Ordnung, schnallte meinen Degen
fester und ging in's Parterre. Die Gespielen meiner Kind-
heit umtänzelten den Ort, ich ivurde so weich, daß eine Thräne
mein Augenglas trübte. — „Sehen Sie diese Dame," sprach
ein Nebenmann zu mir und zeigte in eine Eckloge, „kaum
18 Jahre alt und schon weiße Haare." Ich sah hin und
erstarrte. Sie war es, die Wangen roth, als hätte man
zwei Rosenblätter auf Marmor gelegt, und die Haare schnee-
weiß. Ein Arzt sprach: „es ist eine Abart, die Kalmücken
tragen meist solche Haare, auch die Albingos, ein Stamm
in — in —" der Name war ihm entfallen, er nahm eine
Priese und ging. „Nein, der Doktor irrt sich," sprach ein
Infanterie-Lieutenant und putzte die Lorgnette, „vermuthlich
Kind auf dem Arm gehabt — Fenster herausgeseh'n —
herabgefallen — tobt — tiefer Kummer!" „Was fällt
Ihnen ein," fiel ihm ein Rittmeister in die Rede, „das
Mädchen ist erst 16 oder 18 Jahre alt; tausend Thaler wette
ich, der Gram der Liebe hat ihr Haar gebleicht."

Der Gram der Liebe, lispelte ich, ging hinaus wie
Petrus und weinte bitterlich.

Rauschender Applaus erscholl, die Vorstellung >var zu
Ende, ich stand am Eingang, sie ging an mir vorbei und
erröthete. Weh mir, seufzte ich tief, ich habe den Sommer
dieses Engels getrübt.

Ein Freund faßte niich unter den Arm und zog mich
in's Kaffeehaus. „Hast Du Deine alte Geliebte geseh'n?"
frug er, „sie hat sich furchtbar geändert."

„Ich weiß es," stöhnte ich. „Schweig', ich Unglück-
[ sel'ger bin Schuld."

„Tu? Schuld?" sprach er verwundert, „hast Du ihr
das Mittel angerathen?"

„Welches Mittel?"

„Nun, einige Haare gingen ihr aus, sie kaufte sich eine
Flasche blau de Lob, in vierzehn Tagen hatte sie weiße Haare."

Ich erstarrte.

II.

Wie man zu einer Stelle kommt.

Litt war der Liebling aller chinesischen Damen. Er
i war so schlank wie ein englischer Windhund, trug seine
Pfauenfeder mit der Virtuosität eines Lißt und war so freund-
lich, daß er dann und wann sogar mit einem Armen sprach.

I Litt mußte sein Glück machen.

Der Minister stand in seinem Cabinette mit verdrieß-
licher Miene, er dachte an nichts, d. h. an das Volk. Litt
sprang herein und mit einem Satze zu den Füßen des mächt-
igen Mandarins. „Was wollen Sie, mein Sohn?" sprach
väterlich der Minister. „Excellenz," flötete Litt mit seinen
zartesten Tönen, „die erste Richterstelle ist zu vergeben, hier
meine Bittschrift." Der Minister wischte seine Brille (in
! China ist jeder hohe Beamte kurzsichtig) und las. Seine

Stimme wurde glatt wie die Wange einer achtzehnjährigen '
Unschuld. „Wer hat diese Bittschrift verfaßt?" frug er. :

„Ich, Excellenz, und weil ich wußte, daß Sie ein Ver- '•
ehrer der schönen Künste sind, so schrieb ich sie in Reimen." >

„Herrlicher Gedanke," sprach der Minister, „ich bin !
wirklich überrascht."

„Ich habe mich auch unterfangen, die Bittschrift in
Musik.zu setzen, hier, Excellenz, ist die Bittschrift."

„Ah!!!"

„Sollten Sie mir zwei Minuten schenken, will ich Ew.
Excellenz die Melodie Vorspielen," und Litt nahm eine Geige
unter seinem weiten Kleide hervor und spielte die Melodie
der Bittschrift.

DerMinister war außer sich, doch der schlaue Litt fuhr fort:

„Excellenz sind selbst ein Lung-Long-Ston (so heißt der
chinesische Paganini) auf diesem Instrument, wollen Sie gefäl-
ligst die Melodie spielen, ich habe die Bittschrift pantomimisch

bearbeitet. Der Minister nahm die Geige in der besten Stim- l
mung, spielte und Litt tanzte die Supplik. Als das Kunstwerk [
vollendet war, küßte der Minister Litt auf die Stirn, nahm
seine Schilffeder und schrieb seinen Namen unter das Patent.
„Sie allein sind würdig, diese Stelle zu bekommen," rief er aus.

Seit der Zeit sitzt Litt an der Spitze des Rathes und
spricht über das Wohl von 20 Millionen Menschen.
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Titel/Objekt
"Tabletten"
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Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Lichtenheld, Wilhelm
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Saiteninstrument
Tanz <Motiv>
Karikatur
Musik <Motiv>
Satirische Zeitschrift
Chinesen <Motiv>

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Digitales Bild
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Public Domain Mark 1.0
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Fliegende Blätter, 18.1853, Nr. 418, S. 78

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