Tabletten.
79
Während sich tausend Köpfe über das Schicksal des Staa-
tes den Kopf zerbrechen, sitzt der Eniir an der Seite seiner
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war. Er sah Soldaten in fremder Uniform. „Wo bin ich?"
fragte er. „Im Großherzogthum Warschau." „Wem dient
Ihr?" Unserem Herrn, dem König von Sachsen." „Herzog-
thum Warschau und König von Sachsen?" brummte der Er-
wachte und wollte sich niit alter Münze etwas kaufen. „Das
Geld nehmen wir nicht, wir haben preußisches," wurde erwidert.
Da er kein anderes hatte, wurde er zornig und begehrte mit
Gewalt. Es wurde Militär gerufen. „Wer seid Ihr?" rief
der Erzürnte. „Polen," war die Antwort. — Da brummte
er: Großherzogthum Warschau, König von Sachsen, preußisches
Geld, polnische Soldaten. „Wornach entscheidet Ihr?" fragte
er den Richter. „Nach französischem Rechte!" „Was?" tobte
der Langschläfer, „Großherzogthum Warschau, König von Sach-
sen, preußisches Geld, polnische Soldaten und französisches Recht?
Das halte ein Anderer aus, ich lege mich wieder schlafen."
Wenn z. B. der Mann jetzt anfstünde?
Ad. Th. Kainz.
III
Die Audienzen des Emir Halebal Datschi waren
sehenswerth; früh Morgens drängte man sich in den Saal
des ausgezeichneten Mannes, nur um ihn zu sehen. Es waren
meist gebildete Leute, die sich bis zur Erde bückten; die größten
Redner des Landes stammelten nichts, als: „Erhabener al
Datschi, Sonne der Sonnen," — ein Herwegh, der mit dem
Hut auf dem Kopfe bei der Audienz erscheint, existirt in China
nicht. Dreimal gesegnetes China — Hoch die Bambusröhre!
Der erlauchte Datschi kommt, freundlich grüßt er rechts und
links, denn dies macht populär, er nimmt Bittschriften an —
mein Gott, wer braucht nicht Papier, — er kneipt sogar ein
schönes Mädchen in die Wange — o großer Datschi — er
reichte Einigen die Hand zum Kusse, diese sahen sich schon mit
drei Pfauenfedern, dem Zeichen der höchsten Würde geschmückt.
Er grüßte einige arme Supplikanten, und diese rufen im Stil-
len Vivat, d. h. auf chinesisch. Endlich tritt ein Kammerdiener
ein und sagt dem Emir etwas in das Ohr. Es muß von
Wichtigkeit sein, denn dieser streicht sich mit der Hand über die
Glatze, dreht sich auf dem Absatz und verschwindet. Die Suppli-
kanten stutzen — ist die Monarchie in Gefahr? — ein^Con-
rier mit Depeschen, vermuthlich aus der Tartarei ist angelaugt
— ein Krieg steht bevor; — die Aktien der Bank fallen, die
Bäcker ergreifen die Gelegenheit und backen das Brod kleiner —
| kurz, das Verschwinden des Emirs hat das ganze Land aufgeregt.
Geliebten und spielt mit ihrem Fächer. — Die Wichtigkeit, die
ihm der Kammerdiener in's Ohr raunte, war: „Excellenz,
Mamsell Fatime läßt Ihnen sagen, daß sie sich
langweilt."
IV.
Der Langschläfer.
Als Warschau nach dem Tilsiter-Frieden zum Herzogthum
gemacht wurde, erzählte man sich ein Märchen von einem
Polen, der ein Jahrhundert geschlafen hatte und nun erwacht
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Während sich tausend Köpfe über das Schicksal des Staa-
tes den Kopf zerbrechen, sitzt der Eniir an der Seite seiner
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war. Er sah Soldaten in fremder Uniform. „Wo bin ich?"
fragte er. „Im Großherzogthum Warschau." „Wem dient
Ihr?" Unserem Herrn, dem König von Sachsen." „Herzog-
thum Warschau und König von Sachsen?" brummte der Er-
wachte und wollte sich niit alter Münze etwas kaufen. „Das
Geld nehmen wir nicht, wir haben preußisches," wurde erwidert.
Da er kein anderes hatte, wurde er zornig und begehrte mit
Gewalt. Es wurde Militär gerufen. „Wer seid Ihr?" rief
der Erzürnte. „Polen," war die Antwort. — Da brummte
er: Großherzogthum Warschau, König von Sachsen, preußisches
Geld, polnische Soldaten. „Wornach entscheidet Ihr?" fragte
er den Richter. „Nach französischem Rechte!" „Was?" tobte
der Langschläfer, „Großherzogthum Warschau, König von Sach-
sen, preußisches Geld, polnische Soldaten und französisches Recht?
Das halte ein Anderer aus, ich lege mich wieder schlafen."
Wenn z. B. der Mann jetzt anfstünde?
Ad. Th. Kainz.
III
Die Audienzen des Emir Halebal Datschi waren
sehenswerth; früh Morgens drängte man sich in den Saal
des ausgezeichneten Mannes, nur um ihn zu sehen. Es waren
meist gebildete Leute, die sich bis zur Erde bückten; die größten
Redner des Landes stammelten nichts, als: „Erhabener al
Datschi, Sonne der Sonnen," — ein Herwegh, der mit dem
Hut auf dem Kopfe bei der Audienz erscheint, existirt in China
nicht. Dreimal gesegnetes China — Hoch die Bambusröhre!
Der erlauchte Datschi kommt, freundlich grüßt er rechts und
links, denn dies macht populär, er nimmt Bittschriften an —
mein Gott, wer braucht nicht Papier, — er kneipt sogar ein
schönes Mädchen in die Wange — o großer Datschi — er
reichte Einigen die Hand zum Kusse, diese sahen sich schon mit
drei Pfauenfedern, dem Zeichen der höchsten Würde geschmückt.
Er grüßte einige arme Supplikanten, und diese rufen im Stil-
len Vivat, d. h. auf chinesisch. Endlich tritt ein Kammerdiener
ein und sagt dem Emir etwas in das Ohr. Es muß von
Wichtigkeit sein, denn dieser streicht sich mit der Hand über die
Glatze, dreht sich auf dem Absatz und verschwindet. Die Suppli-
kanten stutzen — ist die Monarchie in Gefahr? — ein^Con-
rier mit Depeschen, vermuthlich aus der Tartarei ist angelaugt
— ein Krieg steht bevor; — die Aktien der Bank fallen, die
Bäcker ergreifen die Gelegenheit und backen das Brod kleiner —
| kurz, das Verschwinden des Emirs hat das ganze Land aufgeregt.
Geliebten und spielt mit ihrem Fächer. — Die Wichtigkeit, die
ihm der Kammerdiener in's Ohr raunte, war: „Excellenz,
Mamsell Fatime läßt Ihnen sagen, daß sie sich
langweilt."
IV.
Der Langschläfer.
Als Warschau nach dem Tilsiter-Frieden zum Herzogthum
gemacht wurde, erzählte man sich ein Märchen von einem
Polen, der ein Jahrhundert geschlafen hatte und nun erwacht
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Tabletten"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 18.1853, Nr. 418, S. 79
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg