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Die englischen und deutschen Reporters.
chen, das der Herr Doktor nur noch ein Bischen bearbeiten
muß; Mancher bringt es wenigstens zu einem „Eingesandt"
oder zu irgend einer „Bitte", einen „Wink" in den Anzeigen,
zu halben Jnserations-Gebühren. „Wir wollen sehen, was
zu machen ist!" mit diesen Worten steckt der Herr Doktor
solche ihm übergebene Sachen ein, und trinkt dann jedenfalls
noch ein „Gratis-Gläschen."
Die zweite Clasie der Reporters ist eine ganz andere; sie
besteht hauptsächlich aus jungen Lyrikern, die sich zu Schrift-
stellern bilden, eine Carriere machen wollen und vorläufig als .
schönstes Ziel vor Augen haben: Redakteur des Feuilletons,
wenigstens Theaterkritiker desselben zu werden. — Sie haben
früher unzählige Gedichte, Novellchen, Theaterreferate, schwung-
volle Berichte über dumme Ereignisse re. der Zeitung eingescn-
det; man wußte sie nun nicht anders los zu werden, als da-
durch, daß man sie als Reporters engagirte, aber unter der
Bedingung, keine weiteren Arbeiten zu liefern; man gibt ihnen
wenig Honorar und viel Hoffnung; wo das Erstere nicht zu- !
reicht, nährt das Letztere, und es ist erstaunlich, mit wie wenig
diese jungen Menschen auskommen können, ohne eigentlich Schul-
den zu machen. Sie tragen gewöhnlich einen etwas lädirten, '
aber stets reinlich gehaltenen Paletot, der so gefällig ist, recht >
viel von dem übrigen Anzug zu bedecken. Lange, umgeschlagene
Vatermörder deuten auf reine Wäsche hin, und fleckig gefärbte
Glacehandschuhe sollen der Ehre des Institutes, dem sie dienen,
zu Gute kommen. Sie gehören meist den neuen großen Jour-
nalen an, deren Geranten und Redakteure meist auch jüngere
Männer oft sogar mit einer gewissen belletristischen Bildung
begabt, und deshalb um so eher für jene jungen Lyriker zu-
gänglich sind. So erlebten dieselben denn auch vielleicht alle
zwei Jahre einmal das hohe Glück, in dem Feuilleton ihrer
Zeitung ein Lied oder eine Kritik über ein schlechtes Buch ab-
gedruckt zu sehen, freilich nicht mit ihrem Namen — und das
schmerzt sie stets sehr tief — oder den Namen doch nur so
versetzt, daß man ihn bald herausfinden kann. Es heißt z. B.
Einer Berthold Runkel, so wird die Unterschrift „Bunkel" heißen
rc. re. Schon zwei Tage vorher, ehe eine Nummer mit solcher
Arbeit erscheint (der Verfasser hat den ungefähren Tag des Er-
scheinens schon acht Tage vorher vom Faktor oder dem ersten
Setzer in der Druckerei herauszubringen gewußt und weiß ihn
nun zwei Tage vorher ganz genau) ist der junge Lyriker sehr
unruhig; es kann ja möglich sein, daß sein Artikel doch nicht
erscheint, oder daß die Unterschrift weggeblieben oder verkehrt
gesetzt ist; es kann ein Druckfehler im Liede entstanden sein,
denn trotzdem er zwei Cigarren geboten hat, einen Abzug seines
Gedichtes zu besonderer Nachcorrectur konnte er eben so wenig
erhalten, als einen Blick in die betreffende Fahne erwischen.
Man denkt ja in der Druckerei sehr niedrig von ihm, niedriger
als in der Redaktion; er schreibt auch so fürchterlich schlecht
und bringt immer noch Notizen, wenn schon umgebrochen ist;
er hat auch schon acht Tage vorher die Leute so sehr gequält.
Aber nun ist der Tag, die Stunde des Erscheinens der so
hochwichtigen Zeitungsnummer da; eine Viertelstunde vor der
Ausgabe steht der Lyriker in der Nähe der Expedition, und der
erste Zeitungsträger wird angefallen und für sparsam gesam-
melte 7V- Sgr. werden drei Exemplare gekauft. Das Eine
für sich selbst, zu stetem Gebrauch in der Rocktasche; das an-
dere für die Geliebte, das dritte für die Familie. Rasch wer-
den nun unterwegs alle drei Exemplare durchgelesen; es kann
ja doch möglich sein, daß in dem einen oder dem andern beim
Abziehen sich ein Buchstabe verschoben hätte. Aber nein, richtig
steht das „Werk" vor ihm, und der Verfasser wächst und
wächst, bis sein Haupt an die Straßenlaterne reicht, und es ist
in dem Haupte viel heller, als Abends in der Laterne. Er
ist ein glücklicher Mensch! Zu Hause werden nun die zwei
zum Versenden bestimmten Exemplare (Familie und Geliebte
wohnen stets „ferne") vorgenommen, die falsche Unterschrift
wird leise mit Bleistift durchstrichen und darunter kommt der
wirkliche Name; oder es werden die fehlenden Buchstaben hin-
zugefügt oder die versetzten durch Wellenlinien verbunden. Dann
werden die Exemplare in Kreuzcouvert geschlossen, auf die Post
gebracht, und nun geht's in seliger Wonne in die Kaffee's,
Bierhallen und in's Lesemuscum. Hier beobachtet er mit Luchs-
augen, aber ganz unscheinbar, über eine Zeitung oder über das
Glas weg, die Zeitungsleser; sein Herz pocht, wenn Jemand
die gewisse Zeitung zur Hand nimmt; er beobachtet genau,
ob derselbe blos oben oder blos unten liest, die Politik oder
das Feuilleton, oder Beides, und er weiß genau: jetzt muß
der Leser an die eine hochwichtige Stelle kommen, nun klopft
das Herz stärker: wird der Leser diese so hochwichtige Stelle
lesen? wird er sie überschlagen? wird er nur so flüchtig dar-
über hingehen? oder gerade jetzt das Blatt gleichgültig bei
Seite legen?! Das Alles ist ihm Lebensfrage; das Alles be-
stimmt den Grad seines Glückes oder Unglückes, die Achtung
oder Mißachtung, die er der Bildung der Gegenwart zollt.
(Fortsetzung folgt.)
Die englischen und deutschen Reporters.
chen, das der Herr Doktor nur noch ein Bischen bearbeiten
muß; Mancher bringt es wenigstens zu einem „Eingesandt"
oder zu irgend einer „Bitte", einen „Wink" in den Anzeigen,
zu halben Jnserations-Gebühren. „Wir wollen sehen, was
zu machen ist!" mit diesen Worten steckt der Herr Doktor
solche ihm übergebene Sachen ein, und trinkt dann jedenfalls
noch ein „Gratis-Gläschen."
Die zweite Clasie der Reporters ist eine ganz andere; sie
besteht hauptsächlich aus jungen Lyrikern, die sich zu Schrift-
stellern bilden, eine Carriere machen wollen und vorläufig als .
schönstes Ziel vor Augen haben: Redakteur des Feuilletons,
wenigstens Theaterkritiker desselben zu werden. — Sie haben
früher unzählige Gedichte, Novellchen, Theaterreferate, schwung-
volle Berichte über dumme Ereignisse re. der Zeitung eingescn-
det; man wußte sie nun nicht anders los zu werden, als da-
durch, daß man sie als Reporters engagirte, aber unter der
Bedingung, keine weiteren Arbeiten zu liefern; man gibt ihnen
wenig Honorar und viel Hoffnung; wo das Erstere nicht zu- !
reicht, nährt das Letztere, und es ist erstaunlich, mit wie wenig
diese jungen Menschen auskommen können, ohne eigentlich Schul-
den zu machen. Sie tragen gewöhnlich einen etwas lädirten, '
aber stets reinlich gehaltenen Paletot, der so gefällig ist, recht >
viel von dem übrigen Anzug zu bedecken. Lange, umgeschlagene
Vatermörder deuten auf reine Wäsche hin, und fleckig gefärbte
Glacehandschuhe sollen der Ehre des Institutes, dem sie dienen,
zu Gute kommen. Sie gehören meist den neuen großen Jour-
nalen an, deren Geranten und Redakteure meist auch jüngere
Männer oft sogar mit einer gewissen belletristischen Bildung
begabt, und deshalb um so eher für jene jungen Lyriker zu-
gänglich sind. So erlebten dieselben denn auch vielleicht alle
zwei Jahre einmal das hohe Glück, in dem Feuilleton ihrer
Zeitung ein Lied oder eine Kritik über ein schlechtes Buch ab-
gedruckt zu sehen, freilich nicht mit ihrem Namen — und das
schmerzt sie stets sehr tief — oder den Namen doch nur so
versetzt, daß man ihn bald herausfinden kann. Es heißt z. B.
Einer Berthold Runkel, so wird die Unterschrift „Bunkel" heißen
rc. re. Schon zwei Tage vorher, ehe eine Nummer mit solcher
Arbeit erscheint (der Verfasser hat den ungefähren Tag des Er-
scheinens schon acht Tage vorher vom Faktor oder dem ersten
Setzer in der Druckerei herauszubringen gewußt und weiß ihn
nun zwei Tage vorher ganz genau) ist der junge Lyriker sehr
unruhig; es kann ja möglich sein, daß sein Artikel doch nicht
erscheint, oder daß die Unterschrift weggeblieben oder verkehrt
gesetzt ist; es kann ein Druckfehler im Liede entstanden sein,
denn trotzdem er zwei Cigarren geboten hat, einen Abzug seines
Gedichtes zu besonderer Nachcorrectur konnte er eben so wenig
erhalten, als einen Blick in die betreffende Fahne erwischen.
Man denkt ja in der Druckerei sehr niedrig von ihm, niedriger
als in der Redaktion; er schreibt auch so fürchterlich schlecht
und bringt immer noch Notizen, wenn schon umgebrochen ist;
er hat auch schon acht Tage vorher die Leute so sehr gequält.
Aber nun ist der Tag, die Stunde des Erscheinens der so
hochwichtigen Zeitungsnummer da; eine Viertelstunde vor der
Ausgabe steht der Lyriker in der Nähe der Expedition, und der
erste Zeitungsträger wird angefallen und für sparsam gesam-
melte 7V- Sgr. werden drei Exemplare gekauft. Das Eine
für sich selbst, zu stetem Gebrauch in der Rocktasche; das an-
dere für die Geliebte, das dritte für die Familie. Rasch wer-
den nun unterwegs alle drei Exemplare durchgelesen; es kann
ja doch möglich sein, daß in dem einen oder dem andern beim
Abziehen sich ein Buchstabe verschoben hätte. Aber nein, richtig
steht das „Werk" vor ihm, und der Verfasser wächst und
wächst, bis sein Haupt an die Straßenlaterne reicht, und es ist
in dem Haupte viel heller, als Abends in der Laterne. Er
ist ein glücklicher Mensch! Zu Hause werden nun die zwei
zum Versenden bestimmten Exemplare (Familie und Geliebte
wohnen stets „ferne") vorgenommen, die falsche Unterschrift
wird leise mit Bleistift durchstrichen und darunter kommt der
wirkliche Name; oder es werden die fehlenden Buchstaben hin-
zugefügt oder die versetzten durch Wellenlinien verbunden. Dann
werden die Exemplare in Kreuzcouvert geschlossen, auf die Post
gebracht, und nun geht's in seliger Wonne in die Kaffee's,
Bierhallen und in's Lesemuscum. Hier beobachtet er mit Luchs-
augen, aber ganz unscheinbar, über eine Zeitung oder über das
Glas weg, die Zeitungsleser; sein Herz pocht, wenn Jemand
die gewisse Zeitung zur Hand nimmt; er beobachtet genau,
ob derselbe blos oben oder blos unten liest, die Politik oder
das Feuilleton, oder Beides, und er weiß genau: jetzt muß
der Leser an die eine hochwichtige Stelle kommen, nun klopft
das Herz stärker: wird der Leser diese so hochwichtige Stelle
lesen? wird er sie überschlagen? wird er nur so flüchtig dar-
über hingehen? oder gerade jetzt das Blatt gleichgültig bei
Seite legen?! Das Alles ist ihm Lebensfrage; das Alles be-
stimmt den Grad seines Glückes oder Unglückes, die Achtung
oder Mißachtung, die er der Bildung der Gegenwart zollt.
(Fortsetzung folgt.)
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die englischen und die deutschen Reporters"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Thema/Bildinhalt (normiert)
Zeitungsexpedition <Motiv>
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 20.1854, Nr. 460, S. 27
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg