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125

Ein Heirathsgesuch und seine Folgen

(Schluß.)

Nach andern zehn Stunden stand der Herr Rath un-
schlüssig, wie er sich aus dieser Verlegenheit ziehen sollte. End-
lich kam ihm der Gedanke, ob er nicht durch das Loos ent-
scheiden könne. Gedacht — gethan! Er nahm die fraglichen
6 Briefe, warf sie in seinen Hut, schüttelte sic gehörig durch-
einander und griff dann mit zitternden Händen in die Filzurne,
welche sein künftiges Geschick barg. Ein muthiger Griff —
und er hatte gewählt. Ter gezogene Brief aber war der von
Madame Drachenfuß, welche ihm ihre drei Töchter zugleich
anbot. Allein da das wohlthätige Institut orientalischer Viel-
weiberei in unserm Deutschland noch nicht Eingang gefunden
hatte, so mußte sich Schwachbein zu einer andern Wahl be-
stimmen. Er that es und jetzt entstieg der Urne der Brief
von Amalie Bartmann. Ter Landgerichtsrath jubelte laut
auf vor Freude, denn erst durch diesen Zug des Zufalls glaubte
er sich endlich gestehen zu dürfen, daß hier seine Hand von
seinem Herzen geleitet worden war. Amalie und keine Andere!
So lautete jetzt sein Wahrspruch und noch ehe eine Stunde
vergangen war, hatte er schon folgende Zeilen an die künftige
Gebieterin seines Herzens geschrieben.

Mein Fräulein!

Ich habe mich entschlossen, an
Ihrer Hand die Lebensreise zu vol-
lenden und werde ewig bestrebt sein,

Liebe mit Liebe zu vergelten. Ich
kann jetzt die Zeit kaum erwarten,
wo ich Ihnen mündlich das Gcständ-
mß meiner Liebe und die Versicher-
ung unwandelbarer Treue machen
kann. Ich bitte Sie, diesen Nach-
mittag 4 Uhr im Parke am Schloß-
thor zu erscheinen, wo ich Sie er-
warten werde. Als Erkennungs-
zeichen bitte ich Sie ein Taschen-
tuch in der linken Hand zu tragen,
ich werde in der Rechten einen
Strauß halten, den ich Ihnen
als erstes Zeichen meiner Auf-
richtigkeit zu Füßen legen will.

Ihr

überglücklicher Bräutigam
August Schwachbein.

Wer jemals geliebt hat (und
tuer hätte das nicht?), der wird sich
^Ungeduld desLandgerichtsrathes
^icht vorstellen können. Tie Haar-
überreste waren mit größter Mühe
>° über den Kopf nach vorne ge-
fümmt, daß man den Mangel an
^cken nicht so leicht bemerkte. Ter
)l»zug war äußerst gewühlt, und
ichon um 2 Uhr stand Schwachbein
^'reit, mit dem Blumensträuße zu

erscheinen. Tie Zeit bis zum Rendezvous ward ihm zur Ewig-
keit und dennoch verging sie endlich.

Schwachbein fürchtete immer, daß die Vorübergehenden
sein Herz würden schlagen hören, so heftig pochte es in der
fünfundvierzigjährigcn Brust, als er den Park und die bestimmte
Stelle erreichte. Glücklicher Weise durfte er dort nicht lange
warten, sonst hätte ihn leicht die mit jeder Sekunde zunehmende
Bangigkeit unverrichteter Sache wieder nach Hause getrieben.
Allein dort — um die Ecke bog eben eine Tame, dicht ver-
schleiert, ziemlich groß und mit etwas nachlässigem Gange, den
Schwachbein jedoch ganz übersah, als er das Taschentuch in
der linken Hand der Dame gewahrte. Schwachbein mußte sich
an einen Baum lehnen, seine Füße versagten ihm ihre Dienste.
Jetzt stand die Dame vor ihm.

„Mein — Fräulein —", redete er sie an, „ich — bin
— ich — habe — allerdings —"

Die Tame führte das Schnupftuch zum Munde. Man
hätte meinen sollen, um ein Lachen zu unterdrücken.

„Sind Sie die Schreiberin dieser Zeilen?" stammelte
nun Schwachbein, indem er den Brief hinhielt.

Die Dame nickte.
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Ein Heirathsgesuch und seine Folgen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Muttenthaler, Anton
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Verkleidung <Motiv>
Streich <Scherz>
Rendezvous <Motiv>
Neffe
Heiratsanzeige
Karikatur
Frau <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 20.1854, Nr. 472, S. 125

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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