Fragment aus einer schwäbischen Herbstpredigt.
j 146
vor mir steht, da komm' ih mir für als wie e' Baufclder*) ame
! Blucmekclch. Und wenn noh alles so still um mih rum wurd,
als wie ame' Sonntigmorge, und so c seeliger Gottesfriede us
der ganze Gegend rueht, und des Sternechor im Himmelsdom
sein fcierlichs: „Herr Gott, Dich loben wir!" anstimmt, und
wenn noch während dem G'sang der Mond in scin'm silber-
weiße Prieftcrg'wand uf' d'Kanzel steigt und predigt von der
Allmacht Gottes: do wurd mir noh 's Herz so weit und tief
wie's Meer, in dem sich dui Himmelspracht au spiegelt, als
wie in meine nasse Auge, die in den «undervollc Tempel
'neinstaunrt, und sing' noh in Gedanke au' mit.
Aber dui unbegreiflich' Allmacht zeigt si net blos an
Sonne, Mond und Sterne, noi, ihr könnet si' am Grashalm,
wie an der Oiche, an der Muck' wie am Elephante, am Schein-
wurm wie am Blitz, am Thautropfe, in dem sich d'Sonne
; spiegelt, wie am Regc'bogc', und ebe'so am Weinstock scahn.
Wer sollt jetzt glaube, wenn mer im Früehling so en
Rebstock anguckt, wenn er noch so blutt und blos dostoht und
über sei»' oigene Blöße greint, daß, sag' ich, i» dem unschein-
bare, schwache Holz so e' Saft und so c' Kraft steckt, und aus
dene blinde Auge so e' Feuer und so e' Lebe ströme' könnt,
und so viel Freud' und Lust! — Häuser kann mer zwor koine
von sein'm Holz ufrichte, aber doch Lauberhüttle, wo's oim
dieweil von Luftschlösser drin trömt, daß das Hüttle zum Lust-
i schloß wird.
Und wie lieblich und freundlich sieht so e' Rebstock aus?
streckt er net sein Laub wie e' Hand Jedem zum Grueß ent-
g«ge'? und oft umarmt er c' Haus, und verziert Thür' und
Fenster, und hebt oim im Früehling sein köstlich's Blüchscht
unter d'Nase, und im Herbst seine Traube' für's Maul.
Ja, so e' Hausverziering laß ih mir g'salle! des ischt n'
wabrer Auge-, Nase-, Maul-, Herzens- und Mage'trost!
Do gucket dagege' en Pappelbom an — do steht er lang
und langweilig i» der Faullenzer - Allee und streckt sei' leere
Windfahnckopf über manch's nützlich's Gewächs 'naus, und
1 sein magerer Schatte schwankt Hinterem d'rein, als wie 'n aus-
: g'hungcrtcr Bedienter, und im Herbst läßt er nir als dürre
Blätter falle, und 's Holz von so cme Langweiler taugt blos
| zu Ktndcrspiclzeug.
Der Rebstock aber ischt c' Gleichnußbild vom e' b'schci-
dene, lieb- und gabc'reiche' Mensche', der in der Stille zum
Wohl der Mensche' schafft, und der noh' lang nach sein'm
Tod zum Nutze' und Fromme' der Welt sortwirkt.
Ihr könnet decs Johr au c' Wörtle von dem Nutze' und
Secge' sage'. Geltet, das hcnt ihr de» Früehling net glaubt?
do ha'n ih taube Ohre' predigt, wo Ihr g'moint hent, d'Kältc
l Hab' em Wcinstock d'Augen auskratzt; do hent Ihr g'murrt
und knurrt und d'Köpff g'henkt, als wie d'Birkeböm, wenn
Schnee d'ruf lcit: aber jetzt lachet Ihr als wieder mit dem
ganze G'sicht, als wie d'Sonneblume.
Ja, Euch G'rechtmacher ist's Wetter fette’ recht! Wenn
Ihr aber bedenke' thätet, was da 'raus käm', wenn d'Leut'
*) Schmetterling.
's Wetter mache könntet und dürftet? — Danket Gott äll
Tag derfür, daß so ischt, wie's ischt, und daß weder Ihr noch
sonscht ebber do derbei d'rcinz'schwätzet Hot; denn do hätt' mer
oft, woiß net wie lang, gar koin Wetter, und uf d'Letscht lauter
Donner- und Hagelwetter, weil d'Leut net einig wurdet und
am End' cnander selber an de Köpf' ncmme thätet.
Das unnöthig' Wetterg'schwätz 's Johr durch ist mir so
z'wider, als wie c' Stube voll Mucke' am c' hoißc Tag,
wcnn's 's Wetter ge' will, wo sie oin Plaget, daß mer davon-
laufe möcht'!
'S kommt mir noh c'mol, daß Ihr de' Schöpfer ällcweil
moistcrn wollet! 'S ist g'rad, als wenn e' Johanneswürmle
zur Sonne sage thät: „Gang weg, laß mich 'nan, ih schein'
wärmer und Heller als du!" — oder wenn si e' Schneckehäusle
mit dem Tempel Salomo vergleiche' wött.
Sorget Ihr nur 's ganz Johr für guet Wetter unter
Eurem Hausdach, daß's do koin Wcttcrschade zeit, und decket,
wenn'S im Herbst regnet, Eure Bütteme*) fleißig zue, sell
ischt g'scheidter; aber do hot c' Theil e' guete Ausred' dcrsür,
do hoißt's, was unser Herr Gott d'rein thuet, ischt lauter Seege!
Aber net wohr, wenn Ihr e'n Rettich esset oder e' Rüebc, die
theant Ihr doch vorher e' bisle putze und schabe? Und es
hoißt doch au: „Die Erde ischt überall des Herrn." — Geltet,
dui möget Ihr aber d'rum doch net miteffe? — Und so möget
au d'Wcinkäufcr koin Rcge'wasser unter'm Wein kaufe', ver-
stände' ?!
Ja, wegenem Rege'wasser fahrt währlc Koincr vom Ober-
land vierspännig rah, dces laust ihm dehoim selber in d'Schueh.
So hat au cmol Oincr g'sait, wie mer de Blitzableiter
uff's Pfarrhaus g'macht Hot: „des sei der Allmacht Gottes in
d'Arm' griffe'" — noh ha'n ih zu de'selben g'sait: warum er
denn 's Wammcs anzieh', wenn's ihn friert, oder warum er
unterstand, wenn's regnet? — denn d'Leut' kommet jo au net
mit Hose und Wammrs uf d'Welt, und bringet au koin HauS
mit, als wie d'Schuccke.
Wisset Ihr was? sparet Ihr Euer Superklugheit und
Naseweisheit, und thuet, was Eures Amts, sorget für Kinder
und Rinder, und gucket im Früehling fleißiger nach de Raupe-
nester! net daß mer's mucß äll' Johr ausschelle' lossa, als wie
d'Stadtrathswahle'; denn do thuet au Mancher koin Zug dcr-
bei, außer mer läutet ihm mit de' Schoppcgläser dcrzue z'sämme,
und schmiert ihm d'Gurgel zum Stimm' gebe' mit Käs und
Brod, als wie der Spielmann sein' Geige mit Kalfonium.
Ihr machet's akk'rat als wie's Kroncwirths Faßan, der
au dem, der ihm e'n Brocke fürhält und stogt ihn: „Wik j
spricht der Hund?" Laut zeit. Bei Euch hoißt's aber au:
„Schmiere und salbe' hilft ällethalbe," oder: „Giebst Du mir
e' Wurst, noh still' ih Dir de Durst." Und das gilt vom
Gänsblüemle bis zur Kaiserkrone, und d'Ausnahmc' dervon
sind fast so rar, als wie d'Gockclcscier.
Mer sächt äls, der Tod allein sei umsonst, aber au des
*) Hölzerne« Gefäß, worin der neue Wein, ehe er in'« Faß kömmt,
aufbewahrt wird.
j 146
vor mir steht, da komm' ih mir für als wie e' Baufclder*) ame
! Blucmekclch. Und wenn noh alles so still um mih rum wurd,
als wie ame' Sonntigmorge, und so c seeliger Gottesfriede us
der ganze Gegend rueht, und des Sternechor im Himmelsdom
sein fcierlichs: „Herr Gott, Dich loben wir!" anstimmt, und
wenn noch während dem G'sang der Mond in scin'm silber-
weiße Prieftcrg'wand uf' d'Kanzel steigt und predigt von der
Allmacht Gottes: do wurd mir noh 's Herz so weit und tief
wie's Meer, in dem sich dui Himmelspracht au spiegelt, als
wie in meine nasse Auge, die in den «undervollc Tempel
'neinstaunrt, und sing' noh in Gedanke au' mit.
Aber dui unbegreiflich' Allmacht zeigt si net blos an
Sonne, Mond und Sterne, noi, ihr könnet si' am Grashalm,
wie an der Oiche, an der Muck' wie am Elephante, am Schein-
wurm wie am Blitz, am Thautropfe, in dem sich d'Sonne
; spiegelt, wie am Regc'bogc', und ebe'so am Weinstock scahn.
Wer sollt jetzt glaube, wenn mer im Früehling so en
Rebstock anguckt, wenn er noch so blutt und blos dostoht und
über sei»' oigene Blöße greint, daß, sag' ich, i» dem unschein-
bare, schwache Holz so e' Saft und so c' Kraft steckt, und aus
dene blinde Auge so e' Feuer und so e' Lebe ströme' könnt,
und so viel Freud' und Lust! — Häuser kann mer zwor koine
von sein'm Holz ufrichte, aber doch Lauberhüttle, wo's oim
dieweil von Luftschlösser drin trömt, daß das Hüttle zum Lust-
i schloß wird.
Und wie lieblich und freundlich sieht so e' Rebstock aus?
streckt er net sein Laub wie e' Hand Jedem zum Grueß ent-
g«ge'? und oft umarmt er c' Haus, und verziert Thür' und
Fenster, und hebt oim im Früehling sein köstlich's Blüchscht
unter d'Nase, und im Herbst seine Traube' für's Maul.
Ja, so e' Hausverziering laß ih mir g'salle! des ischt n'
wabrer Auge-, Nase-, Maul-, Herzens- und Mage'trost!
Do gucket dagege' en Pappelbom an — do steht er lang
und langweilig i» der Faullenzer - Allee und streckt sei' leere
Windfahnckopf über manch's nützlich's Gewächs 'naus, und
1 sein magerer Schatte schwankt Hinterem d'rein, als wie 'n aus-
: g'hungcrtcr Bedienter, und im Herbst läßt er nir als dürre
Blätter falle, und 's Holz von so cme Langweiler taugt blos
| zu Ktndcrspiclzeug.
Der Rebstock aber ischt c' Gleichnußbild vom e' b'schci-
dene, lieb- und gabc'reiche' Mensche', der in der Stille zum
Wohl der Mensche' schafft, und der noh' lang nach sein'm
Tod zum Nutze' und Fromme' der Welt sortwirkt.
Ihr könnet decs Johr au c' Wörtle von dem Nutze' und
Secge' sage'. Geltet, das hcnt ihr de» Früehling net glaubt?
do ha'n ih taube Ohre' predigt, wo Ihr g'moint hent, d'Kältc
l Hab' em Wcinstock d'Augen auskratzt; do hent Ihr g'murrt
und knurrt und d'Köpff g'henkt, als wie d'Birkeböm, wenn
Schnee d'ruf lcit: aber jetzt lachet Ihr als wieder mit dem
ganze G'sicht, als wie d'Sonneblume.
Ja, Euch G'rechtmacher ist's Wetter fette’ recht! Wenn
Ihr aber bedenke' thätet, was da 'raus käm', wenn d'Leut'
*) Schmetterling.
's Wetter mache könntet und dürftet? — Danket Gott äll
Tag derfür, daß so ischt, wie's ischt, und daß weder Ihr noch
sonscht ebber do derbei d'rcinz'schwätzet Hot; denn do hätt' mer
oft, woiß net wie lang, gar koin Wetter, und uf d'Letscht lauter
Donner- und Hagelwetter, weil d'Leut net einig wurdet und
am End' cnander selber an de Köpf' ncmme thätet.
Das unnöthig' Wetterg'schwätz 's Johr durch ist mir so
z'wider, als wie c' Stube voll Mucke' am c' hoißc Tag,
wcnn's 's Wetter ge' will, wo sie oin Plaget, daß mer davon-
laufe möcht'!
'S kommt mir noh c'mol, daß Ihr de' Schöpfer ällcweil
moistcrn wollet! 'S ist g'rad, als wenn e' Johanneswürmle
zur Sonne sage thät: „Gang weg, laß mich 'nan, ih schein'
wärmer und Heller als du!" — oder wenn si e' Schneckehäusle
mit dem Tempel Salomo vergleiche' wött.
Sorget Ihr nur 's ganz Johr für guet Wetter unter
Eurem Hausdach, daß's do koin Wcttcrschade zeit, und decket,
wenn'S im Herbst regnet, Eure Bütteme*) fleißig zue, sell
ischt g'scheidter; aber do hot c' Theil e' guete Ausred' dcrsür,
do hoißt's, was unser Herr Gott d'rein thuet, ischt lauter Seege!
Aber net wohr, wenn Ihr e'n Rettich esset oder e' Rüebc, die
theant Ihr doch vorher e' bisle putze und schabe? Und es
hoißt doch au: „Die Erde ischt überall des Herrn." — Geltet,
dui möget Ihr aber d'rum doch net miteffe? — Und so möget
au d'Wcinkäufcr koin Rcge'wasser unter'm Wein kaufe', ver-
stände' ?!
Ja, wegenem Rege'wasser fahrt währlc Koincr vom Ober-
land vierspännig rah, dces laust ihm dehoim selber in d'Schueh.
So hat au cmol Oincr g'sait, wie mer de Blitzableiter
uff's Pfarrhaus g'macht Hot: „des sei der Allmacht Gottes in
d'Arm' griffe'" — noh ha'n ih zu de'selben g'sait: warum er
denn 's Wammcs anzieh', wenn's ihn friert, oder warum er
unterstand, wenn's regnet? — denn d'Leut' kommet jo au net
mit Hose und Wammrs uf d'Welt, und bringet au koin HauS
mit, als wie d'Schuccke.
Wisset Ihr was? sparet Ihr Euer Superklugheit und
Naseweisheit, und thuet, was Eures Amts, sorget für Kinder
und Rinder, und gucket im Früehling fleißiger nach de Raupe-
nester! net daß mer's mucß äll' Johr ausschelle' lossa, als wie
d'Stadtrathswahle'; denn do thuet au Mancher koin Zug dcr-
bei, außer mer läutet ihm mit de' Schoppcgläser dcrzue z'sämme,
und schmiert ihm d'Gurgel zum Stimm' gebe' mit Käs und
Brod, als wie der Spielmann sein' Geige mit Kalfonium.
Ihr machet's akk'rat als wie's Kroncwirths Faßan, der
au dem, der ihm e'n Brocke fürhält und stogt ihn: „Wik j
spricht der Hund?" Laut zeit. Bei Euch hoißt's aber au:
„Schmiere und salbe' hilft ällethalbe," oder: „Giebst Du mir
e' Wurst, noh still' ih Dir de Durst." Und das gilt vom
Gänsblüemle bis zur Kaiserkrone, und d'Ausnahmc' dervon
sind fast so rar, als wie d'Gockclcscier.
Mer sächt äls, der Tod allein sei umsonst, aber au des
*) Hölzerne« Gefäß, worin der neue Wein, ehe er in'« Faß kömmt,
aufbewahrt wird.