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Die verunglückte Brautwerbung.

j 14(5

| und folgerecht verfiel ich jetzt in das andre Ertrcm, nämlich
in eine bedeutende Lustigkeit. Kaum war mein Gast zur Thür
hinaus, als ich mich lachend aufs Sopha warf und ausricf:
„Ach dier Schwiegerpapa in spe, ich wollte solid werden, und
Sie zwingen mich wieder tolle Streiche zu machen, also Liebe
mit Hindernissen, steeple diase, bravo! ich nehme es an."

Aber die Sache war bei näherer Einficht denn doch nicht
gar so einfach, da ich am Ende mein Wort halten mußte,
und ich durfte und wollte mir in dieser Richtung nicht das
mindeste Unehrenhafte nachsagen lassen, schon um der Staudcs-
Ehre willen.

Meine Besuche bei Zahlmanns wurden daher wohl seltc-
ncr, dafür aber desto wirksamer und es konnte ja auch mit
Fug und Recht Niemand verlangen, daß ich meinen Augen
und meinen sonst etwa vorhandenen liebenswürdigen Eigenschaf-
ten verbiete, in dem Herzen des unglücklichen Opfers meiner
Politik augenscheinlich alles nur mögliche Unheil anzurichten.

Auch benutzte ich die mir gegebene Frist noch in anderer
Weise. Ich hatte nämlich aus meinen Studentenjahren her
noch die Gewohnheit beibchaltcn, rücksichtlich meiner Geld-
wirthschaft sehr unordentlich zu sein. Nun hatte mir dieser
Umstand in L. Anfangs so manche Unannehmlichkeit verur-
sacht, da hier die guten Seelen, welche geneigt waren, mir
Geld vorzustrecken, weit weniger häufig waren, als in Berlin.
Aber seit Kurzem hatte der Herr, bei welchen! ich in Miethe
wohnte, die jedenfalls von meinem Standpunkte aus höchst
verwerfliche Gewohnheit, mir Darlehen geradezu abzuschlagcn,
in unbegreiflicher Weise plötzlich abgelegt, und schien sogar
wie dicß eigentlich auch ganz in der Ordnung war, sich recht

I zu freuen, wenn ich von ihm Geld verlangte. In richtiger
Würdigung dieses lobenswerthen und ehrenvollen Benehmens
fing ich nun an, dasselbe für meinen Zweck auszubcuten, in-
dem ich inich eleganter kleidete, Abends im gemeinschaftlichen
Gasthause theuerer speiste als vorher und mir überhaupt das
Ansehen zu geben suchte, als hätte ich trotz meines geringen
Gehaltes stets Uebcrfluß au Geld und als sei ich daher der
ordentlichste und solideste Mann, den cs nur auf der Welt
geben könne. Meine Schulden wurden zwar nicht mehr so
regelmäßig gezahlt, als sonst, aber mein liebenswürdiger Gläu-
biger schien dieß ganz in der Ordnung zu finden, und ich
tröstete mich mit dem Gedanken, daß der reiche Kaufmann
Zahlmann seiner einzigen Tochter doch eine anständige Aus-
steuer geben werde, und daß dann derlei Kleinigkeiten, wie
meine Schulden, gar nicht mehr der Rede werth seien. Und
so schien denn wirklich das Schicksal es ganz darauf angelegt
zu haben, aus mir einen recht behäbigen, gemüthlichen Spieß-
bürger machen zu wollen, g'radc weil ich diesen ;o nützlichen
Theil der menschlichen Gesellschaft immer verachtet und keck
behauptet hatte, ich werde mich nimmer entschließen, in diese
alten ausgefahrcnen Geleise einzulenken.

Drei Monate waren so ohne bemcrkenswerthe Veränder-
ung verflossen, als ich eines schönen Morgens den lange er-
warteten Brief von Freundeshand aus Berlin erhielt, des In-
halts, daß meine Beförderung nicht nur gesichert sei, sondern

auch ehestens erfolgen müsse. Mein erster Gedanke war Zahl-
mann, denn war ich auch weder jetzt noch jemals in Marien
verliebt, so hatte ich doch ihr gutes Herz und ihre Liebe zu
mir achten und schätzen gelernt, und nährte für sie jene ruhige
bürgerliche Liebe, welche ich eben wünschte.

Ich ging also zu Zahlmann, den ich im Comptoir traf,
und zeigte ihm das erhaltene Schreiben. Er las es ruhig
durch und sagte: „Ach, das trifft sich glücklich; meine Marie
feiert heute ihren 19. Geburtstag. Wir haben einige nähere
Bekannte zu einem frugalen Thce geladen, und wenn Sic
sonst nicht versagt sind, so dürfte es Ihnen nicht unangenehm
sein, den Abend bei uns zuzubringen."

„Ich nehme Ihre Einladung, wie immer mit dem größ-
ten Vergnügen an; aber.."

„Ja, was die vor beiläufig einem Vierteljahre zwischen
uns stattgehabtc Unterredung betrifft," unterbrach er mich,
„so werde ich Ihnen morgen meinen Entschluß mittheilcn."

Ich empfahl mich und ging. Mein erstes und dringend-
stes Geschäft bestand jetzt darin, daß ich mit dem mchrgcnann- i
tcn Herrn ein Anlehen zu negoziren suchte. Denn heute konnte
er cs mir, als künftigen Landrath und Schwiegersohn des
reichen Kaufmanns Zahlmann (was er freilich nicht wissen
konnte) schon gar nicht verweigern und das gab mir Muth,
seine Güte stärker als je in Anspruch zu nehmen. Da er sich
wie gewöhnlich sehr bereitwillig zeigte, obschon ich bereits in
ziemlicher Schuld bei ihm stand, so war das Geschäft bald ge-
macht und ich hatte noch Zeit, von einem zufällig durchrei-
senden Raritätenhändler eine prachtvolle chinesische Vase mit
einem so schönen, aber auch so geschmacklosen Bouguct als
möglich, um 80 Thalcr zum Angebinde zu kaufe». Sie ward
angenommen, jedoch mit Vorbehalt der höheren Genehmigung,
worüber ich begreiflicher Weise in allen Himmeln schwebte, die
nur in meiner Phantasie zu finden waren.

Endlich kam der Abend heran. Als ich bei Zahlmann
cintrat, war stchon eine kleine gewählte Gesellschaft versammelt.
Ich wurde von allen Seiten mit Glückwünschen überhäuft,
denen sich auch mein reizendes Maricchcn anschloß. Nach einer
kurzen Unterhaltung mit meiner Zukünftigen, in welcher ich
sogar einige schwache, sehr schüchterne Anläufe zu einer Liebes-
erklärung gemacht hatte, die jedoch wahrscheinlich bei einer
länger» Dauer der Conversation erstarkt wären, forderte uns
unser liebenswürdiger Wirth auf, zu Ehren des festlichen Tages
ein Hazardspiel zu spielen, bis der Thce bereit sei. Nun, Ihr
wißt es am Besten, daß ich trotz oder vielleicht wegen meiner
Nichtachtung dcü Geldes nie ein Freund vom Spielen war,
und anderseits hätte ich cs unbedingt vorgezogcn, noch einige
Stunden in dem reizenden tüte ä tete in der Fensternische zu
verplaudern, und die fest beschlossene Liebeserklärung endlich
in aller Form Rechtens vom Stapel zu lassen, allein ich dachte:
Dazu wirst Du wohl noch einen Augenblick erhaschen, und vor
Allem mußt Du Deinem die» Schwicgcrpapa in spe gefällig
sein, und dann kannst Du — mit Rücksicht auf die gelungene
finanzielle Operation vom heutigen Morgen — bei dieser Ge-
legenheit ihm auch zeigen, daß Du nicht so arm bist, als er glaubt.
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