Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die verunglückte

Wir spielten das in L. beliebte Macao, Anfangs mit !
niederen Sätzeü, welche jedoch bald höher wurden, so daß ich
nach Verlauf von einer halben Stunde alles Geld, daö mir
geblieben war, nämlich 120 Thalcr verloren hatte. Mein aus-
fallendes Unglück wurde von allen Seiten um so mehr bedauert,
als ich freimüthig und mit ungetrübtem Humor erklärte, mein
Geld sei alle, und ich könne und wolle daher nicht mehr
spielen. Doch Herr Zahlmann war so freundlich mir seine
Kasse anzubictcn, um vielleicht die abtrünnige Glücksgöttin
zur Rückkehr zu zwingen. Indessen das Sprichwort: „Wer
Glück in der Liebe hat, hat Unglück im Spiele" ist und bleibt
wahr, und nach Verlaus einer weitern Viertelstunde hatte der
Teufel in Gestalt eines Generals a. D. und glücklichen Ban-
ßuicrs noch weitere 50 Thalcr geholt, als wir endlich zum
Thec gerufen wurden.

Jetzt schien sich mit einem Mal auch das Glück in der
Liebe von mir gewendet zu haben, denn an meiner linken
Seite saß zwar Marie, aber an meine Rechte hatte der Zu-
fall, wie ich damals glaubte, die älteste und geschwätzigste
aller L'cr Frauen postirt, welche mir kaum Zeit ließ, hie und
da ein Wort an meine andere Nachbarin zu richten. Ich er-
gab mich jedoch geduldig in diese Unannehmlichkeit und wiegte
mich in den schönsten Träumen, denn daß ein so vortrefflicher
Rechenmeister, wie Herr Zahlmann, so freigebig meinen Verlust
bezahlte, schien mir eine ganz ausgezeichnete Vorbedeutung.
Gespielt wurde nicht mehr, sondern wir wünschten einander

bald gute Nacht und entfernten uns.

Des andern Morgens erhielt ich folgendes Schreiben:

„Mein Herr, ich glaube, daß Sic cs entschuldigen wer-
den, wenn ich Sic seit unsrer letzten Unterredung im Interesse
meiner Tochter, besonders in Rücksicht Ihrer Geldwirthschaft
beobachtete. Ich habe mich zu diesem Zwecke mit dem Herrn,
bei dem Sic wohnen, ins Einvernehmen gesetzt, indem ich vor-
gab, daß einer Ihrer Oheime mich beauftragt habe, ohne daß
Sie davon unterrichtet würden, Sic zu unterstützen, und habe
hierdurch ein ziemlich richtiges Bild bekommen von der Art
und Weise, wie Sic mit dem Gelbe ninzugehcn verstehen.
Dafür, daß Sie als Junggeselle Schulden machten, sind Sic
Niemanden als sich selbst verantwortlich; anders gestaltet sich
jedoch die Sache, wenn Sic im Begriffe waren, zu heirathen,
wie Sie, und nicht mit Unrecht glauben mußten, Ihre gestrige
Anleihe, welche einen halben Jahresgehalt verschlang, hätte sich
allenfalls noch in Berücksichtigung deö meiner Marie zugckom-
mcnen Angebindes, durch Ihre übergroße Liebe, an welche ich
übrigens nicht recht glauben kann, rechtfertigen lassen, wenn
Sic nicht Abends in einer so unverantwortlichen Weise und
im Gegensatz, ja sogar zum Acrger aller übrigen Mitglieder
unsrer Gesellschaft durch unüberlegtes Wagen sich in so be-
deutende Verluste gestürzt hätten. Hicfür kann ich auch mit
dem besten Willen nicht einmal die geringste Entschuldigung
finden. Ein Mann, der so leichtsinnig ist, wie Sie, wird auch

Brautwerbung. 147

bei einem »och so großen Einkommen nicht im Stande sei»,
ohne Schulden zu cristircn, und wird sich und die Familie,
welche an ihn gekettet ist, in Noth und Elend stürzen. Darum
werde ich auch nie darein willigen, daß Sic meine Tochter j
hcimführcn, und daß dies nicht wider meinen Willen möglich
ist, dafür bürgt mir der Charakter meiner Tochter, und ich
glaube, auch der Ihrige, welchem ich in jeder andern Bezieh-
ung alles Recht widerfahren lasse. Ihre Schulden bei Ihrem
Quartierherrn sind, wie bemerkt, bezahlt, eben so die gestern
verlornen 50 Thalcr. Dieser Verlust wird mich nie schmerzen,
sondern sogar freuen, da ich überzeugt bin, meine Tochter da- !
durch vor einem unglücklichen Leben bewahrt zu haben. Sollte
endlich Ihre Liebe wirklich so heiß sein, wie Sie cs mir glau-
ben machen wollten, so wird wohl die Zeit und die durch Ihre
Beförderung nothwendig gewordene Entfernung von L. das i
Ihrige zur Milderung dieses nicht allzugefährlichen Leidens
beitragen. Mein Entschluß ist unwideruflich und ich bin weder
für Sic zu sprechen, noch werde ich irgend ein Schreiben von
Ihrer Hand annehmen.

Zahlm an »."

Meine Gefühle nach Durchlesung dieses Schreibens sind
nicht schwer zu crrathcn. Das Schicksal hatte mir wieder einen !
recht niedlichen Streich von seiner Erfindung gespielt. Grade
dasjenige, wodurch ich meinen Zweck am sichersten zu erreichen
hoffte, hatte demselben am meisten cntgcgengearbeitet, meine
eigenen Waffen hatten sich gegen mich gekehrt. Und, was eigent-
lich das Aergcrlichste an der Sache war, die Thatsachcn hatten
sich so boshaft gruppirt, daß Zahlmann und seine von dem
Vorgänge jedenfalls bereits unterrichtete Tochter nothwendig
glauben mußten, ich habe nur aus die reiche Partie spc-
kulirt, waö mir doch in der Wirklichkeit sehr ferne lag. Da
ich aber auch nicht das geringste Mittel besaß, um diesen Ver-
dacht zu entkräften, so wagte ich cö nicht einmal mehr, ihnen
unter die Augen zu treten.

Um so erwünschter war cs mir daher, daß ich schon in >
der dieser statastrophc folgenden Woche meinen Aufenthalt in
L. mit dem in Berlin zu vertauschen gezwungen war, wo ich
mich über die ganze Geschichte ziemlich schnell zu trösten wußte.
Auch Marie hat, wie ich später hörte, sich bald in den Armen
eines reichen Berliner Viehhändlers getröstet, in dessen Equipage
ich sic manchmal an der Seite meines bevorzugten Nachfolgers :
vorübcrfahrcn sehe. Meinem- Vorsätze, nicht zu heirathen, bin
ich aber seit jener Zeit nicht mehr untren geworden, und wenn
ich je wieder einmal eine kleine Anwandlung verspüre, in die
gefährlichen Betrachtungen zurückzufallen, welche mich das erste
Mal an's Heirathen denken inachten, so nehme ich Zahlmanns .
Brief, den ich, wie Ihr seht, zum Andenken immer bei mir
trage, aus der Tasche, lese ihn durch und beruhige mich dann j
mit dem Gedanke», daß denn mein Schicksal cS offenbar nicht !
wollte, daß ich den glückseligen Stand der Junggcsellenschaft
mit dem der Ehe vertausche.

10*
Bildbeschreibung
Für diese Seite sind hier keine Informationen vorhanden.

Spalte temporär ausblenden
 
Annotationen