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Der letzte

„Teufel! Da hätt'st schön in die Fall' laufen können.
Die Patrouille kam zur rechten Zeit."

Er wandte sich flußabwärts und schritt eine Weile schwei-
gend zwischen den schwankenden Weidenbüschcn fort. Plötzlich
blieb er mit einem leisen Fluche stehen:

„Verdammt! Ich Hab noch 'ne gute Stunde zu laufen
bis zur nächsten Furth. — Soll ich wegen den Grünspechten
einen Umweg machen?-Trotzig wandte er sich wie-

der gegcn's User. Er war jetzt vielleicht drei Büchsenschüsse
abwärts gekommen.

Er trat hart an's Wasser und steckte die Hand in die
schwarze Fluth. „Prr! Verflucht kalt. — Aber was thuts? !
Zn einer Viertelstunde bin ich daheim und kann mich bequem
auswärmen. — Weit und breit ist nit so coupirtes Terrain, i
wie gerade da drüben."

Entschlossen nahm er seine Ladung ab, setzte sich auf
einen Weidenstrunk und sing an seine gewaltige» Stieseln aus-
zuziehen und seine Socken. Damit zu Ende, warf er seine
Jacke ab, zog einen Strick aus der Tasche und band Alles
zusammen aus seine Krarc fest, stülpte Hcmdärmcl und Bein-
kleider zurück und schwang jetzt seine Last mit einem kräftigen
Ruck wieder aus die Schultern. Aufmerksam aus jedes Ge-
räusch aushorchend, schritt er nun in's Wasser weiter und
weiter, bis der Grund unter seinen Füßen wich und er schwim-
mend mit kräftigen Armen die Wellen durchschnitt.

Es war nicht das erste Mal, daß Seppl seine Zuflucht
zu dem Auswege nahm, denn oft schon war er hart gedrängt
auf diese Weise den lauernden Wachen entgangen und erst drei j
Tage vorher hatte er mit einer Ladung von dreißig Flaschen
Champagner das Flüßchen durchschwommen an derselben Stelle.
Er war ein kräftiger Bursche, der Seppl. Heute aber war's
so sonderbar. So leicht er sich anfänglich schwamm, so wurd's
ihm von Sekunde zu Sekunde schwerer; es war, als ob ihm
eine Ccntnerlast aus dem Rücken liege und ihn Niederdrücke.

„Hat sich denn heut' der Teufel selber aus meinen Racken
gesetzt?" knirschte er zwischen den Zähnen, und arbeitete mit
furchtbarer Anstrengung; aber noch hatte er wenigstens zwan-
zig Fuß bis an's User und immer unwiderstehlicher zog's ihn
wie mit Ketten hinunter — hinunter aus den Grund.

Jetzt könnt' er nimmer gegen die Strömung ankämpfen,
sic packte ihn, drehte ihn aus den Rücken und — „Hülfe,
Hülfe!" schrie der Man» mit allen Schrecken der Todesangst,
„Hülfe, Hülfe! Zch geh' unter!"

Da hörte er flußaufwärts das Krachen des niedergetre-
tcncn Rohrgestrüpps, das Trappen eines lausenden Menschen
näher und näher; — dann fühlte er aus seinem Arme den
Schlag wie von einer Stange oder was es sonst war. Krampf- .
hast griff er darnach und spürte einen starke» Zug nach vorne.
Da vergingen ihm die Sinne. —

Als er wieder zu sich kam, lag er am User und hielt
noch mit beiden Händen einen Gcwehrlauf umkrallt. Reben
ihm aber kniete der Roscnhoscr, eifrigst beschäftigt ihn zu rüt-
teln und ihm die Schläfe mit Branntwein zu waschen, wobei
er brummte:

Botengang. 207

„Ein verfluchter Bursch! Schrie nit, bis ihm's Wasser
über'm Kopf zusammenschlug!"

„Laßt Euer Waschen bleiben," gurgelte der Fuchsenscppl
mühsam hervor, „ich bi» genug gewaschen worden. Gebt mir
lieber die Flasche zwischen die Zähne, — ich bin aufgeblasen
wie ein Dudelsack und ganz steif. — So! — Es wird jetzt
schon gehen, denk' ich. — Helft mir ein Bischen auf die
Beine! — So! — Gott dank' Euch!" —

Er stand und schaute den Grenzjägcr ziemlich verblüfft
an, so daß der in ein lautes Lachen ausbrach.

„Run, Seppl! Die Tour war' halt mißglückt!"

„Ja, Herr Rosenhoser! — Das ist mißglückt! — Wenn
ich nur wüßt', welcher Wassermann mir im Genick g'ritten
ist." —

„Ha, ha! Das hast Dir freilich nit eingebild't, daß Dich
Deine Blcchkanndln unter's Wasser ziehen," lachte der Grcnz-
jäger und stieß mit seinem Gewehrkolben gegen die Krarc
des Schwärzcrs.

Der guckte das Ding ganz verblüfft an und sah zu sei-
ner ungeheuersten Verwunderung, daß alle die Blechgefäßc,
welche darauf festgebunden waren, mehr oder weniger Wasser
enthielten. Jetzt konnte sich der arme Schelm den ganzen
Vorgang erklären. Die „leichte Waare" hatte ihn in die
Patsche gebracht, und ein Glück war's, daß es nicht schlim-
mer ausgefallen war.

Vor Frost schaudernd zog der Schwärzer die vorher ab-
geworfenen Kleider wieder an, warf noch die ausgewundene
Decke über, stürzte dann seinen Tragkorb um, daß der Was-
serrest aus den Kannen floß, belud sich hierauf mit demselben
und nun schritten die beiden Männer in schweigender Ucber-
einkunft dem — Arresthause zu.

Auf dem Hinwege scherzte Rosenhoser über die Falle,
die sich Seppl selber gelegt; der aber war ganz kleinlaut ge-
worden. Rur zuletzt, als sie angekommen waren und Rosen-
hofer den Arrestanten übergab, wandte sich dieser nochmals
an seinen Retter:

„Verdammtes Geschäft, wo man nit einmal mit gutem
Gewissen um Hülfe rufen darf, wenn man am — Versaufen
ist. Ich will an den Galgen kommen, wenn ich das Hunds-
geschäst noch einmal ansangc. — Euch aber vcrgcß' ich's nit,
daß Ihr mich aus dem Wasser gezogen habt, und wenn Ihr
einmal einen guten Freund braucht, so könnt Ihr auf mich
zählen!" —

Den andern Tag wußte 's ganze Dorf die Geschichte, j
und daß der Seppl ein Halbjahr Wolle spinnen mußte. Und
so war's.

Nachdem er aber seine Strafe abgcsessen hatte und wie-
der entlassen worden war, hat der Seppl Wort gehalten, und
ist nie mehr von der Landstraße abgegangen, hat auch Alles
schön verzollt.

Wenn er aber im Wirthshaus beim Rosenhoser sitzt und
ist just recht gut aufgelegt, so erzählt er gern seinen letzten
Botengang.
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