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Fliegende Blätter — 3.1846 (Nr. 49-72)

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Nr. 61
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https://doi.org/10.11588/diglit.2125#0102
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Curtis Brautfahrt.

OS

Orten liefen die Mädchen hinaus, wenn er kam, ließen sich von
dem Ersten Besten ihr Pferd satteln und galoppirten zur näch-
sten Anfiedlung, dahin schon die Kunde von dem wandernden
Freier wagend, und Curtis hielt endlich am dritten Tag spät
AbendS an der Farm eines Freundes, der, ziemlich abgelegen
von den übrigen Anfiedlungen, auch wenig selbst mit seinen
nächsten Nachbarn zusammenkam und verkehrte.

Peterson hatte zwei hübsche Töchter, recht liebe und brave
Mädchen, nebst diesen aber noch die Tochter eines Bruders, der
in TeraS gestorben. Fanny, so hieß die Jungfrau, stammte aus
Georgien, wo ihr Vater damals eine kleine Baumwollenplantage
befaß, und war ein sehr schönes, dunkeläugiges und heißblütiges
Kind, aber auch toll, wild und ausgelassen, und ihr Onkel hatte
sich schon früher einmal bei CurtiS darüber beklagt, daß sie es
sich in den Kopf gesetzt hätte, einen jungen Bengel zu heirathen,
der —- Advokat wäre. „EinMensch, der erstlich einmal schon
Advokat sei", hatte er dabei geäußert, „solle nie, so lange er
lebe und athme, eines von seinen eigenen, noch seines Bruders
Kindern zur Frau bekommen, wenn er es verhindern könne —
ein Advokat, der den Leuten weiß mache, roch sei blau und grün
schwarz! nein, wahrhaftig nicht. Hatte nicht noch überdies im
vorigen Herbst derselbe Lasse seinem Nachbar durchgeholfen, der
angeschuldigt war, eine von Peterson's Kühen geschlachtet zu
haben? und hatte nicht er — Peterson selbst, die Haut von der
Kuh, „auf die er das Sacrament nehmen wollte", über dessen
Fenz hängen sehen ? nein — ein Mensch, der so etwas zu thun
im Stande sei, der sei zu Allem fähig. Ueberdics konnte er
nicht einmal einen Maiskolben von einer Waizenähre unterschei-
den, und hatte ihn selbst — er konnte das beschwören — ge-
fragt , ob die Baumwolle auf solchen Bäumen wüchse, wie sie
hier in Boltom ständen und die Baumwollenbäume hießen.

Und so ein Mensch sollte einmal Besitzer von einer Baum-
wollenplantage werden? nein! — Fanny war erst achtzehn Jahr
alt, und bis zum ein und zwanzigsten müßte sie bei ihremOnkel
bleiben; nachher würde sie schon Vernunft angenommen und ein-
gesehen haben, daß ihr alter Onkel ehrlich und wefflich für sie
gesorgt, indem er sie vor einem solchen Schritte bewahrte.

Dies Haus bewat jetzt Curtis und wurde herzlich von Allen
empfangen; ja so herzlich, daß er schon hoffte, jenes unglück-
selige Gerücht über seinen kleinen Neger sei nicht bis hierher
gedrungen, und sich heimlich zuschwor, auch keine Sylbe davon
zu erwähnen; aber leider schienen die beiden Misses Peterson recht
gm zu wissen, was den armen Mann zu ihnen geführt hatte,
und wenn sie auch, emsig mit ihrer Arbeit beschäftigt, kein Wort,
keine Silbe äußerten, so verriethen doch dem jetzt schon miß-
ttauisch Gewordenen, einzelne verstohlene Blicke den kleinen
lachenden Teufel, der in den Herzen der Waldschönen kauerte.

Ganz anders benahm sich dagegen Fanny; sie setzte sich zu
ihm — plauderte mit ihm, war ernst und gesetzt und sah ihn
dabei ein paar Mal, wenn sie sich unbeobachtet glaubte —Curtis
hatte es deutlich gemerkt — so forschend, so theilnehmend an,
daß ihn einmal, als er diesem dunklen, fest auf ihm haftenden
Auge begegnete, ein eiskalter, aber unendlich wohlthuenderSchauer

durchrieselte, und er sich schon in's Geheim drei oder vier
keineswegs schmeichelhafte Ehrentitel beilegte, nicht gleich von
allem Anfang hieher geritten zu sein.

Er ließ sich diese kleinen Zeichen denn auch nicht zweimal
gesagt sein lassen — rückte näher zu ihr, und fing nun an, um
gleich mit etwas Schmeichelhaftem zu beginnen, das selbstgewebte '
Zeug zu loben was sie trage und meinte dabei:

„Ja Miß Fanny, es steht einem jungen Mädchen Nichts
auf der weiten Welt besser, als der Stoff, den es selbst ge-
sponnen und gewebt — das ist der Grundstein der Häuslichkeit,
und ein Mann —"

„Das Zeug Hab' ich gewebt, Mr. Curtis", sagte Kitch, die
jüngste, mit einer etwas malitiösen Betonung auf dem Pronomen.

Curtis saß da wie vom Schlag gewoffen, Fanny riß ihn
aber schnell auS der Verlegenheit, indem fie versicherte, sie habe
sich zu Hause all ihr Zeug selbst gewoben, und hielt es auch
für passend, daß eine Hausfrau das thun solle.

Curtis lebte wieder auf, die ganze alte Scheu verlor sich,
er wurde gesprächig und hatte wirklich mehrere ausgezeichnete
Einfälle, über die Fanny ganz besonders lachte, der alte Peter-
son sich aber ausschükten wollte. Diesen schien übrigens die
Zuneigung, die seine Nichte zu dem einfachen Farmer gefaßt,
herzlich zu freuen (denn daß Curtis blos darum gekommen sei,
um eins der Mädchen anzuhalten, darüber war Niemand in der
ganzen kleinen Gesellschaft mehr zweifelhaft). „Gott sei Dank",
dachte er bei sich selber, „hat fie doch endlich den verwünschten
Advokaten vergessen; ich wußte es aber wohl, der Rechte mußte
nur kommen; das ist mit allen Mädchen so."

Das Abendessen war verzehrt — der alte Peterson hatte
sich, sehr vernünftiger Weise, zu Bett begeben; dem Gast war,
„wenn er sich niederlegen wolle," sein Bett gezeigt, und Kitch !
und Rosy beendeten ebenfalls mit manchen einander heimlich zu-
geflüsterten Bemerkungen ihre Arbeit, verschwanden dann ur-
plötzlich hinter einer breiten, an den oberen Querbalken des
Hauses aufgehangenen Matte, und Curtis fand sich mit klopfen-
dem Herzen allein neben Fanny am Feuer sitzen.

Er gedachte der Zeit, wo er, ganz auf ähnliche Art, seiner
ersten Frau die Leidenschaft gestanden, die er fühlte, und wieder
drohte ihm ein unbeschreiblich ängstliches Gefühl die Kehle zuzu-
schnüren; denn wenn er auch in den letzten Tagen für solche
Erklärungen etwas abgestumpft worden war, da er die Gelegen-
heitgehabt, mehrere zu geben, so fühlte er doch, daß hier Alles— |
Alles für ihn spreche, denn Fanny wäre sonst nicht allein zu-
rückgeblieben, und die Liebenswürdigkeit selbst gewesen.

So sehr er aber auch den Augenblick herbeigesehnt, wo er
-mit ihr allein sein würde, so schien es doch, als ob er, der noch
vor so kurzer Zeit der Redseligste gewesen, plötzlich die Sprache
verloren hätte, und er nahm wieder, aus lauter Verlegenheit,
sein Messer aus der Scheide und fing an zu schnitzeln. Fanny
saß ihm gegenüber, an der anderen Seite des Kamins, also so
weit wie nur irgend möglich, von ihm entfernt. Curtis hätte
zwar um's Leben gern ihr seinen Stuhl näher gerückt, aber er
wagte es nicht; er wußte keine Ausrede, die das auch nur im
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