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Curtis Brautfahrt.

Mindesten entschuldigen konnte, und doch fühlte er, wie die Zeit
verrann, und er sich lächerlich machen würde, wenn er noch
länger so still und stumm wie der Klotz, der neben ihm zum
Nachlegen lehnte, da saß.

Mit einem tiefen Seufzer sprengte er endlich die Fesseln,
die seine Zunge in Banden hielten und sagte zögernd: „Miß
Fanny — sind Sie noch nicht müde?" — er fühlte, sobald ihm die
Worte über die Lippen waren, daß er auf der weiten Gotteswelt
nichts Dümmeres hätte sagen können, aber es waren doch wenigstens
Worte gewesen, die vielleicht den Zauber gebrochen hatten.

Um Fanny's Lippen spielte bei dieser endlichen Frage ein
leises, leises Lächeln; es zuckte ihr nur so durch die Korallenlip-
pen, und für einen Augenblick stiegen, wie Bläschen aus einem
Crystallbecher, zwei leichte, wunderliebliche Grübchen empor auf
den rosigen Wangen; sie verschwamme» aber fast eben so schnell,
wie sie entstanden in der Sammethaut, und nur mit leiser Stimme
sagte sie:

„Freilich würde es eigentlich Zeit sein schlafen zu gehen,
und ich weiß nicht —*

„Miß Fanny," stotterte Curtis.

„Onkel schläft schon", meinte Fanny — „wir werden ihn
wieder aufwecken durch unser lautes Reden."

Curtis ließ sich das nicht zweimal sagen; blitzesschnell war
er von seinem Stuhle auf und rückte diesen neben das schöne,
leichterröthende Mädchen.

„Dann brauchen wir doch wenigstens nicht so laut zu
sprechen," meinte er.

„Aber Mr. Curtis."

„Ach Miß Fanny", seufzte Curtis, der jetzt, einmal im
Gang, auch alle Furcht und Scheu überwunden hatte, „Sie
müssen es lange gemerkt haben, daß ich Sie liebe; wissen Sie wohl
noch das letzte Klötzeroll-Fest?" Fanny nahm die kirschrothe
Unterlippe zwischen die Perlzähne und blickte still vor sich nieder.
„Ich bin allein", fuhr Curtis jetzt selbst mit niedergeschlagenem
Blicke fort—„ich habe Niemanden zu Hause, der— der Theil
an mir nimmt — oder der — der mich lieb hätte; ich — ich
habe lange gewünscht, — lange gewünscht ein Herz zu finden,
das — das gern in meiner Nähe wäre. Da bin ich denn hier-
her gekommen •— Miß — Miß Fanny."

Fanny spielte verlegen mit der Schnur der Kugeltasche, die
an der Seite deS Kamins neben ihr herunter hing.

„Und wollte Sie fragen, Miß" — fuhr Curtis mit an-
gehaltenem Athem fort — „ob Sie — ob Sie Ihr Schicksal
mit einem Manne theilen wollten, der — der es brav und
ehrlich meint, und Alles thun wird, was in seinen Kräften
steht, Sie glücklich zu machen."

Ein llefgeholter Seufzer kündete jubelnd die vollendete
Erklärung, das Abrollen des FelsengewichteS, das bis zu dem
Augenblick seine Brust beängstigt hatte.

Fanny sprach kein Wort, nur manchmal warf sie einen
ängstlichen Blick nach der Thür und nach dem kleinen Fenster,
daS, mit einer dünnen weißen Gardine verhangen, dem Kamin
gegenüber angebracht war.

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„Miß Fanny", flüsterte jetzt, durch dieses bedeutungsvolle
Schweigen kühn gemacht, der Glückliche — „Miß Fanny,
ich bin auch kein hergelaufener Squatter, der Nichts hat, als
seine Art und Büchse, und mit jedem neuen Frühjahr auch
wieder eine neue, unbewohnte Gegend auffucht — ich habe ein
recht wohnliches Haus mit einer kleinen Küche und dem Rauch-
haus — neun Acker urbar gemachtes und gut eingefenzteS
Land, auch ein kleines Rübenstück — zwei ausgezeichnet gute
Pferde — sieben und dreißig Stück Rindvieh, einige vierzig
Schweine, eine vorzügliche Stahlmühle, vier Hem — die beste
Büchse im ganzen Revier und einen kleinen Neger von —"

Curtis hielt plötzlich inn«; der Neger war ihm wider
Willen herausgefahren, und Fanny barg plötzlich ihr Gesicht im
Taschentuch und wandte sich ab — Hals und Nacken färbten
sich ihr hochroth; — lachte sie ihn aus? —

Eine peinliche Pause entstand — um GotteSwillen — sie
schluchzte.

„Ach Gott! — Miß Fanny — waS fehlt Ihnen? habe
ich Sie durch irgend etwas gekränkt oder beleidigt? o mein
Himmel, so reden Sie doch — Sie bringen mich zur Ber-
zweiflung."

„Mr. Curtis", flüsterte endlich da« schöne Mädchen noch
immer hinter dem Tuche vor —

„Miß Fanny," bat Curtis.

„Für wie eigennützig — niedrig denkend müssen Sie mich
halten, daß Sie mir Ihre Reichchümer aufzählen, als ob Sie
glaubten dadurch mein Herz bestechen zu wollen."

„Miß Fanny!" sagte Curtis, und war wie vom Schlag
gerührt; Scham und Freude rangen in seiner Brust um die
Oberherrschaft. Scham, da er fühlte, wie recht sie hatte; —
Freude aber, da dieser Ausbruch deS Gefühls ein sicheres Ge-
ständniß ihrer Zuneigung zu ihm war. Die Freude trug aber
auch nach kurzem Ringen den Sieg davon.

„Fanny", flüsterte er und faltete bittend die Hände —
„Fanny — wollen Sie die Meine sein?"

Fanny, mit noch immer abgewandtem verhülltem Gesicht,
reichte ihm ihre Hand, die er glühend an seine Lippen preßte.


Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Curtis Brautfahrt"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Kommentar
Unidentifizierte Signatur

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mann <Motiv>
Traurigkeit
Karikatur
Junge Frau <Motiv>
Handkuss
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 3.1846, Nr. 61, S. 99
 
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