Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
50

Ein vortheilhaftes Geschäft.

sich auf solche Weise halb hängend, halb laufend mitschleppcn,
während er in dieser unbequemen Position über einen Plan
nachdachte, um mit dein alten Herrn, wenn auch nur auf kurze
Zeit, in Berührung zu kommen. Endlich hielt der Wagen vor-
dem deutschen Hause; der ältliche Herr und das junge Mädchen
stiegen aus und gingen in das Haus. Louis zögerte einen
Augenblick, bis der Wagen wegfuhr, und zog darauf die
Glocke. Alsbald öffnete ein Kellner, und Louis sagte:

„Wissen Sie nicht, mein Lieber, ob der Herr und die
Dame, die heut' Abend das Concert besucht haben, schon zu-
rück sind?"

„Ja wohl," antwortete der Kellner, „sie sind soeben in
ihr Zimmer eingetreten."

„Seien Sie so gut, ihnen zu sagen, ein Herr wünsche
dringend, sie zu sprechen," erwiderte Louis.

Der Kellner kam bald zurück und ersuchte Louis, ihm
zu folgen. Dieser wurde nun zu einem Zimmer geführt, wo
er die Fremden an einer Tafel sitzen fand, mit einem kleinen
Souper vor sich. Nach einer höflichen Begrüßung redete Louis
den Herrn folgendermaßen an:

„Entschuldigen Sie meinen späten Besuch, mein Herr!
Allein die Vermuthung, daß Sie etwas verloren haben, was
vielleicht von Werth für Sie sein könnte — — "

„Ich verstehe Sie nicht wohl, mein Herr!" unterbrach
ihn hier der angeredete Herr, und Louis, der als einziger
Sohn wohlhabender Bürgersleute eine sehr gute Erziehung
genossen hatte, fing nun an, seine erdichtete Geschichte in ge-
läufigem Englisch so zusammenhängend und natürlich vorzu-
tragen , daß er sie selbst fast für Wahrheit zu halten anfing.
Er erzählte nämlich: er habe gerade unter der Loge des Eng-
länders im Parterre gestanden, und beim Ausgehen aus dem
Concert sei ihm eine kleine Tabaksdose (die er zeigte, war
seine eigene) vor die Füße gefallen, und er glaubte daher,
daß diese dem englischen Herrn gehöre, den er vergeblich beim
Einsteigen zu sprechen gesucht habe, und daß er deßhalb dem
Wagen gefolgt sei.

Während des Sprechens sah Louis von Zeit zu Zeit
das junge Mädchen an und fand, daß es eine allerliebste
Brünette war. Zugleich machte er jetzt die Bemerkung, daß
sie ein wenig schielte; er fand jedoch, daß ihr dieß, ohne sie
gerade zu verschönern, einen so eigcnthümlichen Ausdruck ver-
lieh, daß er fast geneigt war, cs ihr als eine absonderliche
Zierde anzurechnen.

Der alte Herr nahm die ihm von dem jungen Leipziger
bewiesene Aufmerksamkeit so wohl auf, daß er ihm zwar er-
klärte, Nichts verloren zu haben, indessen ihn zugleich einlud,
an seinem Abendbrode Theil zu nehmen. Das stimmte nun
grade mit den Wünschen unseres jungen Helden überein, und
bei einem Fläschchen St. Julien war er so gesprächig mit
dem Engländer und so aufmerksam gegen das junge Fräulein,
daß beide ihn für ein Prachtexemplar oder Musterbild aller-
jungen Männer ansahen. Der Alte, ein gerader und fröhlicher
Mann von der rechten Sorte, theilte Louis mit, daß er mit
seiner Tochter noch einige Tage in Leipzig bleiben werde.

theils in Geschäften, theils zum Vergnügen, und alsdann nach
seinem Wohnorte Manchester zurückzukehren gedächte, wo er
eine bedeutende Fabrik besäße. Zugleich ersuchte er Louis,
ihn öfters zu besuchen. Kurz, dieser sah seine kleine List
mit so glänzendem Erfolge gekrönt, daß er mehr tanzend als
gehend gegen Mitternacht nach Hause ging, auf dem Wege
schon überlegend, wie er am besten seinen Patron Bluinenfeld
von seinen neuen Freunden fern halten könnte.

4. Eine unruhige Nacht.

Ganz niedergcschmettert waren die beiden Compagnons
vom Kaffeehause ans ihrer Wohnung zugeschritten, und hatten
ein düsteres Stillschweigen bewahrt, als fürchteten sie, einan-
der ihre Gedanken über ihre traurige Lage mitzutheilen. End-
lich sprach Glaubcrlaud:

„Sage, Fritz, kannst Du heute Nacht schlafen?"

„Schlafen? was denkst Du! ich wenigstens nicht."

„Und ich auch nicht, und darum dachte ich, ob wir nicht
am besten thäten, wenn wir eine Flasche Wein mit iu's Comp-
toir nähmen, und dabei ein wenig überlegten, was in unsrer
unglücklichen Lage zu thuu ist."

„Dein Vorschlag gefällt mir, denn ich hatte schon die-
selbe Idee."

Ein halb Stündchen später saßen die Beiden in ihrem
Comptoir am Tische, worauf Wein, ein paar Gläser und die
Comptoirlampc standen. Bluinenfeld leerte sein Glas in einem
Zuge und brach darauf los:

„Ich wollte, daß der Louis zum T — —"

„Lassen wir Louis zufrieden," fiel ihm Glauberland in's
Wort; „der Junge ist ganz unschuldig an unserm Verlust.
Goldberger und Comp., die betrügerischen Hallunken, waren
gestern noch so sicher wie die Bank. Laß' uns lieber auf
Mittel denken, um Geld zu schaffen. In einem Monat erst
wird jener Wechsel fällig, und vorher haben wir keine Zah-
lungen. Sollte möglicherweise unser Banquier — — "

„Wo denkst Du hin!" sagte Blumenfeld mürrisch. „Ein
lieber Junge, unser Banquier! Der steht auf und geht zu
Bette mit dem Wort „Sicherheit" auf den Lippen, und mög-
lich, daß er auch »och Nachts davon träumt."

„Aber wir müssen doch auf die eine oder die andere
Art etwas thun," entgegnete Glaubcrlaud. „Hast Du Nie-
mand unter Deinen Verwandten?" — —

„Meine Verwandten möchten wohl lieber selber etwas
geliehen haben," antwortete Bluinenfeld in demselben Tone.
„Und wie ist es mit den Deinigen?"

„Fritz," entgegnete Glauberland, indem er die Gläser
auf's Neue füllte, „ich habe das Andenken meines Vaters
allzeit in hohen Ehren gehalten, und das thue ich auch noch.
In diesem Augenblicke bin ich aber in Versuchung, ihn einer-
großen Unvorsichtigkeit anzuklagen, und zwar der, daß er mit
seinem einzigen Bruder stets in so großer Feindschaft gelebt
hat, daß er, ich glaube, in den ganzen letzten zwanzig Jahren
seines Lebens in gar keinem Umgang oder Briefwechsel mehr
mit ihm gestanden hat. Und ich Dummkopf, der ich war,
Bildbeschreibung
Für diese Seite sind hier keine Informationen vorhanden.

Spalte temporär ausblenden
 
Annotationen