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Hosen und

aus diesem Handel Nichts werden wollte, entfernte er sich
sehr mißvergnügt, doch sagte er noch, er wolle die Tornister
schon früher oder später an sich bringen.

Ans diese Aeußerung Salomons baute Blumenthal große
Hoffnungen, denn er meinte, der Alte würde gewiß eines Tages
wiederkelsten, um die geforderte Summe zu bewilligen. Es
vergingen jedoch Wochen und Monate, aber Salomon ließ
; sich nicht sehen und das Bündel Tornister mußte wieder hin-
auf in den gewohnten Winkel.

Seit dem Handel waren jetzt mehr als drei Jahre ver-
gangen, als der einzige Sohn Blumenthals, ein Bursche von
ungefähr zwanzig Jahren, in das väterliche Haus zurückkehrte.
Er hatte von seiner frühen Jugend an bei einem kinderlosen
Onkel gewohnt, und war von diesem zum Handelsstande in
einem ähnlichen Geschäfte, wie das seines Vaters war, heran-
gebildet worden. Auf diese Bildung war der Onkel sehr stolz
und er nannte den jungen Nathan Blumenthal einen Ausbund
aller nur denkbaren Klugheit. Der Vater gab jedoch auf die-
' scs Lob aus dem Munde seines Bruders nicht zu viel, indem
er diesen selbst nicht gerade für sehr pfiffig hielt.

„Ich werde stellen den Nathan ahs de Prob," sagte er
öfters zu Bekannten, und er dachte nur immer auf eine Ge-
! lcgenheit, die zu diesem Probestück besonders passend wäre.

Diese Gelegenheit erschien bald darauf. Blumenthal
hatte auf der Messe zu Leipzig verschiedene Geschäfte einfa-
cherer Art zu besorgen und beschloß, deren Ausführung seinem
Sohne Nathan zu übertragen. Der eigentliche Prüfstein von
dessen Talenten sollte jedoch noch in etwas Anderem bestehen.

, Das bisher fast ganz wieder vergessene Bündel mit den kalb-
! ledernen Tornistern ward hiezu ausersehcn.

Eines Morgens, kurz vor der schon festgesetzten Abreise
Nathans, nahm der Vater diesen mit hinunter in den Laden
und holte hier das verhängnißvolle alte Bündel hervor.

Mit wichtigen Mienen und feierlich langsam öffnete Blu-
mcnthal das Paqnet und breitete dessen Inhalt vor Nathan
aus. Dieser betrachtete die Tornister mit erstaunten Blicken,
denn er hatte sie früher weder gesehen noch überhaupt etwas
von ihrer Anwesenheit gewußt.

„Nathan," begann endlich Blumenthal im wichtigsten
Tone, „Nathan, was siehst De hier?"

„Mai! Vaterleben, was soll ich sehn? Alte Ledertcrni-
stcr sch' ich," entgegnetc der Sohn.

„An die Ternister sollst De machen Dein Masterstückche,"
fuhr Blumenthal ernst fort. „Ich gieb Dir die vicrßig Stück
hier mit ahs de Meß nach Leipzig, De sollst se vcrkahfcn fer
cn soliden Preis. Dreißig Thalcr sein sc werth ßum Wenig-
sten; drunter darfst Du se nich losschlagcn, dribcr hinaus
so hauch De willst."

„Scheint mer doch, als ob de Ternister nich wären en
sehr beliebter Handelsartikel un ßu billig find' ich den Preis
aach nich," warf Nathan dagegen ein.

„Wenn De Dir wirst geben Müh, wirst Du sc los
werden fer den Preis," versicherte der Vater. „Ich besteh'
aber aach nich draaf, das; De sollst bringen baar Geld fer

T o r n i st e r.

de Ternister; wenn De kannst machen cn Tauschhandel da-
mit, is mer's aach recht; aber nimm Dich in Acht, daß De
machst en guten Tausch, wo was Rechtes is ßu prifetiren
derbci. Hast De mer verstanden?"

„Ob ich Eich werd haben verstanden!" versicherte Na-
than mit selbstbewußtem Lächeln. „Gebt mer nur mit ganz
ruhig de Ternister mit ahs de Rieß', entweder ich bring Eich
davor 's Geld oder, wenn ich kann machen cn feinen Tausch
werd's uns sein noch beliebter. Der Nathan is doch gewiß
nich ahs den Kopf gefallen."

„Ich werd' sehen, ob De sprichst wahr," sprach Blmnen-
thal, indem er die Tornister wieder zusammenpackte und zu
Nathans Reisegepäck legte. Nathan freute sich selbst außer-
ordentlich, sein geschäftliches Talent, von dem er bei sich mehr
als zu sehr überzeugt war, auch jetzt vor seinem Vater ent-
falten zu können.

Als Nathan mit dem verhaßten Bündel zur Messe ab-
gereist war, fühlte sich Blumenthal außerordentlich erleichtert.
Es lag nicht mehr wie ein drückender Alp auf ihm, wenn er
in seinen Laden trat, denn er hatte jene beiden Paquete mit
ihrem unheimlichen, altersgrauen Ansehen bisher als die bösen
Geister seines Geschäftskreises betrachtet.

Vierzehn Tage waren vergangen, ohne daß Nathan von
Leipzig aus etwas hatte von sich hören lassen. Sein Vater
begann schon zu fürchten, das Bündel mit den Tornistern
werde die Reise wieder mit zurück machen und seinen alten
Platz da oben auf's Neue einnehmen, da erschien plötzlich ein
Brief von Nathan, worin dieser schrieb:

„Baterleben!

. Ich hob fer Erstaunlichkeit nich kennen frihcr ßn mir
selbst und ßn meinem Verstände kimmen. Leipzig is cnnc
Stadt, wie sc sich nur kann winschen der Handelsmann. Was
ä Geschubsc un Gcstoße ahs de Straßen u» was fer enne
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Hosen und Tornister"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Brief <Motiv>
Sohn <Motiv>
Vater
Karikatur
Schreiben
Satirische Zeitschrift
Geschäftstüchtigkeit
Juden

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 36.1862, Nr. 870, S. 74

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