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Zum gra

„Also wirklich ein deutscher Bundesfürst?" fragte der
junge Lieutenant; dann muß er wohl zu den diis mino-
rura gentium gehören, und mit denen wollte mich mein alter
Lehrer aus zweierlei Gründen, wie er immer sagte, nicht be-
kannt machen."

„Diese Gründe möcht' ich doch kennen!" fragte neugierig
der General.

„Zu Befehl, Herr General. Er meinte erstens, cs wären
ihrer so viele, daß es das Gedächtniß überladen heiße, sich
ihre Namen zu merken; und zweitens . . ."

„Und zweitens?" forschte der General.

„Und zweitens würd' es ja doch unnütz sein, sie sich zu
merken, da sie doch über kurz oder lang alle mediatisirt wer-
> den würden."

„Aber hören Sie!" lachte der General, „ich glaube gar,
Ihr würdiger Lehrer ist Mitglied des künftigen Natioualver-
cins gewesen. Der Schlaukopf! Nun! ich will diese kleine
Lücke in ihrer Geschichtskenntniß ausfüllen. Also es gibt, ge-
nau genommen, praeter propter dreißig bis vierzig deutsche
Bundesfürsten, so ganz genau weiß ich's freilich selber nicht;
als da sind die Könige von Württemberg, von Sachsen und
Hannover, der Churfürst von Hessen, die Großherzoge von
Mecklenburg, Sachsen-Weimar und Schwarzburg -Sonders-
hausen -Rudolstadt-Augustenburg, die Herzoge von Braun-
schweig und Oldenburg; haben's gezählt, wie viel's bis jetzt
sind?"

„Nein, das Hab ich nicht gethan."

„Nun, schadet nichts; also die Herzoge von Braun-
schweig und Oldenburg, von Anhalt-Schwerin, der . . die . .
das . . u. s. w. und so weiter, ich muß gestehen, ich bringe
sie selbst nicht mehr zusammen. Nur so viel ist ausgemacht,
der Fürst von Bückeburg ist darunter. Und mag man mit
Recht oder Unrecht von den Ucbrigen sagen, was man will,
von dieseni Fürsten läßt sich rein gar nichts sagen — als
Gutes. Sehen Sie, er ist unermüdlich und immer thätig be-
schäftigt, denn — er geht, reitet oder fährt tagtäglich zur
Jagd hinaus; ist ein Feind aller unnützen Neuerungen, wcß-
halb er auch so selten als möglich mit — seinen Lederhoscn
wechselt; ist in Speis' und Trank enthaltsam und nimmt mit
— einem saftigen Rchbraten, wenn er nichts Besseres haben
kann, vorlicb; ist von Jugend auf nicht verweichlicht und ver-
wöhnt; ein Kammerdiener ist noch nicht mit seinem Leibe in
Berührung gekommen und — in seiner Rocktasche fehlt oftmals
das Schnupftuch. Er liebt weder Luxus noch Glanz, es sei
denn — auf dem rechten Knie und dem linken Nockärmel,
ha! ha! ha! regiert sein Ländchen treulich — durch seine
Beamten, und wenn die Kerls einmal Böcke schießen, die den
lieben Unterthanen weh thun, so gleicht er's wieder auf
seine Weise aus, indem er das Wildpret vertilgt, das die
Felder der armen Leute verwüstet; doch wartet er gern damit,
bis die Hirsche feist sind und die Wildsauen rechte Fettwam-
men haben. Ich will freilich nicht dafür stehen, daß er alle
' seine hohen Collcgen am deutschen Bunde kennt; aber dafür
kennt er alle Bauern in seinem Lande und hält sie in Ehren,

uen Esel.

kurz und gut, er ist ein Fürst, der zu leben versteht, denn — er
ladet mich immer zu seinen famosen Treibjagen ein und macht
dabei einen so zuvorkommenden Wirth, daß man selten zum
Schüße kommt, wenn man das Glück hat, in seiner Nähe zu
stehen. Aber, Herr von der Grüben, Sie sind ja wohl auch
ein Jagdliebhabcr?"

„Zu Befehl, Herr General! leidenschaftlich!"

„Nun wissen Sie was! da bietet sich ja für Sie eine
passende Gelegenheit dar, mit der Durchlaucht bekannt zu
werden. Ich hätte ihm, wenn die fatale Gicht nicht wäre,
selbst meine Aufwartung gemacht; jetzt können Sie's statt
meiner thun. Gehen Sie in den — grauen Esel, ha! ha!
ha! und entschuldigen mich und fragen der Höflichkeit wegen
nach Sr. Durchlaucht Befehlen. Dann thun Sie das Ihrige,
um sich das Wohlgefallen Sr. Durchlaucht zu erwerben, Sie
sind ja sonst, wie ich höre, ein Schockschwcrenöther, der's
faustdick hinter den Ohren hat."

Der junge, Alles was Jagd hieß, leidenschaftlich liebende
Officier that nichts lieber, als diesen ehrenvollen und ange-
nehmen Auftrag ausführen und schickte sich auf der Stelle an,
fortzugehen.

„Hören Sie, noch Eins!" rief ihm sein General noch
nach, „lassen Sie sich nicht etwa eiufallen, bei Sr. Durchlaucht
den Angenehmen oder feinen Hofmann zu spielen oder zu schar-
wenzeln und mit süßen Brocken um sich zu werfen, das ver-
trägt der Fürst nicht und langweilt ihn; er ist eben kein Di-
plomat. Offen und ehrlich, wie er's selbst ist, ihm gegen-
übertreten, das Wort, das man spricht, nicht ängstlich auf die
Wagschale legen und gar nicht ourchblicken lassen, daß man
einen souverainen Fürsten vor sich hat, heißt am besten bei
ihm fahren; und sich als Freund der edlen Waidmannskunst
bekennen, ist bei ihm die beste Empfehlung. Summa sum-
marum es wäre nur Ihre Schuld, wenn Sie nicht zu den
bevorstehenden Herbstjagden eingcladcn würden."

„Ich werde mir, verlassen sich der Herr General darauf,
alle Mühe geben, als Ihr Stellvertreter Ehre eiuzulegcn und
nebenbei für meine eigene Rechnung zu arbeiten," erwiderte
der junge Officier lachend und sichtlich erfreut über seine
Mission, machte er sich dann sofort an die Ausführung der-
selben.

Als er eben die Hausflur des Gasthofs zum grauen
Esel erreichte, traf er mit dem Wirth zusammen, der seinem
hohen Gaste das bestellte Frühstück hincingcbracht hatte.

„Ist Seine Durchlaucht der regierende Fürst von Bücke-
burg bei Ihnen abgesticgen, Herr Wirth?" redete ihn der
junge Officier an.

„Ja wohl, mein grauer Esel hat die Ehre."

„In welchem Zimmer verweilt Seine Durchlaucht?"

„Im Gastzimmer."

„Ist Hochdcrselbe allein?"

„Ganz mutterseelenallein!"

„Ich komme im Aufträge des Herrn Commandanten,
ihn zu begrüßen. Wollen Sie wohl so gefällig sein, mich bei
ihm anzumelden?"
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