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Fliegende Blätter — 41.1864 (Nr. 991-1016)

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Nr. 995
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https://doi.org/10.11588/diglit.3275#0037
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Ehen werden im Himmel geschlossen.

Vetter! — und ob das von Hyperbeln oder Tnberkelen
. kommt, ist mir einerlei."

„Mir auch, Cousine!" unterbrach Herr Schnüpfcrlich
die Rede des Fräuleins Kütemeyer heftig. „Seien Sie ruhig,
Sie bringen mich mit Ihrem Raisoniren noch um. Ich
bekomme schon Ohrensausen. Sie wollen die Schwindsucht
haben, bei solch 'ncr Stimme! Sie besitzen ja eine Lunge, bei
der ein Ventil-Trompeter jahrelang bestehen kann. Lächerlich!"

„Werden Sie nicht grob, Herr Vetter, das bitte ich mir
ans!" kreischte Fräulein Kütemeyer. „Die Behandlung er-
trage ich nicht. Das ist der Dank, daß ich bislang alle
Heirathsanträge, die mir von höchst acceptablen Freiern ge-
macht wurden, von der Hand wies, damit ich ganz Ihnen
mich widmen konnte. O cs ist schändlich, empörend, haar-
sträubend!"

„Na, nun thun Sie mir aber den einzigen Gefallen,
Cousine, und kommen Sie mir nicht mit der alten Flöte!
Die kenne ich genügend! Sprechen Sie doch nicht immer von
Ihren „höchst acceptablen Heirathsanträgen!" Das zieht bei
mir wahrhaftig nicht. Fragen Sie doch nur Ihren Tauf-
schein! Der und Ihr Erterieur werden Ihnen vollkommen
zeigen, daß der Blüthenstaub der Jugend schon seit geraumen
{ Jahren von Ihnen abgewischt ist, daß Sie nicht mehr auf
die Bezeichnung einer knospenden Moosrose, wohl aber auf
die einer entblätterten Centifolie Anspruch machen können."

„O, diese Behandlung!" stöhnte Fräulein Kütemeyer,
indeß Herr Schnüpfcrlich höhnisch fortfuhr: „Daß Ihnen
noch Jemand sein Herz antragen könnte, Cousine, liegt gänz-
lich außer dem Bereiche der Möglichkeit; daß Sie dagegen
Ihre Liebe, die noch in Ihrem vertrockneten Busen schlum-
mert, mehr wie gern einem Wesen männlichen Geschlechts
offeriren möchten, daran zweifle ich freilich nicht im Mindesten.
Ich glaube, bei Ihrer Heirathslust wären Sie im Stande
und heiratheten —"

„Sie?" fuhr Fräulein Kütemeyer heftig auf. „Nimmer-
mehr! Lieber ginge ich in die Meisegeier sche Jungfrauen-
Stiftung."

„Mich? Was fällt Ihnen ein? Sie glauben doch nicht,
daß ich Ihnen —" und erschrocken wich Herr Typhonius
Schnüpfcrlich einige Schritte zurück. „Nein, Cousine, ich
meinte, Sie wären im Stande und überwiesen dem lahmen
Schulze, unserem städtischen Nachtwächter, Ihr unentweihtes
jungfräuliches Herz."

„O, diese Injurien," stöhnte Fräulein Kütemeyer. „Nein,
daö kann, das darf ich nicht ertragen! Herr Vetter, morgen
im Tage verlasse ich Ihr Haus, um nimmer wieder zu
kehren!"

„Soll mir lieb sein," brummte Herr Typhonius Schnüpfer-
lich, indem er wieder an seinem Arbeitstische Platz nahm,
um die durch die eben beschriebene Scene mit seiner Cousine
unterbrochene Mundirung eines Berichts des königlichen Stcuer-
amts an die königliche Steuerdirektion fortzusetzen, und auch
Fräulein Kütemeyer verließ das Zimmer, die Thür hinter
sich zuschlagend, daß die Fenster klirrten.

Aus dem zwischen dem Herrn geheimen Stencramts-
Kanzlistcn und dessen Cousine stattgefundenen Auftritte wird
die schöne Leserin den Charakter der beiden Leutchen gewiß
schon errathen haben. Herr Typhonius Schnüpfcrlich war
eben ein alter- Junggescll, während Fräulein Marianne Kütc-
meyer nichts mehr und nichts weniger als eine alte Jungfer
zu sein sich schmeicheln konnte. Ersterer war um den heiligen
Ehestand bislang wie die Katze um den heißen Brei herum-
gegangcn, wogegen man von Fräulein Kütemeyer munkelte,
daß sie all' ihr Sinnen und Trachten darauf richte, der Be-
stimmung, für welche Mutter Natur die Jungfrauen nun
einmal geschaffen, gerecht zu werden, was ihr bislang lcider
noch immer 'nicht hatte gelingen wollen, obgleich sie fort-
während von den vielen „Vorschlägen," mit denen „höchst
nette und liebenswürdige" Heiraths-Candidaten sich ihr genaht,
renommirte, an deren Dasein die ungläubigen Bewohner von
Neuburg indeß argen Zweifel hegten. Behauptete man doch,
daß Fräulein Marianne Kütemeyer, sobald im Tagcblatte
ein „reelles Heirathsgesuch" verkündet werde, allemal ihre
Adresse unter der gewünschten Chiffre bei der Erpedition so-
fort einreiche, was indeß wohl reine Vermuthung sein mußte,
da die Leute hierüber ja gar keine Gewißheit haben konnten,
indem bei allen Heirathsgesuchen bekanntlich die „strengste
Diöcrction" zngesichert wird.

Im klebrigen war Fräulein Kütemeyer eine höchst ehren-
werthe Persönlichkeit, die dem Haushalte des Herrn geheimen
Steueramts - Kanzlisten auf's vortrefflichste Vorstand, so daß
sich dieser nach der Meinung mancher Neuburger und Neu-
burgerinen durch Heimführung seiner Cousine gewiß nicht im
Lichte gestanden haben würde, ein Gedanke, der ihm freilich
noch nicht in den Sinn gekommen. Herr Typhonius Schnüpfcr-
lich war ein eigenthümlicher Kauz, ein Hypochonder und
Staatshämorrhoidariuö vom reinsten Wasser, der sich mit
Niemanden vertragen konnte, eine Eigenschaft, die bei einer
Verhcirathung doch ihr Unangenehmes haben konnte, weshalb
er, wie schon oben bemerkt, solcher bislang immer aus dem
Wege gegangen war. Der geringsten Kleinigkeit wegen konnte
er in den heftigsten Zorn gerathen und dabei seine Umgebung
mit den ärgsten Grobheiten traktiren. Das war so stadtbekannt,
daß er in der That keine Dienstboten mehr bekommen konnte,
und in -die ärgste Verlegenheit gerathen wäre, hätte sich seine
Cousine nicht entschlossen, die Führung seines Haushaltes zu
übernehmen, wobei die Neuburger weiblichen bösen Zungen
freilich wieder behaupteten, daß sich Fräulein Kütemeyer da-
durch eine Brücke zum Ehebunde mit dem geheimen Stcuer-
amts - Kanzlisten zu erbauen gedenke, was indeß die reine
Verleumdung sein mußte, da letztere, wie wir ja noch eben
gehört, bei einer solchen Andeutung erklärte, lieber in die
Meisegeier'sche alte Jungfernstiftnng als mit Herrn Schnüpfcr-
lich zum Traualtar zu gehen.

Was das Zusammenleben der beiden Leutchen betrifft,
so hatte es sich bislang nur durch häufige kleine und größere
Differenzen, die freilich stets von dem geheimen Steueramts-
Kanzlisten herrührten, ausgezeichnet. Zu denselben fand sich
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