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Ehen werden im Himmel geschlossen.

nur zu leicht Anlaß. Stand das Sandfaß auf dem Tische
des Herrn Schnüpferlich nicht auf dem von ihm bestimmten
Platze, so schwoll ihm der Kamm; Mimi, die Katze seiner
Cousine, die nicht immer die strengsten Regeln der Reinlich-
keit beobachtete, erregte seinen furchtbarsten Grimm, und kam
es Fräulein Kiitemeyer nun gar dann und wann einmal in
den Sinn, durch Abfcgen und Auskehren etwas Ordnung in
das Zimmer ihres Vetters zu bringen, so war dieser für
volle acht Tage ungenießbar.

Dieserhalb waren, wie schon gesagt, verschiedentlich
Differenzen vorgekommen. Doch hatten sich solche bislang
stets wieder zngezogen; aber der heutige Vorfall schien zwischen
den Beiden eine Trennung unvermeidlich zu machen. Das
Schrecklichste, was Herrn Typhonius Schnüpferlich nämlich
geschehen konnte, war heute bei einer zeitweiligen Abwesen-
heit desselben wirklich vor sich gegangen: Fräulein Kütcmeher
hatte sich unterstanden, dessen Arbcitsstübchcn zu — scheuern.
Das war zu viel! Seit dem vor vierzehn Jahren erfolgten
Tode seiner Schwester war ihm das nicht passirt. Das
durfte er sich nicht bieten lassen! Nimmer! Die Cousine
mußte aus dem Hause und das bald!

„Das Frauenzimmer hat mich scheußlich geärgert," begann
er, darüber in die größte Aufregung versetzt, knurrig. „Ich
mcrk's schon, der Aerger wirft sich wieder auf meinen Unterleib.
Morgen habe ich meine Magensäure wieder. Doch das laß
ich mir nicht mehr bieten; mein Leben will ich mir durch
die Person nicht vergällen lassen. O nein, Cousine, da
werden wir einen Stecken beistecken! Ich bleibe fest: sie muß
aus dem Hause!"

Soweit war Herr Schnüpferlich eben in seinem Mono-
loge gekommen, als sich auf dem Corridor Schritte vernehmen
ließen, an der Zimmerthür ein leises Klopsen erschallte und
auf ein brummiges „Herein" des Herrn geheimen Steuer-
amts-Kanzlisten dessen Freund, der Calculator Mesenbrink,
die Schwelle mit einem freundlichen „Gesegnete Mahlzeit,
lieber Typhonius," überschritt.

„Hat sich' was mit „gesegneter Mahlzeit;" sag' lieber
„gesegneten Aerger!" knurrte Herr Schnüpferlich auf solch
lieben Wunsch.

„Na, was ist denn Dir in die Quer' gekommen, Typho-
uiuö? Aerger gehabt? Mit wem denn? Wohl auf dem
Bureau? Nicht? Na, doch nicht schon wieder mit Deiner
Cousine?"

„Natürlich, mit wem sonst, als mit der alten, ver-
schrobenen Person," fuhr Herr Schnüpferlich auf.

„So, so! Hm, hm, das thut mir aber in der That
leid! Ja, so etwas kommt bei Verwandten recht leicht vor,
und da läßt sich nichts dagegen machen. Was habt Ihr denn
wieder mit einander gehabt? Schütte Dein Herz in meinen
Busen aus."

In einem Athcm erzählte Herr Schnüpferlich auf diese
Aufforderung dem Freunde die schreckliche Geschichte des
Schencrns seines Zimmers, wobei er nicht unterließ, dieselbe

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auf's bestmöglichste auszuschmücken und zu übertreiben. „Und
nun sprich," schloß er seine Rede, „darf ich mir so etwas
gefallen lassen, Mesenbrink? Ist mein Aerger nicht gegründet?
Kanu das so fortgehen?" Und er durchmaß mit laugen
Schritten sein Zimmer.

Bedächtig nahm der Calculator auf solche Mittheilung
eine gehörige Prise und entgeguete dann: „Ja, das ist frei-
lich eine empörende Geschichte, Typhonius, und Dein Aerger
ist vollkommen gegründet. Sv etwas ließ ich mir auch nicht
gefallen."

Gerührt reichte Herr Schnüpferlich dem Freunde die
Hand, indem er bewegt sprach: „Du träufelst Syrup —
Balsam wollte ich sagen — in mein Herz, Mesenbrink.
Und nun sprich. Bist Du nicht auch ganz meiner Meinung,
daß die Person aus dem Hause muß?" fuhr er hitziger fort.

„Gewiß, Typhonius, ganz Deiner Meinung!"

Abermals reichte Herr Schnüpferlich dein Freunde ge-
rührt die Hand, während dieser fortfuhr: „Doch hast Du
auch wohl schon daran gedacht, was geschehen muß, wenn
Fräulein Kütemcyer Dich verlassen hat?"

„Nun, ich eugagire eine Haushälterin."

„Da bin ich entschieden dagegen, Typhonius! Ich denke,
die Haushälterinen und Mägde hättest Du nach und nach
satt bekommen."

„Das wohl! Doch habe ich dabei wenigstens den Vor-
thcil, daß ich solche Personen, conveniren sie mir nicht, sofort
und ohne viele Umstände aus meinem Dienste und Hause
entfernen kann, was bei Verwandten, wie z. B. bei meiner
Cousine, doch nicht immer so leicht geht."

„Da hast Du freilich Recht; aber bei dem fortwährenden
Wechseln mit den Dienstboten kommt auch nichts Gutes
heraus."

„Ja, was bleibt mir denn da übrig? Am Ende willst
Du mich noch bewegen, meine Cousine wieder in Gnaden
aufzunehmeu?"

„Nichts weniger als das, Typhonius! Ich denke doch,
Du wüßtest, daß ich für die nimmer ein gutes Wort ciu-
legen würde, für sie, mit der ich wahrhaftig nicht auf freund-
schaftlichem Fuße stehe."

„Nun, was ist denn Deine Absicht, Mesenbrink? Die
Cousine soll ich fortschicken, eine Haushälterin oder eine Magd
aber nicht micthen. Bester Freund, da bleibt mir am Ende
nichts weiter übrig, als für die Folge meine Stiefel selbst
zu putzen und mir eigenhändig meine Suppe zu bereiten!"

„Nicht doch, lieber Typhonius, das würde seine Schwierig-
keiten haben! Nein, ich habe andere Absichten mit Dir."

„Und die wären?" fragte der Herr geheime Steuer-
amts-Kanzlist gespannt.

Langsam erhob sich der Calculator von seinem Stuhle,
schritt auf den Freund zu, und diesem beide Hände aus die
Schultern legend und seine Blicke fest auf ihn richtend, be-
gann er fast feierlich:'„Lieber Typhonius, der unmaßgeb-
liche Vorschlag, den ich Deinem Ermessen unterbreiten möchte,
ist Dir nicht fremd. Schon mehr als einmal habe ich bei
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