Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
115

Das Geld lie

Leise, als wäre es noch der Widerhall seines eigenen
Liedes, tönt ein ferner Gesang durch den Wald, eine jener
langgezogenen, wehmuthvollcn Weisen, die so vielen deutschen
Volksliedern eigen sind. Ein Chor singender Mädchen kommt
denselben Weg herauf, wie eben die Bursche. Da tritt er
rasch wieder in das Dunkel des Gehölzes, aber mit ver-
änderter, freudig erregter Miene.

Die Sängerinnen kommen heran. Von ferne schon
schimmern die schneeweißen, auf den Oberarm zurückgestrichenen
; Hemdärmel und die volle Beleuchtung des Mondes zeigt
hohe, edle Gestalten, die im Vordergründe der nächtigen Land-
schaft eine malerische Gruppe bilden. Denn hier — im
Münchberger Amte — ist die weibliche Landtracht mit Glück
dem städtischen Geschmacke gefolgt und jede Entstellung der
: Körperformen, wie sie in andern voigtländischen Bezirken das
Auge beleidigt, wird längst vermieden. Die buntseidenen
Enden der dunkeln, um den hohen Kamm und die blonden
Haare geschlungenen Kopftücher flattern im lauen Abcndwind
und die vom Halse auf die Brust herabfallenden „Goldstücke"
blitzen bei jedem Schritte.

Sie singen das Lied vom wiedergefundencn Schatze:
„Wenn ich auch keinen Schatz mehr Hab',

Werd' ich schon einen finden;

Geh' ich's Gäßlein auf und ab,

Geh' ich's Gäßlein auf und ab,

Bis an die Linden!"

Eben beginnen sie die zweite Strophe:

„Als ich zu der Linden kam,

Stand mein Schah daneben —

Das Gesicht des lauernden Burschen überfliegt ein leises
Lächeln. —

„Grüß dich Gott, Herztausender Schah,

Grüß dich Gott, Herztausender Schatz,

Wo bist du gewesen?"

! ... sie haben die Stelle erreicht, wo er neben der „Linde"
j steht — freilich ist's diesmal eine junge Fichte, —

„Grüß dich Gott! — —"

singt er mit kräftiger Stimme darein, springt hervor und um-
j schlingt rasch den Hals eines der Mädchen. Mit einem lauten
Schrei fahren die übrigen auseinander.

„Ach, der Johann ist's," tönt es dann unter lautem
! Lachen — „wart', Du Aufpasser!" Sie legen die Arme
wieder ineinander und schreiten singend weiter, auf das Dorf
zu, das Pärchen zurücklassend.

„Hab' ich Dich doch erwartet, Kathrina!" beginnt der
Bursche — wir haben inzwischen er-rathen, wer die Beiden
sind — „geh' zum Tanz und mach' Dich recht vergnügt,
mich triffst Du aber nicht dort. Meine Mutter sitzt droben,
grad neben den Musikanten, wo sie Alles überschauen kann,
und da wär' mein Brod wieder auf acht Tage gebacken, wenn
sie mich bei Dir sähe. Mich so hinstellen und thun, als
säh' ich Dich nicht, das mag' ich auch nicht — kurz und
gut, ich bleibe davon und sag' Dir's gleich, damit Du weißt,
wie Du daran bist. Tanz' nur recht und wenn sie etwas

gt am Wege.

über Dich sagt, so lass' es beim einen Ohr 'nein und beim'
andern 'nausgehen; Nachreden kann sie Dir doch nichts! Ich
hab's schon heut' Abend gewußt, daß sie in's Wirthshaus
geht; die Lisabeth ist zu ihrem Vetter auf die Kirchweih ge-
kommen, mit der soll ich's halten, ihre Kroncnthaler stechen
meiner Mutter gewaltig in die Augen. Aber da darf sie
lang warten, bis sie mich bei der sieht! — sie sieht mich
heut' eben gar nicht."

„Da bin ich kurz besonnen, Johann," erwiderte das
Mädchen, „da geh' ich schnurstracks wieder heim! Ich Hab'
nichts gegen Deine Mutter, aber ich will keine Stichelreden
hören, und die bleiben nicht aus."

„Nein, geh' nur hin — thu' mir den Gefallen, sonst
meint sie ja gar, ich bin drüben bei Dir. Geh' zu und
mach' Dich lustig!"

„Ja, das ist auch wahr — und da hast Du danu
morgen doch Dein Kreuz, so wie so. Gut, ich will ein paar
Stunden hin, aber nur Deinetwegen. Die Freude ist schon
weg!" Sie schlugen langsam die Richtung gegen das Dorf
ein — Niemand begegnete ihnen.

„Mein Entschluß ist gefaßt, Kathrina," fuhr Johann
fort, „ich geh' im Frühjahr nach Amerika. Ich Hab' gehört,
daß die Schifffahrt kein baar Geld kostet, wenn man's drüben
wieder abverdient. Da arbeite ich wacker und wenn ich die
Fahrt abgezahlt habe, spare ich so lange, bis ich Dich und
Deine Mutter Nachkommen lassen kann. Denn von daheim
bekomm' ich nichts dazu, das weiß ich im Voraus, zumal
weil mein Ersatzmann beim Militär schon so viel Geld ge-
kostet hat. Das Leben hier halt' ich nimmer aus. Meine
Leut' haben dann die Wahl — entweder mich fortlassen und
den Hof an wer weiß wen verschleudern oder mir meinen
Willen zu thun." Kathrina erschrack über diese Nachricht. —
„Ach, der schöne Hof, das wär' doch jammerschad, wenn der
an fremde Leut' käm'. Nein, Johann, das darfst Du nicht
thun!" —

„Ja, es geschieht — ganz gewiß. Geht's so nicht,
muß es anders gehen."

Sie hatten den Hügelvorsprung erreicht und sahen das
lichterhelle Wirthshaus vor sich.

„So, jetzt gute Nacht, und thu' mir den Gefallen, sei
recht lustig!"

„Gute Nacht, schlaf' sanft!"

Ein Händedruck, ein Kuß — und das Mädchen schritt
allein auf das Dorf zu, während Johann die Halde hinan-
sprang und den Weg nach dem Hofe durch den Wald nahm.
„Meine Mutter sagt, ich soll eine Reiche nehmen,

Mit viel Silber und viel Gold,

Doch da wollt' ich lieber gleich in Armuth schweben,

Eh' ich Dich verlassen sollt — —"
hallte es noch als letzter, verheißender Gruß in Kathrinens
Ohr.

(Fortsetzung folgt.)
Bildbeschreibung
Für diese Seite sind hier keine Informationen vorhanden.

Spalte temporär ausblenden
 
Annotationen