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Fliegende Blätter — 5.1847 (Nr. 97-120)

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Nr. 110
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https://doi.org/10.11588/diglit.2127#0112
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Güterzertrümmerer.

eine Rolle von dem Tabak zu bringen, der Euch so gut schmeckr.
Adieu! einen Gruß an die schone Bäuerin — gute Feiertag'.'

Ehe der Bauer, der nicht so rasch besonnen war wie Sammle,
und keine so geläufige Zunge hatte wie dieser, auf so viel Zu-
dringlichkeit eine paffende Antwort finden konnte, schritt der
feiste Schacherer mit Schmul bereits der Thüre zu. Dort wen-
dete er noch einmal seinen breiten Kopf, von schwappelnden
Wangen umhangen, vergleichbar jenen Mandarinengesich-
tern mit aufgedunsenen Backen, mit geplätteten und verwischten
Zügen, wie man fie -st auf den chinefischen Vasen zu sehen
bekömmt, nach dem Bauern um, und seinen grauen fast erlo-
schenen Augen entglitt ein unheimlicher sonderbarer Blick, einem
verderblichen Blitze gleichend. Der Maierbauer empfand, als
dieser Blick über ihn hinstreifte, ein eigene-, unerklärliches
Grauen, über das er in der nächsten Minute lachte, und
eS, als ziemlich aufgeklätter Mann, auf die Rechnung jener
Erzählungen schrieb, die er in früher Zugend von den
schwarzen Thaten der Juden vernommen. Ruhiger nach-
denkend, erschien aber bald diesem Manne ohne Falsch und
Verdacht Lämmles Benehmen nicht nur steundschaftlich, son-
dern sogar herzlich, und es gefiel ihm, daß dieser Jude
minder argwöhnisch sei als die Uebrigen, die ohne schriftliche
Verficherung selten, selbst dem Begüterten, etwas von
irgend einem Wetthe anverttauen. Sämmle sollte aber dem
wackern Maierbauern nicht umsonst sein Zuttauen geschenkt
haben. So beschloß es dieser; denn er wollte ihn, wenn
Jener anders fich in seinem Stalle etwas aussuchen sollte,
gut bedienen und den Preis billig stellen.

Unter solchen Gedanken schlürfte der Sandmann den Rest in
der Taffe aus, nahm dann Hut und Mantel von dem Nagel und
verließ nun auch das Kaffeehaus. In dem Gasthause angelangt,
in welchem er sein Fuhrwerk eingestellt hatte, blieb er nicht,
wie sonst, noch ein Stündchen bei dem Witthe, den er lange
und gut kannte, fitzen, sondern begab fich, einen unüber-
windlichen Schlaf vorschützend, alsogleich in das für ihn
zur Nachtruhe bestimmte Zimmer. Langsam kleidete er fich
dott auS, und bettachtete mit Wohlgefallen den niedlichen
Budenkram, dm sein Knecht hier wohlgeordnet aufgestellt
hatte, als habe es demselben Freude gemacht, länger mit
dem Spielzeuge zu verkehren als nöthig war. Der Bauer
lächelte, packte dann Alles in eine Kiste, die er eigens zu
diesem Zwecke mitgenommen, und als so die ganze Christ-
bescherung zum Transpotte geschickt hergettchtet war, sprach
er ftomm und gläubig ein Nachgebet und legte fich zur Ruhe
nieder. Obgleich müde von den vielen Gängen, die er ver-
wichenen Tages gemacht, wollte doch lange kein Schlaf in
seine Augen kommen. So absurd er eS auch fand, so
drängte fich doch immer die Gestalt deS dicken Juden
Sämmle unabweisbar in seine Gedanken ein, und als
mdlich deS Schlafes Bleigewicht nach halb durchwachter
Rächt auf ihn niedersank, so neigte fich auch bald daS auf-
gedunsene Mandattnengestcht deS Judm erschreckend und
gespensterhaft in seine Träume herein. Der Träumende sah
unter Anderm den für seine Kinder festlich geschmückten

Chttstbaum. Er selbst war dabei beschäftigt die buntfarbigen
WachSkerzchen anzuzünden, während in einem anstossenden
Zimmer, dessen Thüre verschlossen war, die Kinder auf das
Zeichen der Glocke harten, das fie zu der dies Mal so reichen
Bescherung deS heiligen Christ rufen sollte. Da fiel eS dem
Maierbauem bei, auch die für seine Frau bestimmte goldene
Kette an dem lichtfunkelnden Baume aufzuhängen; kaum aber
berühtte das von dem Schacherer ihm so zu sagen mit Ge-
walt aufgedrungene Geschmeid die Zweige des Christbau-
meS, so verwandelte es fich in seiner Hand —die erschrocken
zurück fuhr — in eine Blindschleiche, welche fich zischend
an dem Baume hinauf schlängelte. In diesem Augenblicke
erlöschten, wie von einem mächtigen Hauche auSgeblasen, die
WachSkerzchen, und der Engel, der an der Spitze deS Bäum-
chens wie beschirmend die glänzenden Flügel von Rauschgold
über all' die niedlichen Spielsachen, Lebkuchen, Aepfel und
vergoldeten und verfilbetten Nüsse ausbreitete, flatterte gleich
einer aufgescheuchten Taube davon. Mit dem Engel zugleich
verschwanden all' die für die Kinder bestimmten Gaben, so,
daß an dem seines festlichen Schmuckes beraubten Baume zuletzt
nur die glatte Blindschleiche züngelnd und tückisch herab klotzte.

Der Rauch, welcher von den glimmenden Dochten der
Kerzchen aufqualmte, zog traurig durch die Zweige des Christ-
baumes zu dessen Wipfel hinan, auf dem zuvor der Engel
gethront. Hier sammelte er fich in einer dichten Wolke, die
bald Verkörperung und Form und endlich daS widerliche
abstoffende Angeficht — des Juden zeigte. In den geplät-
teten, blaffen und verwischten Zügen sprach fich eine teuflische
Schadenfreude und ein ungemeiner Hohn aus, worüber der
träumende Maierbauer fich so sehr entsetzte, daß er einen
Angstschrei ausstieß und aus dem Bette sprang.

Es dämmette der Tag, und in zur Andacht stimmenden
Klängen rief ein Glöckchen im Herzogspital zur Frühmesse. In
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"Güterzertrümmerer'"
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Fliegende Blätter
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

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Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Schlaf <Motiv>
Rauch <Motiv>
Geist
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Juden

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Fliegende Blätter, 5.1847, Nr. 110, S. 108

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