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Fliegende Blätter — 50.1869 (Nr. 1225-1250)

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Nr. 1239
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Carnevals - Abenteuer.

lungenen Anspielungen und sie werden cs auch jedem Frem-
den, der für das Urwüchsige des Volkes Interesse hat und
jene blasirten, seichten Bemerkungen verabscheut."

„Da hast Du Recht, Hugo!" rief Winter, „und ich
möchte einmal einen dieser blasirten Herren, der dem
neuen Geschmack huldigt, hier sehen, >oas er zum Beispiel zu
jenem unansehnlichen Kerlchen dort sagen würde, das die ganze
Gesellschaft mit seinen Späßen amüsirt — doch siehe, was
geht da vor?" unterbrach er sich plötzlich und blickte mit
Spannung nach der Saalthür.

Eine rauhe Mannsstimme ließ sich von dorther hören.
„Na, Elise," rief sie in grobem Platt-Kölnisch, „ist es Dir
jetzt bald gefällig, hineinzuspazieren und hier der verehrten
Gesellschaft etwas vorzuspielen?"

In diesem Augenblicke zeigte sich auch der Besitzer dieser
Stimme, eine zerlumpte Gestalt, in der Thüröffnung, die
einen, wie es schien, widerstrebenden Gegenstand hereinzerren
wollte. Nicht sobald ereignete sich diese Seene, als die Nahe-
sitzenden aufmerksam wurden und aufstande», um zu sehen,
was es gebe. So bildete sich bald ein dichter Knäuel an
dem Eingang.

Dem zerlumpten Kerl war es inzwischen gelungen, den
widerstrebenden Gegenstand in's Zimmer zu drängen und cs
zeigte sich ein junges, bleiches Mädchen von etwa neunzehn
Jahren, das eine Guitarre unter dem Arme trug.

Es waren nun um diese Carnevalszeit solche herumziehende
„Künstler" eben nichts Neues, aber hier schien doch etwas Be-
sonderes obzuwalten, welches das Interesse der Gäste erregte.

Während nämlich sonst solche Mädchen frei um sich blickten
und förmlich Vergnügen an ihrem traurigen Handwerk ver-
riethen, war hier sicher das Gegentheil der Fall.

Das arme Geschöpf schlug vor Scham die Augen nicht
auf, sie konnte sich kaum noch aufrecht halten und mußte sich,
um nicht zu fallen, an die Thür lehnen.

Die Gäste sahen verwundert von dem alten Gesellen mit !
dem frechen Säufergesicht auf das fast ohnmächtige Mädchen
und dann sich verwundert gegenseitig an, als ob Einer dem
Andern das Räthsel lösen könne.

Jetzt kam der Wirth hinzu und seine barsche Frage, was
er hier wolle, brachte auch die Umstehenden in Bewegung.

„Jawohl," riefen ein Paar, „>vas wollt Ihr hier? I
Das Mädchen ist ja krank und kann wahrhaftig nicht singen."

Dem Alten schien es etwas unheimlich zu werden; so
hatte er sich den Ausgang wohl nicht vorgestellt.

„Ihr Herren," rief er, „das Mädchen da ist meine !
Tochter, sie hat eine schöne Stimme und ich habe sie schön
Guitarrespielen lernen lassen; ich bin ein armer Mann und
da kann sie doch wohl singen und spielen, um das Brod für
mich und sie zu verdienen."

„Oder damit der arme Vater auch ein bischen Schaban
(Schnaps) für seine durstige Kehle bekommt," rief Jemand
aus den Umstehenden, und die ganze Gesellschaft brach in
lautes Lachen aus.

Winter und sein Freund Steinberg hatten sich gleich-
falls der Gruppe an der Thür genähert, und Letzterer, der
plötzlich aufmerksam und verwundert Vater und Tochter be-
trachtete, verfolgte mit besonderem Interesse den weiteren
Verlauf des Skandals.

„Meine Herren," protestirte der Alte jetzt wieder, „ich
gebe Ihnen mein Wort, ich trinke gar keinen Schnaps, höch-
stens —"

„Das sollten Sie eigentlich auch nicht mehr," warf da
Steinberg plötzlich ein, „wenn Sie an das denken, was Ihnen
vor ungefähr eiuein halben Jahre passirt ist. Sie werden
niich wahrscheinlich nicht mehr kennen, sich auch der Sache
nicht mehr erinnern, und so will ich Ihnen sagen, ums ich
meine. Damals kam ich, als ich eines Tages über die Hoch-
straße ging, dazu, wie ein Mensch in vollständigem Delirium
tremens aus der Straße lag; dieser Mensch waren Sie! Ich
ließ Sie nach Hause schaffen, und jenes arme Mädchen dort
weinte bitterlich, als Sie hineingetragen wurden, weil es
glaubte, daß Sie todt seien. Als Sie wieder zur Besinnung
kamen, schwach und hilflos dalagen und das Mädchen hier
über sich gebeugt sahen, wie es voller Sorge und Angst auf
Sie blickte, da sagten Sie zu ihm: Elise, ich bin ein schlechter
Kerl, aber ich will mich bessern, ich verspreche Dir, keinen
Schnaps mehr zu trinken und Dich nicht mehr zu mißhandeln.
Schnaps haben Sie inzwischen wieder getrunken, das sehe ich
Ihnen an; auch jetzt sind Sie im berauschten Zustande, und
ob Sie das Mädchen weiter ordentlich behandelten, muß ich
sehr in Frage stellen, wenigstens scheint es Ihnen nicht frei-
Ivillig hierher gefolgt zu sein."
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Carnevals-Abenteuer"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mann <Motiv>
Musikant
Aversion
Eingang <Architektur>
Zwang
Weinlokal
Neugier <Motiv>
Gitarre <Motiv>
Karikatur
Junge Frau <Motiv>
Menschenmenge <Motiv>
Lumpen
Ankunft <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
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Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 50.1869, Nr. 1239, S. 114
 
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