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Fliegende Blätter — 53.1870 (Nr. 1303-1328)

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Nr. 1303
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https://doi.org/10.11588/diglit.4927#0007
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Zor

bic ihm zur Entschädigung für dic erfahrene Unbill heute diesen
glänzenden und herzlichen Empfang bereiteten.

Schon ging es gegen Abend, da gab endlich ein Kanonen-
schuß das Zeichen, daß der Markgraf das Weichbild der Stadt
erreicht habe, llnter dem Geläute aller Glocken und dem Vivat-
rufen der auf ihren Fürsten stolzen Menge ritt er an der
Spitze seines glänzenden Zuges über die Brücke, wo ihn der
Bürgermeister mit dem gesummten Magistrate bcwillkommtc und
zog dann umringt von festlich gekleideten Jungfrauen, dic Blu-
men ans seinen Weg streuten, weiter durch die Stadt gegen
das Schloß.

Zerstreut blickte Ludwig auf dic jubelnde Menge und er-
wiederte leutselig doch ernst ihre Grüße durch Winke mit der
Hand, durch ein Lächeln, bisweilen auch durch ein Lüsten seines
Federhutes. Häufig aber wandte er sein Antlitz rückwärts nach
einer dicht verschleierten Dame, dic in reicher türkischer Kleidung
in einer von gefangenen Türken getragenen Sänfte seinem Zuge
folgte. Zwei glühende Blicke begegneten dann den (einigen und
drangen durch die dichten Schleier tief in die Seele des Fürsten,
der sich erröthend wieder abwandte und in Gedanken versunken
weiter ritt.

Endlich gelangte der Züg zum Schlosse. Rasch schwang
sich der Fürst aus dem Sattel, reichte der aus der Sänfte ge-
stiegenen Dame die Hand und schritt mit ihr die breite Treppe
empor. Jubelnd empfing ihn hier dic Gattin; er begrüßte
dic erglühende Sibylle freundlich, doch kurz und nicht gerade
zärtlich, so daß man deutlich ersehen konnte, daß er sich ans
dieses Wiedersehen nicht übermäßig gefreut hatte.

„Sibylle", begann er dann nicht ohne Verlegenheit, indem
er die verschleierte Fremde an der Hand ergriff inid sie der
Fürstin vorstellte, „ich bringe Dir einen Gast mit, eine arme
Unglückliche, der mein Sieg die Heimath und den Vater nahm.
Es ist die Tochter meines Gegners, des Großwessirs Mnstapha
Köprili, der nach Verlust der Schlacht seinem Leben selbst ein
Ende machte, um dem Tode durch Henkershand zu entgehen.
Ihr selbst rettete ein Zufall das Leben, da ich in dem Augen-
blicke in das Zelt des Wessirs trat, als die Arme, verzweifelnd
über des Vaters Leiche hingeworfen, ihre Ehre bedroht sah
durch einige Zügellose, die plündernd das erstürmte Lager durch-
zogen. Meine Hand hielt den Dolch ans, der noch vom Blute
des Vaters rauchte, als er auch sie durchbohren sollte. Gieb
Du dcßhalb der unglücklichen Zoraidc die Heimath wieder, die
ich ihr geraubt, und gestatte ihr das Asyl, das ich ihr geboten!"

Zoraidc hatte bei den letzten Worten ihres Beschützers
die Schleier zurückgeschlagen und blickte niederknieend bittend
zu der Fürstin ans. Bestürzt schaute diese die wunderbare
Schönheit dieses kaum der Kindheit entwachsenen Mädchens.
Dunkle, seidenweiche Flechten umrahmten ein Gesicht vom schön-
sten , edelsten Schnitte. Dichte Brauen wölbten sich unter der
reinen, blendend weißen Stirne über einem. Augenpaar von
seltenem Glanze, deren dunkles Feuer durch lange weiche Wim-
pern gemildert wurden. Dic feine Rase der tscherkessischen
Rnce erhob sich über einem kleinen Munde, dessen dünne Lippen
von zartestem Roth sich öffneten und dic schönsten Perlenzähne

aide.

zeigte, als sie dic ihr von Ludwig gelehrten Worte stammelte:
„Bitte — bitte — Sultan«!" Sprachlos starrte Sibylle in
Zoraidens erröthendes Antlitz; ein argwöhnischer Gedanke durch-
zuckte ihre zur Eifersucht geneigte Seele und machte ihr unschönes
Gesicht mit den harten, beinahe männlichen Zügen erbleichen.
Forschend richtete sic das funkelnde Auge auf den Gatten, der,
den Gedanken kennend, der Sibyllens Seele erfüllen mochte, ihr
nnmulhig zuslüsterte; „Es ist ein Kind — es zählt erst 15 Jahre!"

Verwirrt darüber, daß der Markgraf ihren Gedankengang
errathcn hatte, erröthcte Sibylle; schnell gefaßt jedoch zwang
sic sich zu einem Lächeln, reichte der Knieenden die Hand und
sprach; „Sei mir willkommen, Mädchen!" Dann, ein plötzliches
Unwohlsein vorschützcnd, eilte sie hinweg in ihre Gemächer, dic
sie für heute nicht mehr verließ.

Ludwig aber ließ Zoraiden ihre Wohnung amveisen und
begab sich in den großen Empfangsaal, um die Glückwünsche des
Hofes entgegen zu nehmen. Spät erst konnte er dem Zwange
dieses Ceremoniells entfliehen, um sich in seine Zimmer zurück
zu ziehen.

Aufgeregt und mißstimmt über das Benehmen seiner Gattin,
dic ihm gleich am ersten Tage seiner Heimkehr vor dem ganzen
Hofe in rücksichtslosester Weise diese Eifersuchts-Scene bereitet
hatte, stellte er sich an das geöffnete Fenster und schaute in
Gedanken versunken hinaus in die Mondnacht. Die ewigen
Eifersüchteleien der ungeliebten leidenschaftlichen Gattin, die ihn
auf Schritt und Tritt überwachte und in jedem einer andern
Dame gespendeten freundlichen Worte oder Blicke einen Bruch
der ehelichen Treue witterte, hatten ihn im Alter von 30 Jahren
in's kaiserliche Feldlager getrieben, gerade als Kam Mnstapha
mit dem gewaltigen Türkenheere Wien belagerte. Sein uner-
schütterlicher Math, seine glänzende Tapferkeit und sein unüber-
treffliches Feldherrntalent, das er bei der Entsetzung der kaiser-
lichen Hauptstadt und später bei Mohncz bewährte, stellte ihn
bald an die Spitze der Armee und sieg- und ruhmgekrönt kehrte er
heim, nur — um gleich am ersten Tage wieder zu finden, was
er geflohen und ihm alle seitherigen Tage seiner Ehe verbittert
hatte. Was konnte man Tadelnswerthes an seinem Benehmen
finden? Er hatte nur dic erste heiligste Pflicht des Ritters ge-
übt — einer hilflosen Dame Schutz gewährt. Und was be-
rechtigte Sibylle zu der Vermuthung, daß das junge Mädchen
ihm mehr sein könne, als eine Hilfsbedürftige? Liebt er etwa
Zoraidc?

„Bah," suchte er sich selbst zu beruhigen, „ich bin nicht
dazu geboren, weder zu lieben, noch geliebt zu werden; der
rauhe Kriegsmann hat keinen Sinn für solch' weiche Gefühle,
im Schlachtenlärm verstummen alle zärtlichen Regungen!"

Und doch stand das Bild des reizenden Geschöpfes stets j
vor seiner Seele; immer und immer wieder mußte er dieser
großen dunkeln Augen gedenken, die gleich, als er sie das
Erstemal gesehen, einen seltsamen Zauber auf ihn geübt hatten, '
So oft er in ihrer Nähe geweilt, drängte es ihn in dieses
Auge zu schauen und immer überkam es ihn wie ein Gefühl
der Beschämung, wenn ihre Blicke den seinigen begegneten. Wie
wenn er etwas Unrechtes gethan hätte, wandte er sich dann ab

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