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Fliegende Blätter — 55.1871 (Nr. 1355-1380)

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Nr. 1357
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18

Der Uhrmacher von Straßburg.

hervor und reichte es dem gelehrten Wirthe nebst dem Zettel
des Junkers hin. — Dieser bnchstabirte erst für sich den In-
halt zusammen und las dann ziemlich fließend:

„Ich verpflichte mich andurch kraft meiner Unterschrift,
j dem Mathias Heberlin die Summe von fünfzig Dukaten zu

j bezahlen an dem Tage, an welchem er ein mir gegebenes Ver-
sprechen erfüllt hat. Hans von Zettlitz."

Mathias nickte befriedigt mit dem Kopfe. — Der Schurke
! hatte dem Edelmanne nicht unbedingt vertraut, sich vielmehr

! Vorsichtshalber von der Richtigkeit des Inhalts seines Zettels
! überzeugen wollen.

„Fünfzig Dukaten!" sagte der Wirth, den Zettel zurück-
gcbeud, indem seine Gestalt unwillkürlich eine bedeutend ehrer-
bietigere Haltung annahm, „alle Teufel, Herr, ein hübsches

Sümmchen. Wenn Ihr vielleicht einen Helfer braucht, Euer
Versprechen zu halten, — Ihr könnt keinen bessern finden als
mich, versteht sich, wenn Ihr mir einige Eurer Goldfüchse ab-
lassen wolltet!"

„Das könnte geschehen," erwiderte Mathias, „wenn Ihr
in Eurer Knallhütte ein Zimmer habt, das einen Gast beher-
bergen könnte, der einige Wochen lang nicht gesehen sein will!"

Der ehrsame Herbergsvater lächelte verschmitzt. „Und das
dcßhalb nur ein auf den Hof gehendes vergittertes Fenster haben
soll — ist's nicht so?!" —

Mathias blickte überrascht indes Wirthes pfiffiges Gesicht:
„Dieß könnte nicht schaden," meinte er dann.

„Mit gut schließenden Läden," fuhr der Wirth fast flüsternd
fort, „so daß man keinen Hilferuf auf der Straße hören kann — V."

Mathias nickte.

„Gut — ich habe ein solches!"

„Dann wollen wir seinerzeit Weiteres darüber reden —"

„Und über die Dukaten," sprach der würdige Wirth,
j seinen Gast zur Thüre begleitend, indem er ihn vertraulich bei
: der Hand faßte.

„Ja — auch über diese!" —

Die Thüre schloß sich hinter Mathias, der, den Sünden-
lohn in der Tasche, sich eiligst entfernte mit dem festen Vorsätze,
zur rechten Zeit wiederzukehren, um sich zu überzeugen, ob das
von dem Wirthe angebotene Lokal für die Ausführung seines
schmählichen Vorhabens tauglich erscheine und zugleich ein Plün-
j chen mit dem ehrenwerthen Gasthalter zum „deutschen Kaiser"
zu besprechen. —

Einige Tage lvaren verstrichen, seit Isaak Habrecht den
Seinigen die glückliche Vollendung seiner jahrelangen Arbeit an-
gekündet, — seit Mathias sich verpflichtet hatte, die Ehre seiner
Schwester, das Glück seiner ganzen Familie zu vernichten.

Isaak hatte diese Zeit nicht ungenützt vorüber gehen lassen,
j Stolz und selbstbewußt war er vor den Magistrat getreten, hatte
ihm die Pläne seines riesigen Werkes vorgelegl und es der Stadt
zum Kaufe angeboten als Zierde des Münsters, der bisher einer
Uhr entbehrt hatte.

Der Ammeister, sowie die übrigen Glieder des Stadtrathes
schüttelten zwar anfangs bedenklich die Köpfe zu Isaaks Antrag

und Einer meinte bei der deßhalb angeordneten Berathung, eine
Uhr passe gar nicht zu dem im reinsten deutschen Style auf-
geführten Bau; ein Anderer hatte das fromme Bedenken, daß
durch die Ausstellung einer Uhr mit einem krähenden Hahne und
vielen sich bewegenden Figuren im Innern des Gotteshauses ;
leicht die Kirchenbesucher in ihrer Andacht gestört oder veranlaßt j
werden könnten, aufmerksamer auf den Gang des Werkes, als
auf die schönste Predigt des Herrn Präbcndars zu sein. Wieder
Andere endlich zweifelten an der Möglichkeit der richtigen Be-
rechnungen — kurz, die Väter der Stadt waren anfangs nicht
recht geneigt, die Aufstellung im Innern ihres Münsters zu ge-
statten, obschon die Neugierde sie gewaltig plagte und sie gar
gerne das angcküudigte Weltwunder geschaut und den krähenden
Hahn gehört hätten. Einige rückten auch mit dem Vorschläge
heraus, die tlhr in einer andern Kirche aufzustellen, — aber
Isaak weigerte sich bestimmt und erklärte, die Uhr würde ihren
Platz nur im Münster oder aber an keinem Orte Straßburgs
finden. Da überwog endlich die Befürchtung, das Kunstwerk könne
am Ende gar in eine andere Stadt gelangen, die Bedenken des
Magistrats. Man beschloß, dem Isaak Habrecht die Genehmig-
ung zu ertheilen, in dem südlichen Arme des Kreuzschiffes an
der Stelle eines ohnehin zerfallenden Altars seine Uhr aufzu-
stellen; — über den zu zahlenden Preis würde sich der Ma-
gistrat jedoch erst dann mit dem Verfertiger verständigen, wenn
hinlänglich erwiesen wäre, daß das Räderwerk seine Funktionen
in jeder Weise richtig versehe. — Die Aufstellung selbst solle
in vier Wochen beendet sein.

Freudig war Isaak hierauf eingegangen, wußte er doch,
daß seine Berechnungen alle ohne Ausnahme richtig und die
Ausführungen wohl gelungen waren. Stand aber die Uhr nur
erst au ihrem Platze, so war er überzeugt, daß der Magistrat
zur Zahlung jeden Preises erbötig sein würde.

Frisch hatte er sich deßhalb an's Werk gemacht; mit zwei
Gesellen, die ihm die Rüder und Walzen, sowie die sonstigen
Theile der Uhr, in große Kisten verpackt, herbeitrugen, arbeitete
der Meister vom ersten bis zum letzten Sonnenstrahle hinter
dem Bretterverschläge, welcher den ihm zur Aufstellung bezeichn
neten Platz umgab. Niemand — die Großmutter und Gertrud
ausgenommen — hatte Zutritt zu dieser improvisirten Werkstätte;
sogar die Glieder des Groß-Ralhes und selbst der Ammeister
mußten sich begnügen, wie alle Welt durch einige Ritzen in's
Innere zu blicken, um das Treiben des geschäftigen Meisters
und das stete Fortschreiten des sich erhebenden Baues mit seine»
Figuren und Himmelszeichen zu belauschen. Ständig war desst
halb von Jung und Alt der Bretterverschlag umlagert; Eine"
sagte es dem Andern, was er Seltsames und Wunderbares
gesehen habe und als gar einmal behauptet wurde, man sehe
schon den krähenden Gockelhahn — da gab es ein förmlich^
Drängen um die Ritzen der schützenden Wand, bis sich Jeder«
selbst überzeugt hatte, daß der Ricsenhahn wirklich friedlich *"
einer Ecke stehe.

Die Ungeduld und Neugierde der guten Straßburger w»'
auf's Höchste gesteigert und — noch sollte man sich drei Woche"
gedulden, bis das Wunderwerk vollendet, in Gang gebracht u»^
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