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Fliegende Blätter — 6.1847 (Nr. 121-144)

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Sultan.

67

„Heiliger Gott — und alle Heiligen und Seligen fei’n mir
i gnädig und barmherzig," stammelte der. „Seid — seid denn
Ihr frei? Ich Hab' geglaubt, Ihr wäret in — in der Ge-
^ sangenschast —?"

„Das wär' Euch freilich sehr genehm," sprach der Graf
^ mit drohender Stimme — „weil ich Euch oft und mehr von
Frevel und lockeren Streichen zurückgehalten Hab'. Ja Herr
fahrender Meister, ich war wohl im Gesängniß — hingegen
jetzt mit Ehren entlassen! Ihr aber werdet hier nicht mit vielen
Ehren entlassen, das zeigt sich, denn recht wacker liegt Ihr
auf dem Rücken, von einem wilden Thier überragt und zum
rechten Gespött, statt daß Euch das geringste Eueres Vorhabens
gelungen wär'! Gerade recht geschieht Euch und noch weit
mehr verdientet Ihr, als den Schrecken! Denn Ihr habt mir
das Theuerste abgewendet, mir Galle in den Becher der Freuden
gegossen, daß mein ganzes Gemüth sich verfinsterte; daß ich
in Streit gerieth mit meinem allzeit gnädigen Herrn und Herzog
und daß ich dafür sechs Monde im Thurm saß mit meinen
Genossen — wohl verdientet Ihr, sechs Jahre dafür zu fitzen,

: Jetzt habt Jhr's einmal recht erlebt — mehr strafen könnt'
ich Euch nimmer, als der Himmel es gethan. Damit fahrt,

^ wohin Ihr wollt — der gnädigste Herr Herzog mag über Euer
Loos entscheiden! Aber so er Euch etwan entläßt, nehmt
Euch in Acht vor mir, daß ich Euch hier und sonstwo aus
keinem Liebesfrevel mehr ertappe — denn meiner Seel', es
kommt Euch theuer zu stehen — und was immer geschieht —
es ist kein Schade um Euch!"

„Da hat der Graf rechr," sagte Albertus.

„Ganz recht — ganz recht, har er," lallte Herr Talamont,
„aber um des Himmels Willen, gestaltet mir, aufzustehen."

<

„Schweigt," sagte der Herzog, „man rufe die Akra, den
: Anselm, und den ehrwürdigen Pater Canistus!"

„Was soll denn der Pater Canistus?" ries Talamont —

' „geht's mir etwa wirklich an's Leben, daß ich letzte Beicht
machen soll —?!"

Er bekam keine Antwort. Bald traten Afra, Anselm und
der Pater Canistus ein — und waren Alle sichtlich verwun-
den, da sie den Löwen über dem Lothringer sahen. Da winkte
der Herzog der Afra und sprach: „Sprecht Afra! Ist das
der, so Euch gestern verfolgte und ehgestern?"

Die Afra beugte sich ein wenig hinab und sah Herrn
Lalamont in's Gesicht.

„Ja — der ist's schon, hoher Herr," sagte Afra — „aber
dazumal hat er ein hellrothes Sammelmäntelein gehabt — und
heut hat er ein schwarzes um —"

„Wird sich schon mit dem rothen nimmer in s Freie gewagt
haben," versetzte der Herzog, „nicht wahr, Hen Talamont?"

„Errarhen, errathen, gnädiger Herr," gab Jener zurück —
„ich sage jetzt zu Allem ja."

„Jetzt fragt sich nur," fuhr Albertus fort, „ob Ihr mit
der Strafe zufrieden seid, Afra!"

Da sagte die Afra: „Hoher Herr, ich meine, er wär' ge-
straft genug — und der Anselm, glaub' ich, wird auch zufrieden
sein — laßt ihn los in Gnaden, Herr Herzog."

„So steht denn auf Talamont!" sagte Albertus — „und
schaut, wo anders Ihr bessere Prob' ablegt von Euerer großen
Kunst — denn allhier hat sie sich schlecht bewährt. Alle
Euere Geheimnisse find wider Eueren Willen zu Tag ge-
kommen — und was Euch Schlimmes bevorstand, das
habt Ihr nicht errathen und geahnt. Mit der großen Kraft
ist's auch nicht weit her, und mit der Wünschelruthe wird's
auch gute Wege haben."

Nach diesen Worten ging er einige Schritte weg und lockte
dem Löwen mit freundlichem Won.

Der Löwe setzte Tatze um Tatze langsam von Hen» Tala-
monts Brust ab, stieg über ihn hinüber, schritt aus den Herzog
zu und lehnte sich an denselben. Den Kopf hatte er aber noch
immer gegen den Lothringer gerichtet.

Der aber fühlte sich kaum frei, als er aufsprang und aus-
rief: „Gott sei'S gedankt, daß ich das Ungethüm los bin! Ich
habe keine kleine Angst ausgestanden, und wenn jedweder Kuß
so hoch käm', möcht' Einer wohl das Küssen verlernen. Gott
erhalte des Herzogs Haus, die Jungfrau aber mög' mir ver-
geben, ich bin halt einmal ein solch leichtfinniger Geselle —
aber meiner Sache sonst gut mächtig in aller Kunst, so's mir
jetzt auch kein Mensch glaubt, weil ich da eine Niederlage er-
litten und in's Garn gegangen bin — ohne daß ich was
merkte — allwissend find wir nicht!"

„So ist's," sagte Alberms — „und damit könnt Ihr Euerer
j Pfade gehen."

Das ließ fich Herr Talamont nicht zweimal sagen. Er eilte
davon, so schnell er konnte, ward aber weithin verfolgt durchs
ganze Schloß, und mußte so viel Spott erfahren, daß kein
Seckel wär' groß genug gewesen, ihn hineinzuthun, hält' er
ihn tragen müssen.

Zum Anselm aber sprach Albenus: „An der Wunderlhai
j des Löwen bist jetzt du schuld! So lang man von dieser Sache
spricht, spricht man von dir auch."

„Hoher Hen," sagte Anselm — „ich bin nicht dran schuld

— das hat der Löwe rein von ihm selber zu Wegen gebrachr

— mein' Seel', der Löw' ist bald so gescheit — als ich."

„So kommt's mir auch vor," sagte Alberms — „und weil
er so treu, klug und achtsam ist, wie kein Löwe in der Welt,

! so soll er auch ein goldenes Halsband haben — daraus lass'

; ich einen Reim setzen — also daß der Sultan auch seine Ehr
i und Ruhm davonträgt." —

So ging's vor fich in des Herzogs Hofburg. — Als aber
Hen Talamont auf vielen Umwegen beim Hinterpsörtlein seines
Quartiers angelangt war — da fand er viel Volk beisam-
men, darunter eine schöne Zahl rüstiger, flinkn Gesellen, bei
deren Schwestern und Liebsten n sein Glück versucht hatte.
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