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Fliegende Blätter — 6.1847 (Nr. 121-144)

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Nr. 138
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https://doi.org/10.11588/diglit.2128#0142
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138

Der Freischütz.

(Fortsetzung.)

Die jungen Leute schritten jetzt quer über die „Bretter, die
die Well bedeuten" hin, und zwar zu dem, mit einer grünen
Decke verhangenen Garderobenzimmer. Dort ttaten sie ein
und fanden sich hier plötzlich in der wunderlichsten buntesten
Gesellschaft, die fich nur möglicher Weise und mit der wirklich
regsamsten Einbildungskraft, denken ließ.

RingS an den Wänden standen kleine Tischchen, mit ttau-
rig flackernden Talglichtern, die dem ganzen Raum nur eben
genug Helle gaben, um sein düsteres Aussehen recht deutlich
hervorzuheben. Kleine Kasten mit zerbrochenen Stücken Spie-
gelglas, Schminktöpfe, Schminkpapier und Baumwolle, ange-
brannle Korkstöpsel, Flitterband, zervruckre BlumenbouquetS
und farbige Glasperlenschnüre lagen überall umher, und Agathe
und Aennchen waren eben noch beschäftigt, ihren Wangen die
zu Braut und Brautjungfer nöthige Frische zu verleihen.

LSfeld wurde von Allen als Bekannter begrüßt, unv hakte
keine Schwierigkeit, seinen Freund ebenfalls va einzuführen;
gerade jetzt drängte jedoch die Zeit zu sehr, als daß fich Einer
der Beschäftigten hätte mehr als in kurzer Anrede mit ihnen
einlasscn können; fie bekamen deßhalb auch um so ungestörtere
Gelegenheit, fich in dem kleinen Raum vollkommen gut orien-
tiren zu können.

Eine besonders interessante Gruppe bildete hier der Erb-
förster Kuno und Samiel, von denen der Erstere dem Letzten
eben, mittels eines angebrannten Korkstöpsels, die Nase schwarz
färbte, damit diese, wie er auf OsfeldS Frage erklärte, dem
Geficht das Aussehen eines Todtenkopses gäbe.

„Denn sehn Sie," nahm hier Samiel, sie als ein höchst
artiger Teufel begrüßend, das Wort, „wenn de Nase schwarz
is, so sieht man se nich vom Bublikum aus, und dann kriegt
das Geficht was Schreckliches!"

Zn dem Augenblick klingelte 'es, und der Vorhang ging
wieder auf; die beiden Freunde blieben daher, um während
der Aufführung keine Störung zu verursachen, hinter der
Scene, und unterhielte» sich indessen mit Herrn Magnus, der
eben beschäftigt war, ein ziemlich umfangreiches wahrscheinlich
eben gestimmtes Hackebrel wieder in seinen Kasten hineinzu-
legen, da fie ihm, wie er äußerte, während der WolsSschlucht
„hineindämmern" könnte».

Agache sowohl wie Aennchen schienen aber ungemein wenig
von ihren Rollen zu können, und der Direktor glaubte den
Gästen darüber eine Erklärung schuldig zu sein.

„Sehn sie," sagte er, „die neuen Stücke, die geben wir
gewöhnlich hier immer erst einmal am Montag bei Kurfirsch-
lens, und die betrachten wir gewissermaßen als Generalprobe;
kommen wir nachher am Mittwoch ins Weinlaub oder gar
am Sonnabend in die schwarze Gaffe — dann geht- auch
dafür „wie gefchmien."

„Aber sagen Sie einmal Herr Magnus" — frag jetzt der
zu ihnen ttelende Mar — „hier im Buch — o Sie entschul-
digen" — wandte er fich gleich darauf mit einer Verbeugung
an die Fremden, „hier im Buch steht, Mar soll fich den Hut

in's Geficht drücken und zu „verschiedenen Thüren abgehn" —
er darf doch nicht wieder kommen?"

„Au!" sagte Osfeld, den Wehring in diesem Augenblick
rücksichtslos auf den Fuß zetteten hatte.

„Ne, ich bitte Sie um Gottes Willen," rief zu gleicher
Zeit der Direktor — „so sein Sie doch nicht so — Herr
Gott, da draußen sehn fie fich schon nach Ihnen um — sie
kommen ja —"

Und Mar kam wirklich, denn mit flüchtigem Blick hatte
er fich von der Wahrheit des Gesagten überzeugt — sein
Stichwort war gefallen, und wie ein junger Smrmwind, nur
fteilich von der ganz entgegengesetzten Seite, als von welcher
ihn Agathe erwartet hatte, stob er auf die Bühne und spielte
in lobenswerther Leidenschaft die Scene durch.

Da aber nun, wie Herr Magnus jetzt äußerte, die Vor-
bereitungen zur Wolfsschlucht zu viel Raum Wegnahmen, um
blos zwischen dem Hintergrund und der Rückwand abgemacht
zu werden, so mußte nach dieser Scene der Vorhang wiederum
fallen, und der wichtigste Moment des Stücks nahte sich sei-
nem Beginnen.

Kaum war die Leinwand herunter, als Magnus mit einenr
Satz aus die Bühne sprang und eine ungeheure Eule an die
Couliffe schrauben wollte.

„So halten fie doch nur uff!" meinte aber Samiel sehr
ernsthaft — „es muß doch erscht verwandelt werden." —

„Za so!" sagte dtt Direktor, und nahm den Vogel der
Nacht wieder an fich, einige von den Schauspielern dagegen
stiegen schnell auf hinzugerückke Stühle und knüpften die Bind-
fadew am oberen Theil der Couliffen aus, welche diese im
Mittelpunkt sesthielten. „Die Stube" fiel dann auch im näch-
sten Augenblick zu den Füßen der Bäume nieder, wo sie an
der Wurzel der „Riesenstämme" auf einem Häufchen liegen
blieb; die Hinterdecoration glitt auf gleiche Art über sich selbst
zusammen und — „furchtbar gähnte der düstere Abgrund."
Nun wurden ebenfalls die nöthigen Vorrichtungen für das
wilde Heer gettoffen. Die Figuren nämlich, als: Drachen,
Molche, Schlangen, Eulen und Gerippe, alle von Magnus
selbst, in der Größe eines mäßigen Haushahns, aus Pappe
gemalt, kamen an ein dünnes, von der rechten zur linken Hin-
tercouliffe gespanntes Seil, damit dtt Spuck quer über die
Bühne gezogen werden konnte.

Zu den ferneren Schrecknissen der Höllenschlucht gehörte
auch noch ein Haufen Pflastersteine, die, als Entschuldigung
für Tvdtenköpfe, zu dem Zauberkreis verwandt werden sollten,
und neben diesen lag ein Haufe dünn gezupften Werges (Hede)
dessen Nutzen aber ttst später klar werden sollte. Auch die
Eule saß jetzt, fest angeschraubt, auf ihrem Zweig, (oder viel-
mehr auf freier Luft neben der Couliffe) während hinter ihren
äußerst rund ausgeschnittenen Augenhöhlen ein matt und
schläfrig loderndes Dreierlicht brannte. Draußen aber, vor
dtt Bühne, jubelte und tobte die Menge.
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