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Fliegende Blätter — 6.1847 (Nr. 121-144)

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146

Der Freischütz.

dem Bewußtsein innerer Ueberlegenheit — wer konnte es
ergründen; nur würde eS Jeden zur Verzweiflung gebracht
haben, der aus ein richtiges Stichwort, von seiner Seite,
gewartet hätte.

»Wo ist die Bram? ich Hab« soviel zu ihrem Lobe gehört, daß ich auf ihre
Bekaumschaft recht neugierig bin!" flüsterte die Souffleuse nun zum
dritten Mal.

„Wo steckt aber denn nur die Braut!" sagte Fürst Otto-
kar, sich überall umsehend — „ich bin recht neugierig gewor-
den, ihre werthe Bekanntschaft zu machen."

.Ich habe soviel zu ihrem Lobe gehört!" keuchte der Souffleur.

„Soll ein recht gutes Mädchen sein," sagte der Fürst.

»Nach dem Beispiel Euerer erlauchte» Ahnen, war't Ihr immer sehr huld-
reich gegen mich und mein Hau»," rief der Soustleur wieder; Kuno
aber, der wohl fühlte, daß er in diesem Augenblick etwas zu
sagen hatte, obgleich er kein Wort von dem verstand, was
Agathe — die bis dahin ebenfalls ziemlich heiser geworden
war — aus der anderen Seite ablas, faßte sich ein Herz, trat
einen Schritt vor, und begann:

„Dorchlauchigster!"

»Nach dem Beispiel Eurer erlauchten Ahnen war't Zhr immer sehr huld-
reich gegen mich und mein Haus!"

„Dorchlauchigster," wiederholte Kuno — der die letzten
Worte verstanden hatte — „was mich und mein Haus be-
trifft" -er stak fest — keine zehn Pferde Kraft hätte

ihn wieder losgeriffen. Da nahm Caspar das Gespräch aus,
und dankte dem Fürsten für die Huld, die er „seinem Haus
und ihm" stets bewiesen habe.

Mar mußte nun laden, und Agathe flüsterte, über das
Buch hinwegsehend:

,Caspar hat vielleicht noch seine letzte Freikugel — er könnte wohl gar —
noch einmal unv nimmer wieder —“

Alles schwieg.

»Eaöpar hui vielleicht noch seine lehte Freikugel — er könnte wohl zur —
noch einmal und nimmer wieder" — sagte die Souffleuse, dringender
als vorher.

Niemand regte sich — da trat Fürst Ottokar, der doch
wohl nicht so ganz sicher war, ob das vielleicht in seiner eige-
nen Rolle stehe, vor, streckte die rechte Hand aus und sprach:

„Nun so schieß — dieß eene Mal noch, aber nie wieder."

Mar schoß wirklich — die Büchse ging glücklich los, und
Caspar, der sich indessen schnell hinter ein im Hintergrund
vorgehaltenes Slück Wald gestellt hatte, stürzte von seiner
Höhe herunter und wand sich auf der Erde.

Nun aber nahm es die Geschicklichkeit und Aufmerksamkeit
der Schauspieler im höchsten Grade in Anspruch, die folgende
Scene zu spielen, und doch in gleicher Zeit zu nicht mehr als
der gesetzlichen Zahl, zu vieren, zusammen auf dem Theater
zu stehn. Agathe übergab also schnell dem Aennchen ihr
Soufflirbuch, rief: „schieß nicht Mar — ich bin die Taube"
und fiel in Ohnmacht, Kuno aber und der Fürst traten in die
Coulisse, und während Mar neben Agathen kniete, erschien Sa-
miel hinter seinem Opfer. Unsichtbarer Weise ries dabei Kuno:

.Schaut, o schaut,

Er traf die Braut,

Der Jäger stürzte vom Baum,

Wir Wagens kaum
Nur hiuzufchau'u,

O furchtbares Schicksal, o Grau»!"

Caspar wand sich indeß in fürchterlichen Zuckungen auf
der Erde und stieß seine gotteslästerlichen Reden aus, während
Samiel einige, mit diesen harmonirenve Bewegungen machte,
als ob er im Begriff sei. jenem die Seele, wie einen Band-
wurm, aus dem Leibe zu ziehen.

„Dem Himmel Fluch — Fluch Dir!" schrie der zum Tode
verwundete Jäger.

»Das war sein Gebet im Sterben," flüsterte der Souffleur.

Keiner achtete darauf — Mar beschäftigte sich mit Agathen
— die Uebrigen waren nicht da — so erbarmte sich denn
Samiel — that einen letzten Ruck — als ob ihm die Seele
abgerissen wäre und sprach mit dumpfer Stimme:

„Das war sein Gebet im Sterben!" — dann erfaßte er den
Körper des Caspar, schleppte ihn der Coulisse zu und wollte ihn
eben Hineinschleudern; der war ihm aber entweder zu schwer ge-
worden, öderer hatte vielleicht aus Versehen auf den Jagdrock
getreten, kurz er kam inS Stolpern, ließ jenen, noch halb auf
dem Theater fallen, und schoß, über sein Opfer hinweg, in die
Coulisse, und — wahrscheinlich in den Abgrund der Hölle
hinein; wobei er sich aber das Uebriggebliebene augenblicklich
Nachkommen ließ.

Nach Abgang dieser Beiden trat auch der Fürst mit Aenn-
chen wieder heraus — Agatha erholte sich unv Mar gestand
nun sein Verbrechen. Hierauf folgte die Ausweisung, und in
diesem Augenblick, während Aennchen wieder in die Coulisse
schwand, erschien der „Eramit."

Sein Auftreten war feierlich — der Fürst, Mar und Agathe
knieten vor ihm nieder — segnend breitete er seine Hände über
sie aus — tiefes Schweigen herrschte im Saal — die vorn
gelagerte Jugend lauschte in der gespanntesten Erwartung. Da
drohte plötzlich eine, aus dem Nebenzimmer kommende, höchst
profane Stimme den ganzen schönen Zauber zu zerstören.

„Glöckner!" rief es.

„Ja!" antwortete ein tieferBaß aus der Mitte des Publicums.

„Spielst'en Schaafskopp mit?"

„Ne — jetzt noch niche — aber gleich" — entgegnete
Glöckner. Doch Niemand lachte. „Ruhe!" ries der kleine
dicke Fischer, und sah sich ärgerlich um, und „Ruhe!" „Pst!
pst!" tönte es von allen Seilen. Die Ruhe war augenblicklich
wieder hergestellt — und der Fürst wurde nun versöhnt —
Mar bekam ein Jahr Urlaub, und jetzt plötzlich fuhr eine
lange Hand links aus der Coulisse heraus und schüttele etwas
aus die Erde — in der nächsten Secunde folgte dem Vorange-
gangenen ein brennendes Schwefelholz, und mit den Schlußworten

— „darf kindlich der Milde des Vaters vertraun!"
stieg eine bläulich-rothe, bengalische Flamme auf, die daS
ganze Theater in ihren magisch rosigen Schein hüllte.

„A — h —" tönte es aus jedem Munde — der Eramit
hob, wie betend, seine Hände empor, und — der Vorhang
fiel schnell.
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