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66

Der letzte I

sogar steif und fest, der sogenannte Ladentisch, der sonst zwischen
Käufer und Verkäuferin eine undurchdringliche Schranke bildete,
habe sich manchmal geöffnet, um, wie weiland die mitleidige
Wand bei Pyramus und Thisbc, eine größere Annäherung zu
gestatten.

Andere Mädchen, die gleichfalls von der Liebe des Inner-
Hofer Sepp völlig überzeugt waren, gab's noch manche, so
z. B. die kleine Regina vom Bäckermeister, die lange Kathi
vom Schneider Jörg, welche schon in der Stadt gewesen war
und darum den ersten Platz an Sepp's Herzen haben mußte.
Sepp aber war ein loser Schelm und lachte sich heimlich über
die leichtgläubigen Dinger halb zu Tode.

Nur ein Mädchen gab's im ganzen Dorfe, das sich all'
dieser Auszeichnungen nicht rühmen konnte. Es war dies die
braune Moidel (Marie), deren Vater die Dorfpost verwaltete.
War sic denn häßlicher, als die Anderen? Im Gegcntheil —
junge Kenner hielten sic sogar für's liebste, schönste Mädchen
weit und breit. Oder hatte Sepp, der sich mit Briefschreiben
wenig Plagte, keine Gelegenheit, sie zu sprechen? Auch das
nicht. Sepp kam nicht wenig zum alten Postmeister — waren
die Väter ja Schulkameraden gewesen und immer noch vertraute
Freunde. Und doch, während Sepp mit allen Mädchen auf's
Vertraulichste zu kosen und zu plauschen wußte — hier schien
er rein nur des Alten wegen gekommen zu sein. Mit Moidel
sprach er nur wenig, und das so abgebrochen und über so
glcichgiltige Dinge, daß er besser ganz still gewesen wäre.

Und die braune Moidel, die hätt's sicher nicht gar so
übel genommen, wenn er mehr mit ihr geredet hätte. Oder
es war ihr auch lieb, daß er wenig sprach; denn was hätte
sie, um Gottes Willen, mit dem stolzen Sepp plaudern sollen?
Es war ihr immer schon sonderbar zu Muthe, wenn er nur
die Stiege heraus kam. Gewiß, sie konnte ihn nicht leiden,
nein, gar nicht. Und jetzt sollte sie sich noch mit ihm unter-
halten — nein, sie hatte nicht Zeit, sie mußte ja in den Keller
oder auf den Estrich. In einem solchen Haus gidt's eben "sehr
viel zu thun. Er, der Sepp, konnte ja mit dem Vater ein
Spiel machen und — wieder gehen.

Und, wenn er ging, so schaute er oftmals zurück, —
das hatte sie bemerkt, zufällig natürlich; denn daß sie ihm, dem.
stolzen Sepp, nachgeschaut hätte, — das verhüte Gott! — —

Da dampfte einmal der alte Jnnerhofer gewaltig aus seiner
hölzernen Pfeife. Wenn er etwas auf dem Herzen hatte, dann
dampfte er immer so, daß man vor lauter Rauch fast nichts
sehen konnte. Was dann hinter einer solchen Rauchwolke hervor-
kam, mußte dem Sohn als Wort Gottes gelten. Da gab's
keine Widerrede. Der Alte aber saß auf der Bank vor dem
Hause, Sepp neben ihm.

„Daß Du's weißt, Sepp," sagte der Vater, „die Narr-
heiten haben ' jetzt ein für alle Mal aufgehört! Du glaubst
vielleicht, wir Alten haben keine Augen und keine Ohren
mehr, und die jungen Leute könnten d'rum thun, was sie wollen?
Nur keine Widerrede! Ich weiß, wie Vielen Du nachläufst,
und daß Jede sich einbildet, bald Jnnerhoferin zu werden. Mit
Deinem dummen G'schwatz und Gethu machst Du am Ende

Jugendstreich.

noch das ganze Thal verrückt. Es braucht so nicht viel bei
den jungen Weiberleuten. Und — daß ich's Dir gleich sage,
es ist jetzt an der Zeit, daß Du Dich um ein Weib umschaust.
Ich werde alt, und mit den Dienstboten ist Halter nicht viel
ausgcrichtet. Ein tüchtiges Weib aber ist der größte Segen
Gottes für einen ordentlichen Bauernhof. Nimm meinetwegen
welche Du willst; aber brav muß sie sein und das Hauswesen
verstehen. Gesucht hast schon lange genug. Schau' also, daß
Du mit Dir und der, die Du willst, einig wirst! So —
jetzt weißt's!" Sprach's, stand auf und ging mit langen
Schritten davon, auf die Felder hinaus, wegen der Gerste und
dein Waizen und den Erdäpfeln.

Der Sepp aber blieb ruhig sitzen. Erst schaute er dein
Alten nach, bis er nicht mehr zu sehen war; dann trommelte
er mit den Fingern der linken Hand auf den stämmigen, mit
einer kurzen Lederhose kaum bedeckten Kniecn, während die Rechte
den nachdenkenden Kopf stützte. „Heirathen? — Ich? — Bald?

— Nun — der Vater hat am Ende so Unrecht nicht, und —
wenn sie mich haben wollte, dann mag's meinetwegen gleich
morgen zur Hochzeitsmess' z'samm'läuten! Sepp, jetzt mußt halt
's Herz in beid' Händ' nehmen und mußt sie fragen, ob sie
dich will! Aber (er kratzte sich mit der Rechten in den
krausen, schwarzen Haaren) was soll ich gleich mit all' den
Andern machen?" Er trommelte eine Weile noch heftiger dann
hörte er plötzlich auf. Wie ein Blitz schoß es aus den schwarzen
Augen, und mit einem schnell hervorgestoßenen, spöttischen Lachen
schnalzte er dreimal mit der rechten Hand.

„Sapperlott," lachte er weiter, „die sollen selbst schauen,
wie sie den Sepp unter sich theilcn! Eigentlich geschieht ihnen
schon recht — haben die meisten doch des Jnnerhofer Sepp's
Geld ebenso gern, wenn nicht lieber, als den Sepp selbst!"
So stand er auf und schlenderte, ein lustig G'stanzerl
summend, der Krone zu. Mit der rothen Liese that er aber
heute besonders freundlich. Zuletzt fragte er sie heimlich, ob's
ihr nicht möglich wäre, am Sonntag nach der Vesper aus ein
halbes Stündchen in's Kreuzwäldchen zu kommen, gerade dort-
hin, wo die große Tanne stehe. Er habe etwas sehr Wichtiges
mit ihr zu reden. „Aha!" dachte sich Liese, „jetzt kommt's
endlich!" und sagte zu.

Sepp schied und, traf, gleich darauf die Grethe vom Distel-
bauern und Inb sic auf den Sonntag nach der Vesper ebenfalls
zur großen, Tanne ein. Nur möge sie keinem- Menschen ein
Wort sagen, denn es handle sich um etwas sehr Wichtiges. —
Dann kaufte er bei der blonden Krämer-Rest einige Cigarren.
Rest hatte nichts einzuwenden und versprach, sich pünktlich bei
der großen Tanne einzufinden. Welche Freude hatten erst die
kleine Regina und die lange Kathi, die am Sonntag ebenfalls
zur großen Tanne kommen durften, um etwas sehr Wichtiges

— sie wußten schon was — zu hören! — — —

Es war wirklich nicht zuin Aushalten, wie langsam Pfarrer
und Lehrer am Sonntag vesperten, gerade, als ob Beide ein-
schlafen wollten — und Sepp hatte etwas so Wichtiges zu sagen.
Als der Pfarrer endlich im weißen, gestickten Hemde durch die
Kirche hcrabging und rechts und links das geweihte Wasser
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