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Der letzte Jugendstreich.

austhcilte, da machte manch' Mädchen das Kreuz viel schneller
als gewöhnlich — Sepp hatte ja etwas so Wichtiges zu sagen.
Die große Tanne aber stand, ungefähr eine Viertelstunde vom
Dorf entfernt, mitten aus einem freien Platze. Rings um den
Platz war kleines Gesträuch, durch das kleine Fußwege in ver-
schiedener Richtung zur großen Tanne führten; denn au Werk-
tagen hielten hier die Hirten und wohl auch die Feldarbeiter
ihr bescheidenes Mahl, und die Kühe lagerten auch nicht un-
gern um die große Tanne herum. An Sonntagen aber war
der Ort völlig verlassen. Die Kühe blieben am Nachmittag zu
Haus, und die Hirten auch, und die Müder saßen in der Krone
und spielten Karten, und die Wcibcrlcut' kletterten den Kalvarien-
berg hinan, wo die vierzehn heiligen Stationen angebracht waren.

Heute aber hatte sich die Zahl der andächtigen Wallerinnen
nicht wenig vermindert — Sepp hatte etwas sehr Wichtiges zu
sagen — draußen bei der großen Tanne. — —

Wie die Kronenwirths Liese eben durch's niederige Strauch-
werk der Tanne zuschritt, erblickte sic zu ihrem größten Erstaunen
die Grcthe vom Distelbauern. Grcthe aber staunte nicht weniger
über die Liese. Was die nur da zu suchen hatte? Da hieß es
vorsichtig sein. Sepp hatte Stillschweigen geboten — und wenn
das auch nicht wäre — der rothen Liese hätte sie erst recht
nichts gesagt; denn die, ja, die meinte auch immer, den Sepp

nur so hernehmen zu dürfen. Und so erzählte denn die Grethe
der Liese, daß sie hieher gekommen sei, um Erdbeeren zu suchen,
und die Liese der Grcthe, daß sie Kopfweh habe von wegen
dem langen Ausbleiben, und daß sie darum frische Luft schöpfen

müsse. Jede aber dachte bei sich: „Wenn nur der Sepp käme!"
Der Sepp ließ sich zwar nicht sehen; dafür aber erschien links
die Tabak-Rest und rechts die lange Kathi, und bald darauf
die Regina und noch einige andere. Was war das? — Jede
hatte geglaubt, allein zu sein, und jetzt — —

Wenn nur der Sepp käme! Doch — der Krug geht so
lange zum Brunnen, bis er bricht, und ein Weib ist so lange
stille, bis es spricht. Rest konnte nicht länger anhalten — nicht
aus natürlicher Geschwätzigkeit, sondern, weil sic sich im Laden,
wo immer viele Kunden standen, das Reden angcwöhnt hatte.
Zudem — was brauchte sie's zu verheimlichen, daß der Sepp
sie gern habe, und daß er selbst zu ihr herkonnncn werde, um
ihr etwas Wichtiges zu sagen! War das etwa eine Schande?
„Daß ich's g'rad heraussagc," begann sic, „ich warte hier auf
den Jnnerhoser Sepp." — „Ich auch!" „Ich auch!" schrien
die überraschten Mädchen.

„Was, Ihr auch? Hat er nicht mich allein zur großen
Tanne eingeladen?" — „Auch mich!" — „Auch mich!" —
„Auch mich!" — „Aber nicht nach der Vesper?" — „Freilich,
nach der Vesper." — „Mir aber hat er versprochen, etwas
sehr Wichtiges zu sagen." — „Uns auch! Uns auch!" —
„Und ich solle cs nur recht heimlich halten, weil's mich allein
angehe!" — „Alles das sagte er auch zu uns!"

Es führt zu nichts, die Folgen dieser schrecklichen Entdeckung,
das Weinen, den Zorn, die Wuth, das Gekreische u. s. w.
näher zu beschreiben. — Wenn ein Unwetter auch noch so sehr
tobt — einmal hört's doch auf. So blieb auch den armen
Betrogenen, denen Sepp etwas so Wichtiges zu sagen hatte, am
Ende nichts übrig, als wieder dahin zu gehen, woher sie ge-
kommen waren.

Gut war's aber, daß sich Sepp diese und die folgenden
Tage nicht sehen ließ — sie hätten ihm wahrhaftig die Augen
ausgekratzt.

Der aber hatte jetzt viel wichtigere Dinge zu thun.

Die Moidel hatte nicht viel einzuwenden gehabt, als er
sie bat, sie möge in den Jnncrhof ziehen und denselben be-
sorgen helfen. Sie meinte am Ende sogar, sie hätte den Sepp
schon längst von Herzen gern gehabt, und Sepp behauptete
dasselbe.

Als aber der alte Jnnerhoser erfuhr (ich weiß nicht von
wem), was sein Bub noch vor der Brautwerbung angestellt
habe, da dampfte er zuerst, wie wild, aus der hölzernen Pfeife,
und dann sagte er: „Ra — Sepp — 's ist zwar nicht schön,
— aber, weil Du mir die Moidel bringst, verzeihe ich's! So
was thust mir aber nimmer!"

Es war auch der letzte Streich. — Der Sepp und die
Moidel haben z'samm g'heirathet, und die Liese und die Gretel
und die Andern haben auch Andere bekommen oder sind sitzen
geblieben, je nachdem. Wenn aber ein Mädchen in jenem
Dorfe einen Burschen, den sie schon gefischt zu haben vermeint,
wieder verliert, so sagt man heute noch: „Die ist auch zur
großen Tanne gegangen!" Die Geschichte aber hat mir der
Enkel vom Sepp erzählt, der jetzt in 'Spruck (Innsbruck) studirt.

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der letzte Jugendstreich"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 71.1879, Nr. 1779, S. 67
 
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