Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
26

Dic Lebensrettnngs-Medaille.

war dieselbe nur am weißen Bande zu tragen — was bekanntlich
wenig Effekt macht — aber die Möglichkeit, diese Auszeichnung
zu erlangen. Jedwedem an die Hand gegeben. Ich meine die
Lebensrettnngs-Medaille.

„Freilich", sprach ich zu mir selbst, „hat es seine Schwierig-
keiten, die Medaille zu verdienen, denn nur bei eigener, bei
der Rettung bestandenen Lebensgefahr wird dieselbe verliehen,
aber immerhin — es ist doch eine neue Hoffnung!"

Ich beschloß also, „Lebensretter" zu werden, um das
Knopfloch baldigst mit dem weißen Bande zieren zu können.

Jndeß war mein Entschluß leichter gefaßt, denn ausgeführt.
Das „Objekt", welches ich zu meinem löblichen Vorhaben
brauchte, wollte durchaus nicht auf der Bildflüche erscheinen. Es
passirt zwar viel Unglück in der Welt, wo Hülfe nöthig wäre,
und Mancher ließe sich gern noch im letzten Augenblicke retten,
aber war ich allwissend? Ich konnte doch nicht als „Lebensretter"
reisen, um Beschäftigung in meinem Fache zu suchen!

Neue Schwierigkeiten zeigten sich, wenn ich die Details
in meinem jetzigen „Berufe" überdachte. Jemanden, der sich
erhängt, im letzten Augenblicke abzuschneiden, da ist keine Gefahr
dabei und demnach der Zweck verfehlt. Bei Bränden besorgt
die Feuerwehr das Geschäft des Reitens und läßt überhaupt
Niemand nahe hinzu. Bliebe also das Wasser als Schauplatz
meiner Thütigkeit. Und das war gerade mein wunder Fleck.
Denn ich schwamm wie ein Stein, und obwohl am Ende anzu-
nehmeu war, daß mich bei meiner Wohlbeleibtheit das Wasser
tragen würde — da Fett bekanntlich stets oben schwimmt —
so hatte ich doch eine heilige Scheu vor dem balkenlosen Elemente
und badete daher stets in der Wanne, um immer festen Boden
unter den Füßen zu haben.

Selbst wenn ich das Wagniß des „Wasserrettungswerkes"
unter den genannten Schwierigkeiten hätte unternehmen wollen,
blieb es immer eine mißliche Sache damit. Denn ich Hütte
müssen am Flußufer an einer markanten Stelle Schildwache stehen
und aufpassen, ob es einem Lebensmüden cinfiele, den Fischen
einen Besuch abzustatten. Ich lernte eiusehen, daß dic so einfache
„Silberne am weißen Bande" viel, viel schwerer zu erringen sein
würde, als ein „Piepmatz" zweiter, dritter oder vierter Klasse.

Die Vorsicht gebot, gegen Jedermann über mein Projekt
zu schweigen, und als ich doch einmal eine Ausnahme machte, ist
mir das sehr übel bekommen.

Eines Abends, oder vielmehr Nachts, begleitete mich ein
langjähriger Freund bis vor die Thür meines Hauses. Wir
sprachen über allerhand, und wie von ungefähr entschlüpfte mir
das Bekenntniß meiner Pläne. Bei dieser Gelegenheit entdeckte
ich — was mir bis dahin entgangen war — daß mein Freund
im gleichen Spitale krank lag. Nur war sein Trachten nicht
auf die Lebensrettnngs-Medaille, sondern auf einen wirklichen
Orden gerichtet. Lieber Gott! ich hätte auch einen solchen
genommen, wenn er mir nur erreichbar gewesen wäre! Mein
Freund nannte mein Vorhaben thöricht und unausführbar. Ich
dagegen vertheidigte mit Feuer meine Idee. Wir waren bei
unserem Streit ziemlich laut geworden. Ein Geräusch, von der

Thür des Nachbarhauses herkommend, belehrte uns, daß wir
jedenfalls einen unerwünschten Zuhörer gehabt hatten. Eine
Gestalt richtete sich dort im Dunkeln in die Höhe, die möglicher-
weise ans den Vorstufen gesessen und geschlafen, durch unseren
lauten Discours erweckt worden war. In Folge dieser Wahr-
nehmung dämpften wir den Ton unserer Rede zum pianissimo.

Da wir indeß nach einiger Zeit bemerkten, daß der Nüchtling
sich wieder auf die Stufen setzte und, den Kopf vornüber fallen
lassend, zeigte, daß er sanft entschlafen, hielten wir fernere Vor-
sicht für überflüssig und unser Gespräch war oreoLeudo bald

wieder in das vorige Forte übergegangen. Der Gegenstand
interessirte uns Beide zu lebhaft, als daß er hätte können int
schmelzenden Adagio abgehandelt werden. Wir trennten uns
endlich, ohne in unseren Ansichten conform geworden zu sein.

Am andern Vormittage wünschte mich Jemand zu sprechen,
von dem ich es am allerwenigsten erwartet hätte. Es war ein
Bewohner des Hinterhauses, ein Handarbeiter, Namens Beutel.
Nur aus Mitleid gegen seine zahlreiche Familie behielt ich den
Menschen im Hanse, denn er war ein arger Säufer, der seinen
ganzen Verdienst verkllmmelte und die Seinen darben ließ.
Daß an Zahlung eines Miethzinses unter diesen Umstünden
nicht zu denken war, versteht sich von selbst.

Verwundert fragte ich den mit tölpisch-devotem Gruße ein-
tretenden Schnapsbruder — er war ausnahmsweise noch nüchtern
— was er von mir wolle.

„Wollen Sie die rückständige Miethe bezahlen?" sprach
ich ziemlich unfreundlich.

Beutel machte eine abwehrende Handbewegung, als habe
ihm Jemand etwas Unehrenhaftes zugemuthet, und sagte. Pfiffig
lächelnd:

„Sie wünschen sich dic Lebensrettnngs-Medaille, Herr
Griesbach? Ich will sie Ihnen verschaffen!"

Mich überrieselte kalter Schrecken. Also dieser Mensch war
der Treppensitzer von voriger Nacht gewesen und hatte unser
Ordensgespräch mitangehört!

(Fortsetzung folgt.)
Image description

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Lebensrettungs-Medaille"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 86.1887, Nr. 2165, S. 26

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen