Fliegende Blätter (86.1887 (Nr. 2162-2187))

182

Unverbesserlich.

Studiosus theolog. (nachdem er seinem Freunde eine
längere Rede über dessen Unmäßigkeit gehalten): „Und nun, mein
lieber Freund, gesetzt den Fall, eines Morgens früh' kehrten Sie
wieder, durch Unmaß bekneipt, nach Ihrer Wohnung zurück; der
Teufel aber würde Ihnen, um Sie zu strafen, in persona
entgegentreten. Bedenken Sie, was würden Sie da thun?"

Studiosus snr.: „Teufel? Mitternacht?! Keinen Zweifel

— anpumpen!"

Die Geduldprobe.

(Aus dem Arabischen.)

Im Schweiße seines Angesichtes wanderte der arme Alte dahin
auf der schadhaften und staubigen Straße gegen sein Donar. Sidi

Die Geduldprobe.

ben Abdallah war sein Name, und seine verschossenen Kleider, der
einst blendend weiße und nun schmntzig-graue durchlöcherte Burnus,
zeugten von seiner Armuth. Langsam und theilnahmslos zog er
seines Weges nach Art des echten Mohamedaners, mit einem Stocke
auf dem Rücken, von dessen Ende das Viertel eines feisten Widders
baumelte,

Ein armer Wanderer, der vorüber zog, sprach ihn an:

„Allah streue seinen Segen auf Dein Haupt!"

„lind verleihe Dir den Frieden!" erwiderte der Alte.

„Du trägst da ein schönes Stück Fleisch!"

„Gott wollte es so!"

„Und was hast Du dafür bezahlt?"

„Zwanzig Karub!"

„Das ist gerade nicht theuer. Allah beschütze Dich!" Damit
entfernte sich der Wanderer.

Auch Sidi ben Abdallah setzte seinen Weg fort.

Bald darauf zog ein junger Kaufmann vorüber. Am Wege
stand ein Brunnen. Bei demselben hielt er sein Kameel an, um es zu
tränken. Der Jüngling stieg ab, und den Zügel seines Reitthieres
über den Arm geschlungen, rief er Sidi ben Abdallah an: „Beim
Barte des Propheten, Du trägst da ein schönes Stück Fleisch!"

„Gott wollte es so!" erwiderte der Alte.

„Und hast Du es theuer bezahlt?"

„Mit zwanzig Karub!"

„Da hast Du ein gutes Geschäft gemacht!"

„Gott ist barmherzig mit den Armen!"

„So segne er auch Dein Haus!" Damit schwang sich der
Jüngling aus das Kameel.

„Du hast mein Herz!" erwiderte Abdallah und Beide zogen
ihres Weges.

Je mehr man sich der Stadt näherte, desto größer wurde auch
die Frequenz auf der Straße und beinahe Alle hielten Sidi ben
Abdallah an und fragten ihn, was er für sein Viertel Widder be-
zahlt habe. Lange Zeit bewahrte der gute Alte seine gewohnte
Freundlichkeit und erwiderte in derselben liebenswürdigen Weise:
„Zwanzig Karub!"

„Die Geduld ist der Schlüssel jeden Erfolges", sagt ein Sprüch-
wort, und Sidi wäre entschieden ohne Ungemach zu seinem Dombis
gelangt, wenn er bis zum Ende seines Weges diese weise Lehre be-
folgt hätte. Aber Allah wollte es anders.

Bei jedem Schritte traf er neue Wanderer, welche ihn fragten:
„Wie viel hast Du für dies Stück Fleisch bezahlt?" Und er er-
widerte darauf: „Zwanzig Karub!" Jedesmal aber entfernte er sich
mit größerer Lebhaftigkeit — die fortwährend gleichen Fragen machten
ihn ungeduldig; es begann in seinem Innern zu gähren, er be-
schleunigte seine Schritte, aber umsonst — nach wenigen Minuten
schlug dieselbe langweilige Frage an sein Ohr.

Sidi ben Abdallah war ein guter Muselmann, aber schließlich
doch ein Mensch und als solcher den: Jrrthum unterworfen; es war
daher begreiflich, daß seine gewohnte Sanftmuth endlich in wahre
Wuth umschlug, als nun zum dreißigsten Male ein friedlicher Kauf-
mann ihn anhielt und ihn fragte, was er für das Viertel Fleisch
gezahlt habe.

Zornentbrannt packte er den Unglücklichen beim Halse, warf ihu
zn Boden und schlug ihn, indem er bei jedem Streiche rief: „Bei
Allah, da hast Du den Preis meines Fleisches. Zähle, zähle!"

Er schlug ihn dabei so heftig, daß bald der Stock in Stücke
ging. Nur mit Mühe gelang es endlich dem Kaufmann, in be-
dauernswerthem Zustande zu entfliehen. Im gleichen Augenblicke