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Die Bescherung im Waschkorb.

Sic wohl, Herr Professor und suchen Sic sich im nächsten Jahr
eine andere Haushälterin, die nicht so thöricht ist, an Weih-
nachten auch eine Kleinigkeit für sich zu wünschen!"

Die letzten Worte waren mit mächtig erhobener Stimme
gesprochen worden — cs war, als ob sic den Kulminationspunkt
aller vorhergehenden bilden sollten; dann aber, als wäre mit
diesem Sieg auch die Kraft der Siegerin erschöpft, gleich jener
des Helden, welcher, die erkämpfte Fahne in der Faust, ans der
Wahlstatt verblutete, preßte sie die rechte Hand aufstöhnend an
die wogende Brust und schritt mit tiefgescnktem Haupt zur Thür
hinaus, dieselbe jedoch noch mit einem letzten Kraftaufwand
effcctvoll hinter sich znschlagend.

Da stand er nun, der arme Professor und starrte in's
Leere — auf die Stelle, wo soeben noch die strafende Göttin
gestanden, welche ihn allein gelassen hatte, allein gelassen im
niederschmetternden Bewußtsein seiner Schuld und Niedertracht.
Wie ein Schleier sank es plötzlich von seinen erschreckten Augen,
und mit geballter Hand schlug er sich vor die Stirne: „Dumm-
tops, der du bist!" Daß ihm auch seine unleidliche Vergeßlich-
keit wieder einmal einen solchen Streich spielen mußte, den
schlimmsten Streich der guten Loosen gegenüber, deren zartes
Gemüth eine wahrhaft ideale Empfänglichkeit für Aufmerksamkeiten
in Form von Geschenken besaß! Und nun hatte er sie so tief,
so tödtlich gekränkt — dadurch, daß er faktisch mit keinem
einzigen Gedanken ans eine Ueberraschnng für den heutigen
Abend gesonnen hatte; die Wunde, ivelche er ihrem Herzen
: heute geschlagen hatte, war nicht mehr zu heilen, das stand fest!
Wie hatten doch ihre letzten, schrecklichen Worte gelautet?
„Suchen Sie sich eine andere Haushälterin!" Eine andere

Haushälterin! Die Loosen dachte im Ernst daran, ihn zu
verlassen — ihn, welcher im Lauf der letzten zehn Jahre in
ein Abhängigkeitsverhältniß zu der Beherrscherin seines Haus-
halts gerathen war, welches sich nur mit dem eines Kindes zur
Mutter vergleichen läßt! Was war- er, der armselige Professor
Maier ohne seine Loosen? Ein Nichts, ein haltloses Atom im
Getriebe des Lebens, ein Schiff ohne Steuer, eine Rose ohne
Dust! Förmlich poetisch wurde er noch in seinen Vergleichen,
so hatte ihn die furchtbare Drohung erschüttert! Wie aber nun
! der Erfüllung derselben Vorbeugen? Die erzürnte Gewaltige
wieder versöhnen? Ihren Sinn wieder zum Guten kehren, be-
vor ihr grausamer Entschluß zur Reise kam?

In erbarmungswürdigster Rathlosigkeit starrte der arme Pro-
fessor vor sich hin, während die widcrstrebendsten Gedanken sein
Hirn durchfuhren. Sich heimlich noch fortschleichen, ohne daß sic
cs gewahrte und in größter Eile noch rasch eine Bescherung zu-
sammenkaufcn, das wäre am Ende das Beste gewesen — aber
wie ohne Hausschlüssel, der in ihrer Verwahrung stand, wieder
nach Hanse gelangen? Und dann, ein Blick ans die Uhr be-
lehrte ihn, die Läden mußten nun wohl alle schon geschlossen
sein also das ging nicht! Was nun? Mit Geld konnte
die Gute nicht abgespeist werden, das hätte die empfindsame
Seele der Jungfrau tödtlich verletzt! Und verletzen wollte er
sic nicht, bei Gott nein — im Gegentheil! Er fühlte erst
jetzt im Momente, da ihn ihr Verlust bedrohte, wie nahe sie

ihm stand, >vic sie sich allmählich durch ihre treuen Dienste in
sein Herz hineingesorgt, -gearbeitet, -gekocht hatte! Und daß er
selbst längst als Herrscher in ihrem jungfräulichen Herzen thronte,
dies hatten ihm oft zarte Andeutungen der verschiedensten Art,
laute und leise Anspielungen, denen er in männlicher Selbst-
beherrschung stets sein Ohr verschloß, errathcn lassen — wie
glücklich hätte er die Gute schon längst machen können, wie
über alle Maßen glücklich! — Ha! ein Gedanke! — —

„Loosen, einen Waschkorb und den sechsarmigcn Leuchter!"
befahl der Professor in gebietendem Ton, indem er den grauen
Kopf unternehmend zur Thür hinansstreckte. In maßloser Uebcr-
raschnng starrte die Haushälterin ihn an. Woher hatte der
Mann plötzlich solch einen iiberraschenden Muth erhalten, der
fast an Uebermuth grenzte! Vernichtet, zerschmettert hatte sie
ihn geglaubt — nun wagte er es, mit förmlicher Siegermiene
zu erscheinen und ihr, der Tiefgckränkten, Befehle zu ertheilen!
Mit der Miene einer beleidigten Königin kam sic denselben
langsam nach; sie dachte nicht anders, als ihr armer Herr sei
am Ende gar durch den Schrecken, den sie ihm bereitet, etwas
verrückt geworden — was wollte er in seiner Stube drinnen
mit dem Waschkorb und dem sechsarmigcn Leuchter anfangen?

Aber ihr Erstaunen steigerte sich noch mehr, als ihr der
Professor die dargereichten Gegenstände mit einem vielsagenden
Lächeln abnahm und dann, die beiden mageren Händchen fröh-
lich an einander reibend, sprach: „ Sic haben mir vorhin bitter
unrecht gethan, gute Loosen; an einem schönen Weihnachts-
geschenk heute Abend soll es Ihnen nicht fehlen und ich werde
cs Ihnen in diesem Waschkorb hier bescheren. In wenigen
Minuten wird die Bescherung fertig sein; gehen Sic noch so
lang hinüber in Ihre Stube und wenn ich dann klingeln werde,
dann können Sic hereinkommen, Ihr Geschenk in Empfang zu
nehmen — es wird Sie hoffentlich freuen!"

Damit schob der kleine Professor die imposante Gestalt der
Jungfrau mit sanftem Druck zur Thür hinaus und schloß die-
selbe rasch zu. Sie aber stand draußen und mußte sich, von
dem Uebermaß der Empfindungen bewegt, an den Thürpfosten
lehnen; — Scham, daß sie ihren guten §emt so verkannt hatte,
der ihr nun sogar einen ganzen Waschkorb voll Geschenke zu-
gedacht, Neugier, was dieselben lvohl alles sein möchten, be-
stürmten ihren Kopf — hatte er am Ende gar ein schwarzscidenes
Kleid, das sie sich schon so lange gewünscht, oder einen Staats-
hut für sic gekauft? Oder, fast schrie sie auf vor Freuden,
vielleicht eine Uhr? eine recht schöne, goldene Uhr mit langer
Kette? Das wäre nobel! Doch nein, wozu brauchte er dann
einen ganzen Waschkorb?

Es war ein Glück, daß in diesem Augenblick das Glöckchen
von drinnen lockend erklang, sonst wären die Vermuthungen der
erwartungsvollen Dame sicherlich noch zu der Höhe eines Gold-
klumpens von der Größe eines Waschkorbs angewachsen — so
aber beeilte sie sich, dem Rufe zu folgen und die Thür zu
öffnen, trat aber bei dem unerwarteten Anblick, der sich hier
bot, mit einem lauten Schrei der Ueberraschnng zurück — was
sollte das heißen?

Inmitten des blendenden Glanzes der angezündeten Kerzen,

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