Fliegende Blätter (96.1892 (Nr. 2423-2448))

118

Der Unrichtige.

Einem Sonntagsjäger wird Spaßes
halber ein ausgestopfter Hase in einen Acker
gelegt, den er bei der Jagd zu durchgehen
hat. Ein Freund macht ihn jedoch aus
den Ulk aufmerksam, der mit ihm getrieben
werden soll, und bezeichnet ihm ungefähr
die Stelle, wo der ausgestopfte Vierfüßler
liegt. — Am Tage der Jagd geht er stolz
den besagten Acker entlang, und als an der
erwähnten Stelle zufällig wirklich ein Hase
aufspringt, ruft er triumphirend seinen
Jagdgenossen zu: „Ha, ha — meint Ihr,
ich schieß' — der ist ja ausgestopft!"

Per hochpreisliche Magistrat
Von F.. der guten alten Stadt.
Hat Hans, dem Invaliden,

Das Thorwartamt beschieden.

Hans wohnt nunmehro dicht am
Thor.

Schiebt Abends seinen Riegel vor.
Kann nach dem Abendsegen
Sich dann zu Bette legen;

Denn weder Weiblein oder Mann
Der guten Stadt denkt je daran.

Da Hans nicht ohne Mutterwitz.

Fährt ein Gedanke wie der Blitz
Durch sein Thorwartsgehirne —

Er reibt die Denkerstirne.

„Ich hab's, ich hab's!" so ruft' er aus
Und zieht am Thor den Riegel 'raus.

Und schob an dessen Stelle
Die gelbe Rübe schnelle.

Bald merken dieses Ochs und Schaf,

Und stör'n nicht mehr des Thorwarts Schlaf;
Sie seh'n die Rübe stecken
Und lassen sie sich schmecken.

Und jeden Abend an dem Thor
Schiebt Hans 'ne gelbe Rübe vor;

Nach neun zu geh'n spazieren
Und 's Stadtthor zu passiren.

Jndeß alltäglich in der Früh
Beginnet Hansens Last und Müh' —
Da kommt die Rinderherde
Und macht ihm viel Beschwerde.

Sie zeigt durch Blöken und Gebrüll.
Daß sie das Thor passiren will;

Es wecken aus dem Schlafe
Den Thorwart Ochs und Schafe.

„Fürwahr, mein Amt hat seine Last!"
Seufzt Hans, dem dieses gar nicht paßt;
„O könnten Ochs und Kälber
Sich 's Thor doch öffnen selber!"

Er grübelt', wo er ging und stand —
Da sah er an des Feldes Rand
'ne gelbe Rübe stehen,

Gar stattlich anzusehen.