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Joseph Gregor Winck — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 2: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1983

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https://doi.org/10.11588/diglit.57439#0048
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Eben dieser Moment ist von Winck geschildert. Links und rechts auf einer seitlich optisch
von Postamenten mit Kerzenhaltern begrenzten Treppe kniet das Elternpaar. Ihr Opfer
„wie es gesagt ist im Gesetz des Herren: ein paar Turteltauben... “ haben sie in einem klei-
nen Käfig auf der Treppe abgesetzt. Vor ihnen steht der alte Simeon mit dem kleinen Jesus
auf den Armen. Von rechts tritt Hanna hinzu „und redete von ihm zu allen die auf die Erlö-
sung Jerusalems warteten“. Die architektonischen Einzelheiten sind wie Versatzstücke
bühnenmäßig angeordnet, so daß es der Phantasie überlassen bleibt zu beurteilen, ob die
Handlung vor oder in dem Tempel stattfindet. Zu diesem Eindruck trägt auch die große
graublaue Draperie bei, die einen großen Teil des Freskos einnimmt.
„Tod Mariae“ (Kuppelsegment über dem rechten Seitenschiff)
In Wincks Darstellung wird das Sterbezimmer in eine barocke Bühne verwandelt, auf die
von oben übernatürliches gebündeltes Licht hereinbricht, während Putten in den Raum her-
niederschweben. Maria liegt auf dem Sterbebett. Ein gewaltiger violetter Baldachin verdeckt
weite Teile der Architektur, so daß sich das Interesse ganz auf die Sterbende, die von acht
Jüngern und Aposteln sowie Maria Magdalena umgeben ist, konzentriert. Mit dem sich über
die Gottesmutter Beugenden ist wohl Johannes gemeint, während Petrus zu ihren Füßen
kniend betet.
Winck weicht hier von der durch Jacobus de Voragine überkommenen Legende ab, in der es
heißt: „Petrus stund zu ihren Häupten, Johannes zu ihren Fußen, die anderen Apostel stun-
den um das Bett und lobten die Gottesmutter.“
„Himmelfahrt Mariae“ (Kuppelsegment über dem Chor)
Um den leeren Sarkophag stehen und knien Apostel und Gläubige in Verehrung der Got-
tesmutter und werden Zeugen des Wunders ihrer leiblichen Aufnahme in den Himmel. Ma-
ria schwebt mit ausgebreiteten Armen empor, begleitet von einem Engel und Putten16.
Die Grisaillen in den Kuppelpendentifs geben alttestamentliche Vorbilder Mariens wieder.
Diese Darstellungen besitzen vorwiegend dekorativen Charakter, so daß auf eine ausführli-
che Beschreibung verzichtet werden kann. Ihr Wert liegt vielmehr im ikonologischen Zu-
sammenhang des Programms17.
„Heimsuchung Mariae“ (über dem linken Seitenschiff)
In der „Heimsuchung Mariae“ werden von Winck zwei Architekturmotive, die er auf der
Epistelseite des Plafonds der Schloßkirche von Liebenburg verwandt hatte, fast ohne Verän-
derung miteinander kombiniert: So ist aus dem Hause des Zacharias ein klassizistischer
Tempel mit Frontispiz geworden. Von rechts und links kommende Balustraden mit von
Feuervasen bekrönten Postamenten lassen den Blick frei auf die Treppe, auf der die Begeg-
nung der beiden Frauen stattfindet.
Elisabeth ist als Matrone in einem langen grauen Kleid und goldgelbem Umwurf geschildert;
sie trägt ein Kopftuch. Auf sie zu tritt Maria, gleichfalls in ein langes violettes Kleid mit
blauem Umhang gehüllt, dazu trägt sie einen gelben Strohhut und hält - ebenso wie der hin-
ter ihr stehende Joseph - einen Wanderstab in der Hand. Hinter Elisabeth sieht man den al-
ten Zacharias mit gefalteten Händen. Beide Männer werden von Winck in Abweichung zum
Evangelium zur Darstellung gebracht.
„Verkündigung Mariae“ (über dem rechten Seitenschiff)
Dieses Bild ist ein Meisterwerk kühner perspektivischer Verkürzung, in dem alle Linien in
der Mitte der „Oberkante“ fluchten. Die künstlerischen Mittel sind ganz sparsam einge-
setzt. Einige wenige architektonische Versatzstücke an den Seiten werden noch von Wolken
und einem großen Vorhang verdeckt, so daß die Vorstellung der räumlichen Situation weit-
gehend der Phantasie überlassen wird. Dazu kontrastierend wird der mysthische Vorgang
ganz real dargestellt. Maria, die einen Korb mit Wäsche abgestellt hat, kniet auf dem Betpult,
während der Engel Gabriel mit seinen Putten der Maria verkündet: „Der Heilige Geist wird
über dich kommen und eine Kraft des Höchsten wird dich überschatten ... das von dir gebo-
rene Kind wird Gottes Sohn genannt werden.“
Aus den Wolken bricht in drei Bündeln ein sakrales Licht durch, in dessen Hauptstrahl die
Taube des Heiligen Geistes sichtbar wird.

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