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Fechheimer, Hedwig; Cohn, William [Editor]
Die Kunst des Ostens (Band 1): Die Plastik der Ägypter — Berlin: Bruno Cassirer Verlag, 1922

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IV. Stil der Rundplastik, Statuen
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https://doi.org/10.11588/diglit.63179#0039
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STIL DER RUNDPLASTIK

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so wertvoll, weil sie ein sicheres Fundament für den Aufbau abgibt und vor
der Überschätzung der zufälligen Merkmale bewahrt, die der veränderlichen,
stets bewegten Naturform anhaften: sie garantiert die Bildeinheit. — Die geo-
metrische Anlage der Statuen läßt übrigens eine kunstgemäße Steigerung ihrer
Dimensionen zu, die bei bewegteren Figuren sinnlos wirkte. Die Rosselenker vom
Montecavallo — vergrößerte Normalfiguren — sind als Kunstwerke barbarisch,
die ägyptischen Kolosse monumental. Weil dieFormen der ägyptischen Skulpturen
einfach und Überschneidungen selten sind, ist ihre Kunstwirkung im ganzen
unabhängiger von der materiellen Größe als bei den Werken anderer Zeiten,
etwa des Barock und Rokoko, die wegen ihrer komplizierten Bildungen ein
gewisses Maß einhalten müssen. Die gleiche ägyptische Figurenkomposition
befriedigt oft in recht verschiedenen Dimensionen: eine Reproduktion wird
selten auf ihr tatsächliches Maß schließen lassen. DerFormgedanke ist so elementar,
daß er möglichst viele Varianten einschließt, ist geradezu kanonisch. Diese Ge-
samthaltung der Skulpturen erfordert natürlich eine ebenso strenge Durchführung
im einzelnen. Jedes Detail dient dem Kompositionsgedanken: so wirken die
scharfkantigen Bänder der Augenlider und Lippen einer zerstreuenden Beleuch-
tung entgegen (besonders deutlich bei dem Kopf Tafel 50 und der StatueTafel 46).
Die Griechen gingen hierin, besonders in der strengen Periode ihrer Kunst,
noch weiter, indem sie Stirn und Nasenrücken zur zusammenhängenden Front-
fläche des Kopfes verbanden, was diesen Köpfen — die schönsten sind im
Akropolis-Museum und in München — zumal im Vergleich mit der bewegteren
Formkombination ihrer nackten Körper, leicht etwas Maskenhaftes gibt, das
die ägyptischen Künstler vermieden.
Von diesem plastischen Gesichtspunkt aus erhielt auch die Farbe in der
ägyptischen Skulptur einen neuen Sinn. Einmal suchten die Künstler die all-
gemeine Tatsache der mehrfarbigen Körpererscheinung im Bildwerk auszu-
drücken, darüber hinaus wollten sie den Aufbau der Formen zugleich farbig
hervorheben. Die innere Einheit ihres Kunstwerkes verlangte vom Kolorit
dieselbe Distanz zur Wirklichkeit, die im Plastischen befolgt war: also zu-
sammenhaltende, weit sichtbare Farbenflächen. Die Farbennuancen der Natur
mußten umgearbeitet werden. Die Künstler bevorzugten — auch hierin be-
gegnen sie sich mit den Modernen — ungebrochene kräftige Farben: neben
weiß und schwarz ein reines Gelb, Dunkelrot, Türkisgrün. Mit diesen Tönen
sprechen sie zugleich summarisch und eindeutig die Stoffdifferenzen der
 
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