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Fechter, Werner
Das Publikum der mittelhochdeutschen Dichtung — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.53422#0093
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bergern vom Hag begegnen je zweimal ein Parzival und ein Vivianz und ferner
je eine Lunete und eine Gyburt.

Wie dieſer oberflächliche Eberblick ſchon gezeigt haben wird, beſchränkte ſich
die Sitte hauptſächlich auf die ritterliche Geſellſchaft. Beim niederen Adel err
freute ſie ſich indeſſen weit größerer Beliebtheit als beim hohen. In Baiern
und Tirol waren bürgerliche Kreiſe ſo gut wie ausgeſchloſſen, in anderen Ge—
genden nahmen ſie, wenn auch in geringerem Grade und erſt ſpät, ebenfalls
daran teil. Dabei wird hier wohl in den wenigſten Fällen die Dichtung unmit—
telbaren Anlaß geboten haben. Die Urſache dürfte vielmehr meiſt in der gegen
Ausgang des Mittelalters immer mehr überhandnehmenden Nachäffung des
Adels auf allen möglichen Gebieten und damit auch in der Namengebung zu
ſuchen ſein.

So ſchmückten ſich etwa die Baſler Bürger gern mit Namen aus Heldenſage
und Ritterdichtung'?-⸗. Noch mehr aber huldigten die Bürger in Mittel- und
Niederdeutſchland dem Brauch. Zwar begegnen auch hier Hartmanns Helden
im 13. und 14. Jahrhundert nur in den oberen Geſellſchaftsklaſſen, beim Adel
und ſtädtiſchen Patriziat; im 15. Jahrhundert aber tritt dieſen Schichten dann
das mittlere Bürgertum bei. Und an den Namen aus dem Parzival ſind bür—
gerliche Kreiſe ſogar auffallend ſtark beteiligt, „faſt in gleichem Maße wie der
Adel, vor allem an dem Namen Parzival ſelbſt. Doch finden wir ihn und die
übrigen Namen dieſer Dichiung im 13. und 14. Jahrhundert nur in den oberen
Schichten der Geſellſchaft, und mit den ſpezifiſch ritterlichen Perſonennamen
auch im 15. Jahrhundert nur dort, andere Namen um dieſe Zeit auch in den
mittleren Klaſſen““?s.

Auch zeitlich ſtimmt das alſo mit dem überein, was ſich an anderer Stelle
ſchon zeigte: die mhd. Dichtung war bis in den Beginn der Neuzeit hinein
lebendig. In Tirol ſcheint die Blüte des Brauches ins 13. und 14. Jahrhundert
zu fallen, in Baiern erreichte die Sitte jedoch erſt im 15. Jahrhundert ihre
größte Verbreitung, und vereinzelt findet man ſolche Namen noch lange.

Ein weiteres Zeugnis für die Wertſchätzung, der ſich die mhd. Dichtung er—
freuen durfte, iſt dann die Tatſache, daß ſie der bildenden Kunſt be—
liebte Vorlagen bot. Man blieb da nicht bei der Illuſtrierung von Hand—
ſchriften ſtehen, ſondern brachte Einzelſzenen und ganze Zyklen auf Teppichen,
Tiſchdecken, Schmuckkäſichen, ſogar Kämmen und nicht zuletzt an den Wänden
an. Auch hier kann nur das wenigſte angeführt werden. Weiteres bietet die
genannte Aiteratur.

So ließ ſich z. B. ein Miniſterial der Thüringer Landgrafen noch in der er—
ſten Hälfte des 13. Jahrhunderts die kleine, nur ihm und ſeinen engeren Freun—
den Raum bietende Trinkſtube ſeines Edelſitzes in Schmalkalden mit Iwein⸗
Darſtellungen ausmalen??s, und etwa ein Jahrhundert ſpäter ſchmückten die
Herren von Redern, ſchleſiſcher Adel, ein Gemach ihres Wohnturms in Bober—
Röhrsdorf mit Szenen aus dem nämlichen Epos'?. Aus derſelben Zeit ſtam—

724 J. Nadler, Lit.-Geſch. d. dt. Schweiz (1932), S. 89.

725 Kegel, wie oben, S. 101.

726 P. Weber, 31. f. bild. Kunſt NF 12, 13 ff. 113 ff.; dazu Fr. Panzer, Litbl.
f. germ. u. rom. Philol. 24, 150 -2

*P. Knötel, Mitt. d. ſchleſ. Geſellſch. f. Volkskunde, hgb. v. Th. Siebs 20, 72 ff.

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