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Badener Lazarett-Zeitung (Nr. 1-58[?]) — Baden-Baden, Juli 1916 - Dezember 1918

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Hefte 43-44, April 1918
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https://doi.org/10.11588/diglit.2827#0261
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«or Antritt der Arbeit zu stSrten. Die Wirderho-
lung der Kuren in gewifsen Zeitrümnen s»ll den
Befchädigten di« Möglichkeit geben, fich nach Ablauf
einer gewisieu LrbeitSzett zu erhole«. Wenn auch
die ergLnzende Hrilbehandlung »on der MMürbe«
hörde iu wettgehendstem Maße gewührt wird. bleibt
doch der bürgerlichen Fürsorge hier noch viel zu
tun Lbrig, besonders dann, wenn der veschüdigte
bereitS auS dem HeereSdienst ausgeschieden ist.

Ueber die Arbett auf deu einzelnen Tellgebieten
«erdeu writere AuSführungen Auflchlutz geben.

Muterstühung rvährend des Wochenöettes.

Wenn die Fmu eineS KriegSteilnehmerS ge-
boren hat, so stehen ihr folgende Bezüge der
ReichSwocheahilfe zu:

4. ein einmaliger Beitrag zu den Kosten der
Tntbindung in Höhe oon 25 Mk.,

2. ein Wochengeld von 1.5» Mk. tüglich, ein-
schlietzlich der Sonn- und Feiertage, für
acht Wochen, von drnen mindestenS fechS
iu die Zeit »ach der Niederkunft fallen
müsien,

2. eine Btihllfe biS zum Betrage oon 10 Mk.
für Hebammendienste und ürztliche Be-
handlung, falls solche bei, Schwanger-
schaftSbeschwerden erforderlich werden,

4. für Wöchnerinnen, solange fie ihre Neu-
geborenen stillen, ein Stillgeld in Höhe von
Mk. tüglich, einschlietzlich der Sonn-
und Feiertage, biS zum Ablauf der zwölften
Woche nach der Niederkunft, für jedeS Kind.

Der Antrag auf ReichSwochenhilfe ist, wenn
°die Frau eineS KriegsteilnehmerS Mitglied einer
Krankeukasie ist, bei dieser zu stellen, andernfallS
bei der Kasie, welcher der KriegStellnehmer vor
seinem Eintritt in die Kriegsdienste zuletzt angehört
hat; in allen übrigen Fällen beim LieferungSver-
band, d. h. bei der Stelle. bei der die Frau deS
KriegSteilnrhmers die öffenttiche Unterstützung er-
hebt (Bürgermeisterei usw.). V»raussetzung für
die Gewährung der Reichswochenhllfe durch die
Lieferuugsverbände ist jedoch ebenso wie für die
KriegSuaterstützung, datz der Fall der Bedürftigkeit
v»rlirgt. Bei den Krankenkassenmitgliederu wird
dagegen daS Borliegen der Bedürftigkeit nicht ge-
fordert. FallS nun öffentlichr KriegSunterstützung
gegeben wird, so wird die Bedürftigkeit alS »e-
geben betrachtet; ist dieS nicht der Fall, s, wird
noch Reichswochenhilfe gewührt, wenn

1. ihres EhemannS und ihr Gesamteinkommen
in dem Jahr oder Steuerjahr vor dem
Diensteintritt den Betrag von 2500 Mk.
nicht überstirgen hat, oder

2. das ihr nach dem Diensteintritt deS Ehe-
mannS verbliebene Gesamteinkommen HSch-
stens 1600 Mk. und für jedes schon vor-
handene Kind unter 16 Jahren höchstens
weitere 250 Mk. beträgt.

Auch die Ehefrauen aktiver Unleroffiziere können
bie ReichSwochenhllfe erhalten.

Autzerdem kann ein UntrrstützungSgefuch zerichtet
werden an die Privattanzlei der Frau Kronprin-
zesfin, P»tsdam, Neuer Garten, mit der Bezeich-
nung „KriegSkinderspende". Jn diesem Gesuche ist
anzugeben der Tag des Eintrüts zum Militärdienst.
der Geburtstag und der Namen des KindeS, sowie
die Anzahl schon vorhandener Kinder. DaS Gesuch
follte nur im Fall besonderer Bedürftigkeit gestellt
werden.

Hryöyung der Menten ans der Zlnfall-
verstchermrg.

Der BundeSrat hat in seiner Sitzung vom
!17. Januar beschlosien, datz die Empfänger vo«
Berletztenrenten auS der Unfalloerficherung eine
monattiche Zulage oon 8 Mk. zu ihrer Rente beau-
tragen können, wenn die folgenden Bedinguugen
«füN find:


1. Die Rente, die der Verletzte gegenwürtig be-
zieht, mutz mindestea» eine solche voa zwei Drtttela
der Bollrente sein. 2. Der Berletztr mutz fich im
Jnlande aufhalten. 3. LS dürfen nicht Tatsacheu
vorlie>en, die die Annahme rechtfertigeu, datz die
Zulage nicht benöttgt wird.

Der Antrag ist an den »erstcherungSträger oder
an ein VerficheruugSamt zu richten. Zweckmätziger-
weise werde« geeignete Schriftstücke dafür, datz die
drei Bedingungeu erfüllt find, fofort beigefügt. Der
Bersicherungsträger teilt seine Entfcheidung schrift»
lich mtt. Der Autragsteller kann gegen die Ent-
scheidung biaaen drei Monaten nach der Zustellung
Einspruch beim OberverficheruagSamt einlegen, daS
auf seinem Rentenbescheid angegebea ist. DaS Ober-
»erflcherungSamt entscheidet endgültig. Die Zulage
wird oom 1. Februar 1918 biS zum 31. Dezember
1918 gewührt uud durch die Post auSbezahtt.

MeSergasgswirtschäft mrd Wiederaufvau
»ach dem Kriege.

Nach eiuem Vortrag des LandtagSabgeordmte« Otfer t»
Fraukfurt a. M.

DaS schnelle Emp«rblühea unfereS VolleS in
den letzten Jahrzehnten und die dadurch bedingte
AuSbreüung in der Well lietz dru wachsenden Ge-
gensatz zu Eugland entstehen. Unser Autzenhandel,
der dem EnglaudS nur um drei Mlliarden nachstand,
mutzte EnglandS Neid erregen. Eine AuSeinander-
setzung war unauSbleiblich. Um gerüstrt zu sein,
wurden unsere Militüroorlagen mtt großer Mehr-
hett angenommen, aber wirtschafüich beretteten wir
un« nicht im geringsten oor.

Gauz anderS Englandl ES hat fich mü den
notwendigsten LebeaSmittela verforgt, eS hat unsere
HandelSschiffe zu vernichten gewuht, eS hat durch
sein Spionagesystem die Geschäftsgeheimniffe der
Welt kontrolliert. Jtalien und Rumäniea wurden
z. T. «uS wirtschaftlichen Gründen in den Krieg
hineingezogeu; auS denselben Gründen versucht eS
England bei Holland. Die WirtschastSkonferenz
von 1916 traf Vorkehrungea, um Deutschland auch
nach dem Kriege den Bezug v,n Rohstoffen zu er-
schwerrn. Die .Schwarzen Listen" zeigen, datz
England nicht nur mtt unserem Heere, soadern nttt
jedrm deutschen Untertan Krieg führt.

Mtt dieser Fülle wirtschaftlicher Matznahmen
hat England unseren ganzen blühenden Handel in
der Welt oernichtet. Nach dem Kriege müffen wir
von oorn aufaagen; besonderS auch in Südamerika.
Die Staaten dort mutzten auS rein wirtschaftlichen
Gründen uns den Krieg erklüren, damtt unsere
Rohstoffoersorgung unterbunden würde.

Gegen dieseS englische System haben wir wirt-
schaftlich garnichtS getan. Wir glaubten, der Krieg
müffe auS Mangel an Geld, Munition oder Men-
schen bald beendrt sein. Gewattige Jmprooisationen
sollten dann die Sünden der lettenden Stellen
wieder gut machen. Aber nicht di- Bureaukraten,
sondern die Prakttker habrn die Rohstofffrage gelöst.

Jn engem Zusammenhang hiermit steht die
PreiSentwicklung. 1914 erkannte man, datz
man ungeheuer viel mehr Material brauche, alS
man glaubte, und jeder PreiS wurde bezahlt, um
alles zu erfasien. Auch 1915 war diese Auffasiung
noch richtig. Doch eS kam eine Zett. wo die Preise
hütten revidirrt werden müffen.

Dazu kommt, datz wir auf llrine neutrale Ge-
biete (Schweiz, Holland Skandinavieu) angewiesea
find, wo eine schnelle PreiSsteigerung mü schlechter
Vakuta unsereS GeldeS stattfand. Die hohett AuS-
landSpreise schraubten wechselweise die JalandS-
preise in die Höhe.

AlS wetterea Grund der Preissteigerung find
die KriegSgesellschasten anzusehen. DaS System der
PreiSregulierung im Frieden durch Angetot und
Nachfrage hörte mtt der Einführung der KriegS-
gesellschasten auf, die ohne PreiSprüstmg einkausten.
ES entstand der Schleichhandel. der die Phantafie-
preise n»ch rrhöhte.

Auch dir Sttlllegung vieler Betriebe wirkte ia
derselben Richtung. So arbetten z. B. von 1700
Spinnrreibetrieben nur noch 70. Die lleine An-

zahl «utz die grotze Zahl der ruhrnden Betriebe
entfchüdigen.

So wird die Schraube immer höher gedreht.
Waun fie eiamal rückwürtS geht, tst noch uugewiß.
Sicher ist, datz die Offenfioen uageheure» Material
verschlingen, der Tauchbootkrieg «aersetzbare Werte
auf den Meeresgrund schickt. «ll daS mutz auS
dem WirtschaftSlebe» wieder herauSgeholt werden.
Die Lastra müffea in «rbett «mgelegt werden;
denn die Arbett mutz,alleS Vernichtete rrsetzrn. Die
Lasten werde« aber eine RückwürtSbewegung
der Pr-ise hnbeiführea. Austotz dazu gibt wie-
derum die Heeresverwaltung, sobald die Riesen-
bestellungen aushören. Dadurch werdea aber auch
Rohstoffe, Maschiaen und Menscheu frei. BesonderS
die angesammetten Rohstoffe müfsen möglichst dald
fteigegeben werden. Luch daS AuSlaad wftd vott
Einflutz fein. Dft schkchft Baluta wftd den Ror-
malstaud bald wieder erreichen. 8» fallen oiüe
VerteuerungSmomente hiaweg, wft der Frftden im
Ostea schon in beschräaktem Matze zeigt.

Jn gewiffem Verhättnis zu den LebenSmtttel-
preisen stehen dft Löhne. Aber eS gibt aoch aa-
dere Einflüsie, besonderS den deS BerhüttniffeS
von Angebot und Nachfrage. Habm wft vftl
Rohstoffe zu verarbeüen, so find die Löhne hoch;
auderufallS wftd der grotze Wettbewerb um Arbett
die Löhne drücke«. Dft Arbeüerschast steht und
füllt mtt ddr Bersorgung von Rohstoffen l Nach
dem Kriege haben wft mtt eiuem bedeuteuden
Wegfall von ArbettSkrüfftn zu rechnen. An Toftn
haben wft schon über eine Million zu bellagen»
dazu kommen noch KriegSinoaliden usw., sodatz e»
etwa vftr Millionen Arbe'itSkrüfte weniger sem
dürsten. Hinzu kommt ein gesteigerter Bedarf an
allem. Fremde ArbeitSkrüste werden demaach geuau
s« uöttg sein wie früher.

ES besteht eia gewalttger Naterschied zwffchen
der augrnblicklichen zwangSweisen PreiSgestaltung
uadderspüterenSelbstregulierung der Preise
nach dem Kriege. Die Gefahr oon Verlusten wftd
ein Ansammeln der Waren nicht mehr erlaubea.
Der Begriff der UebergangSwfttschast eatstand 1916
mtt den KriegSgesellschastea. Jm Juli 1916 wurde
eine UebergangSwirtschastSstelle errichtet. derea Er-
folge bis jetzt aber srhr gering find. ES ist frag-
lich, ob fie überhaupt oou Wert ist, da der lleb«-
gang zum Friedeu allmählich vor fich geht.

Wir müffen srhen, sobald alS möglich auS der
KriegSwirtfchaft herauSzukommea. und deShalb stad
auch die KriegSgesellschastea möglichst schnell aufzu-
lösen. Drn Handel -u monopolifieren steht nicht
im Einllang mtt den Forderuagen der Weltwirt-
schast, die den privaten UnternehmuagSgeist «n-
bttiingt nötig hat. -

Bei der Frage d«8 inneren Aufbaue» nach dem
Kriege haben wft die Grotzbetriebe oon de«
Kleinbetrieben zu unterscheiden. Um erstere brauchea
wft unS nicht zu sorgrn, sie habeu im Krftg« oiel
verdftnt, abgeschrirben, Reserven zurückgelegt. Die
einzige Schwftrigkeit bietet die ungeheure Produk-
tionsmöglichkeit. die weü über dft FriedenSbedhrf-
nisie hinauSgeht und eiueu starken Wettbewerb
hervorrufen wftd.

Schftcht sftht «8 mtt den Kleiabetriebeu»
die maa M legft. Man ging »on dem Srund-
satz auS, der Grotzbetrieb spare viel, der nicht immer
richttg ist. Aber man hat dem Kleinbetrieb sogar
den LebenSnerv durchschuüten, iadem man ihm daS
BetriebSmaterial (z. B. Treibriemea) wegnahm.
Sft werden nach dem FriedenSfchlutz nicht eher
wieder anfangen können zu arbetten. biS daS nötige
BetriebSmaterial angischafst ist, und dadurch kom-
meu fie anderen Betrirben gegenüber inS Hinter»
treffen.

Aehnlich strht rS mü den lleinen gewerbli-
chen Betrieben. Wftd der Meister eingezogen.
so ruht der Betrirb. Und kehrt er nach Jahrea
auS dem Schützengraben zurück, so hat er vftl oon
seiarr Handfrrtigkeit eingebützt. Ein NachwuchS
ist nicht vorhauden. Dftse Betrftbe haltm» de»
Wettbewerb vicht auS. Dft KriegshilfSkasie mtt
43 MAionen Mcnk (gegea 12 Millwnen 1870) ist oiel
zu gering. Für drn Aufbau deS Kleiogewerbr»
ist von StaatS wegrn keia Pfennig vorhanden.
Ebrnsowenig wftd er organffatorffch vorb«rettet.
 
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