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Fenger, Ludvig Peter
Dorische Polychromie: Untersuchungen über die Anwendung der Farbe auf dem dorischen Tempel (Text) — Berlin, 1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.3957#0039
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— 37 —

nur eine sehen zu wollen, ist meines Erachtens unmöglich. Dagegen wird ein aufmerksamer und sach-
kundiger Beobachter gewahr werden, dass die Mittel, durch welche die alten Künstler Ruhe, Haltung
und Harmonie in ihren Bildern erreicht haben, theils, namentlich in Betreff der älteren, in dem weissen
Grund, theils in der begrenzten Anzahl der Farben und in einer Vertheilung der letzteren zu suchen
sind, die wohlthuend wirkt und dem bei den Vasen angewandten Decorationsprincip entspricht.

Hiermit soll nicht gesagt sein, dass die ältesten etruskischen Grabgemälde — von den schattirten
rede ich nicht — alle den weissen Grund gehabt haben, im Gegentheil gebe ich zu, dass gefärbte Gründe
vorkommen, wenn auch selten und wie es scheint später; ebenso wenig wird man behaupten können,
dass man sich sclavisch mit gewissen einmal üblichen Farben begnügt habe, — auch in dieser Beziehung
giebt es eine Entwickelung gegen das Reiche und Mannigfaltige —, aber so lange die Malerei sich als
Flachmalerei behauptet, wird der Contrast zwischen dem Grunde und den Figuren oder die Sparsamkeit
mit der Zahl der Farben und deren harmonische Vertheilung nicht aufgegeben.

Neben den etruskischen Grabgemälden haben wir eine Gattung von Vasen, die für die Geschichte
der Malerei von "Wichtigkeit sind, nämlich die weissen attischen Lekythen. Es unterliegt wohl keinem
Zweifel, dass man sich bei diesen Vasen einer eigenen Technik bedient hat, derselben wie bei den
kleinen Grabfiguren, indem man den Thon mit einem weissen Engobe von Pfeifenthon überzog, um sich
eine reichere Palette von Farben zu verschaffen, als die ältere Technik darbot. Ob nun einige oder alle
Farben eingebrannt wurden, ob einige "Wachsfarben waren, muss dahingestellt bleiben. Was die ornamentale
Decoration dieser Vasen betrifft, macht sich dasselbe Princip wie bei den älteren Vasen mit Dunkel auf
Hell und eine gewisse Aehnlichkeit mit den Tempelornamenten der besten Zeit geltend. Die Figuren
stehen bald flach, bald schattirt mit einer reicheren und freieren Farbenverwendung, z. B. von Grün,
Violett, Gelb, Rosaroth u. s. w. auf dem weissen Grunde.

Diesen unbestreitbaren und unleugbaren Thatsachen gegenüber hält es schwer, die vier Cofores
austeri des Plinius von der Anwendung der Farben im Ganzen zu verstehen. Die Nachricht wird wohl
nur auf die Carnation Bezug haben, was ja auch einen guten Sinn giebt und sich mit dem Wortlaut
der betreffenden Stellen vereinigen lässt.

Aber, höre ich Einige einwenden, wenn wir auch eine durchgängige Bemalung der älteren Sculp-

turen und auch in späteren Zeiten ein Behalten der farbigen Hülle an thönernen und anderen Werken

von schlechterem Material zugeben müssen, so können wir uns doch gar nicht denken, dass die Griechen

den edeln weissen Marmor, diesen herrlichen, halbtransparenten Stoff, dessen Einführung in die Kunst

wir ihnen verdanken, durch Farben versteckt hätten. Doch — warum denn nicht? Müssen wir uns

nicht die Einführung des Marmors zuerst als einen Ersatz für das Elfenbein eben in Verbindung mit

Farben und zwar so denken, dass Extremitäten von parischem Marmor, welcher früher meist in kleinen

Blöcken, zum Theil in Höhlengängen, gebrochen wurde, an hölzerne und steinerne Rümpfe angesetzt

wurden? Ist es wahrscheinlich, dass die orientalische Farbenpracht, die man an den Tempelstatuen lieb

gewonnen hatte, sogleich aufgegeben wurde, weil man ein neues Material bekam, das sich eben durch

Enkaustik vorzüglich für die Entfaltung einer heiteren Farbenpracht eignete? Dass der Marmor, wo es

sich um das Nackte der weiblichen Figuren handelte, weiss gelassen wurde, dürfen wir wohl annehmen;

an den älteren Vasen haben wir hier immer das reine Weiss. Dagegen sahen die Griechen die männliche

Hauptfarbe keineswegs als weiss, sondern vielmehr als dunkel an. Wenn wir daher nicht nur Göttinnen,

sondern auch Göttergestalten von Gold und Elfenbein ausgeführt wissen*), dann darf vielleicht nicht

*) Z. B. ein Asklepios des Kaiamis in Sikyon, ein Dionysos des Alkamenes in Athen, ein Asklepios in Epidauros
und ein Dionysos in Sikyon, des berühmten olympischen Zeus von Phidias nicht zu gedenken.
 
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