Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
VIII. Perlen und Anhänger

133

durchlocht. Die knopfartig vorstehenden Augen setzen sich deutlich vom Kopf ab. Der flache, breite Schnabel ist schaufelartig
aufgebogen. Die Darstellung lässt am ehesten an einen Wasservogel denken.
Die Vogelfigur Kat. 814 entspricht dem von J. Bouzek als »mittelgriechisch« bezeichneten Typ946. Diesen
charakterisieren der im Umriss eckige Körper mit der horizontalen Bauchlinie und dem winkelig abgesetzten,
breiten Hals, die etwas grobe, unplastische Formgebung mit der eindeutigen Ausrichtung auf die Profilansicht
sowie die zuvor beschriebene Gestaltung des Kopfes mit dem Stirnknick, dem flachen, langen Schnabel und
den vorspringenden Augen. Vögel dieses Typs begegnen vornehmlich in Thessalien. In Makedonien sind sie
deutlich weniger verbreitet. In Mittelgriechenland sind sie bis auf zwei Exemplare aus Delphi, bei denen es
sich wahrscheinlich um Importe handelt947, ebenso unbekannt wie auf der Peloponnes. Im ostägäischen Raum
und in Westkleinasien ist der Anhänger Kat. 814 aus dem Artemision von Ephesos das bislang einzige Beispiel
dieses Vogeltyps948. Nach der derzeitigen Fundkenntnis sind die Vögel ‘mittelgriechischer’ Art charakteristi-
sche Erzeugnisse der thessalischen Bronzekunst949; sie kommen in Kombination mit Basen unterschiedlicher
Form oder als Aufsätze von Bommeln vor950. Der Ständer der mit Basen kombinierten Vögel ‘mittelgrie-
chischer’Art ist fast immer rundstabig und glatt gebildet. Auf einer runden Basis stehende Vögel dieses Typs
sind vor allem in Thessalien verbreitet, wo sie besonders zahlreich im Artemis-Enodia-Heiligtum in Pherai
zutage kamen951. Unter diesen Beispielen aus Thessalien findet der Anhänger Kat. 814 zahlreiche unmittelbare
Entsprechungen im Stil der Figur und in der Bildung der Basis, sodass für ihn eine Herkunft aus einer dort
beheimateten Werkstatt mit einiger Sicherheit angenommen werden kann952. Vogelfiguren mit Basis sind im
ostgriechischen Raum insgesamt sehr selten; zwei Exemplare aus Lindos auf Rhodos unterscheiden sich in
ihrem Stil deutlich von den aus Thessalien bekannten Vögeln und von dem Anhänger Kat. 814953.
Vögel verschiedener Typen, die mit runden oder rechteckigen durchbrochenen, kegel-, pyramiden-, kreuz-
oder doppelbeilförmigen Basen kombiniert sind, kamen sowohl in Gräbern als auch in Heiligtümern zutage954.
Die an den meisten Beispielen zu beobachtende Durchlochung des Halses weist auf eine Verwendung als
Anhänger hin955. Bei einem auf einer viereckigen Basis stehenden Vogel ist sogar ein in die Rückenöse einge-
hängtes Kettchen erhalten geblieben956. 1. Kilian-Dirlmeier sieht im Vorkommen dieser Anhänger in Gräbern
einen Beleg für ihre Zugehörigkeit zur Trachtausstattung, ohne dass jedoch die jeweiligen Fundverhältnisse
Hinweise auf ihre genaue Trageposition geben würden957. Auch K. Kilian schließt aus der Existenz einer
Durchlochung, dass diese Vogelfiguren hängend befestigt oder getragen wurden958. Wie hingegen die wenigen
mit einer Basis kombinierten Vogelstatuetten ohne Aufhängevorrichtung verwendet wurden, ist nicht zu er-
klären. Da sie vereinzelt auch als Beigaben in Gräbern vorkommen, möchte I. Kilian-Dirlmeier in ihnen
Gegenstände aus dem Alltag des Verstorbenen oder Weihenden sehen959.

946 Bouzek 1967, 122 Abb. 5; zur Verwendung der Bezeichnung als Vögel ‘mittelgriechischer’Art s. Kilian-Dirlmeier (Anm. 913);
Felsch 1980, 57 f. und Felsch 1983, 127 f. hebt das beinahe vollständige Fehlen von Vögeln des ‘mittelgriechischen’ Typs in
Mittelgriechenland hervor und verweist sie »weiter nach Norden«.
947 Rolley 1969, Taf. 22, 134-136; Felsch 1980, 58 mit Anm. 78; Felsch 1983, 127 mit Anm. 30.
948 Ein bei den britischen Grabungen im Artemision gefundener Vogel (Hogarth 1908. 152 Taf. 19, 8) steht dem ‘mittelgriechischen'
Typ nahe. Sein Umriss ist jedoch in etwas weicheren Linien geführt als bei den genannten Exemplaren. Der keilförmige Fortsatz
an der Unterseite ist durchlocht und war wohl zum Einsetzen in einen Griff o. Ä. bestimmt.
949 Kilian 1975a, 184; Felsch 1983, 128.
950 Kilian-Dirlmeier 1979, 85 ff. 171 ff.
951 Kilian 1975a, 182 f. Taf. 84; Kilian-Dirlmeier 1979, 171 f. Nr. 1015-1035 Taf. 54 f.
952 Vgl. bes. Kilian 1975a, Taf. 84, 18. 19; Kilian-Dirlmeier 1979, Taf. 54, 1015. 1017; 55, 1023. 1024.
7 ’ Blinkenberg 1931. 103 Nr. 228-230 Taf. 11; nach Bouzek 1967. 121 ff. handelt es sich dabei um einen charakteristischen rho-
dischen Typ.
934 Kilian-Dirlmeier 1979, 164 ff. Die Tatsache, dass bislang noch kein Vogel ‘mittelgriechischer’ Art mit Basis aus einem Grab
bekannt wurde, führt Kilian-Dirlmeier auf die Fundsituation und nicht auf eine unterschiedliche Funktion der einzelnen Typen
zurück.
Ein Vogel auf einer runden Basis aus dem Athena-Heiligtum von Lindos ist als einziges bekanntes Beispiel seiner Art mit einer
Rückenöse ausgestattet: Blinkenberg 1931, 103 Taf. II, 230.
956 K. Schefold, Meisterwerke griechischer Kunst (1960) 131 Nr. I 65 Abb. 65.
957 Kilian-Dirlmeier 1979, 164. 166; Kilian-Dirlmeier 1981, 363.
958 Kilian 1975a, 182; so auch Kyrieleis (Anm. 894) 28.
959 Kilian-Dirlmeier 1979, 167.
 
Annotationen