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XIV. ZUSAMMENFASSUNG
In diesem Band wurden Bronzeartefakte aus dem Artemision von Ephesos vorgelegt, die während der öster-
reichischen Ausgrabungen in den Jahren 1965-1994 zutage gekommen waren. Mit wenigen Ausnahmen
stammen sie aus Schichten unterhalb des früharchaischen Marmordipteros, des sog. Kroisostempel, und da-
tieren somit in die Zeit vor der Errichtung des Tempels um 560 v. Chr. Da noch keine endgültige Auswertung
des Schichtbefundes vorliegt, können die Bronzeartefakte vorerst nur anhand ihrer stilistischen Merkmale
beurteilt werden, wonach sie vornehmlich dem 7. und frühen 6. Jahrhundert v. Chr. angehören; nur vereinzel-
te Stücke können noch in das 8. Jahrhundert datiert werden. Dies entspricht dem in griechischen Heiligtümern
allgemein zu beobachtenden Phänomen, dass im Verlauf des 8. Jahrhunderts die Zahl von kleinen, einfachen
Weihegaben - und dabei auch von solchen aus Bronze - deutlich zunimmt und im 7. und beginnenden 6.
Jahrhundert besonders groß ist. Das Formenspektrum und die Fundsituation der Bronzen aus dem Artemision
implizieren, dass es sich bei ihnen vornehmlich um Votivgaben handelt; für einzelne Stücke, wie etwa für
Schalen, kann auch eine praktische Verwendung nicht ausgeschlossen werden.
Schon bei den britischen Grabungen unter D. G. Hogarth kamen zahlreiche Bronzeartefakte zutage, deren
Formen unter den Funden aus den österreichischen Grabungen unmittelbare Parallelen haben.
Schmuckgegenstände oder Trachtbestandteile stellen den weitaus größten Anteil der Bronzefunde. Äußerst
zahlreich kamen Fibeln, Nadeln, Ohrringe und Armreifen zutage und dabei überwiegen einfache, wohl serien-
mäßig produzierte Formen. Besonders wertvolle Weihegaben stellten sicherlich die Gürtel dar, die vollständig
aus Metall gefertigt sind. Unter den zahlreichen Anhängern gibt es viele in Tierform, insbesondere in Form
von Vögeln verschiedener Art. Gefäße aus Bronze, wie etwa Omphalosphialen oder Schalen mit Rotellen-
attaschen und Spulenband, wurden in eher geringer Zahl gefunden. Auch Kessel mit Greifenprotomen ge-
hörten im Artemision offensichtlich nicht zu den gängigen Weihegaben, ebenso wenig wie freistehende Tier-
statuetten. Figurinen, die Weihende, Priester oder Gottheiten darstellen, begegnen zumindest unter den Bron-
zefunden aus den österreichischen Grabungen nicht. Pfeilspitzen kommen im Artemision nur sehr vereinzelt
vor, Waffen anderer Art fehlen völlig. Insgesamt dominieren unter den Bronzevotiven kleine, einfache und
oft in großer Gleichförmigkeit auftretende Gegenstände wie halbmondförmige Ohrringe, kleine Nadeln mit
profiliertem Kopf oder offene Armreifen mit profilierten Enden. Die oft große Zahl und Einheitlichkeit dieser
Weihegaben spricht dafür, dass die Wahl der Votivgaben in irgendeiner Form gelenkt wurde, etwa durch
genaue Regeln, durch fest verwurzelte Traditionen oder durch die sozialen Verhältnisse der Weihenden.
Bronzevotive dieser Art lassen eher auf private Besucher einfacherer sozialer Herkunft schließen. Singuläre
Formen und repräsentative wertvollere Artefakte wie aufwendig gestaltete Fibeln, Gürtel oder Greifenkessel
haben einen vergleichsweise kleinen Anteil an den Weihungen aus Bronze. Votivgaben, die allgemein als
Symbole des aristokratischen Lebensstils interpretiert werden, etwa Pferdestatuetten, Pferdegeschirr usw.,
kommen im Artemision ebenfalls nur vereinzelt vor.
Vergleicht man das Formenspektrum der Bronzeartefakte aus dem Artemision von Ephesos mit jenem ande-
rer ionischer Heiligtümer der spätgeometrischen und früharchaischen Zeit, so kann man, unabhängig von der
verehrten Gottheit, zahlreiche Übereinstimmungen feststellen. Schmuckstücke wie Fibeln, Nadeln, Ohrringe,
Ringe, Armreifen, Gürtel, Perlen und Vogelanhänger kommen in ionischen Heiligtümern regelmäßig vor,
ebenso Miniaturdoppeläxte, Raffeln, Spiegel, Pfeilspitzen, kleine Räder, Greifenkessel und Omphalosphialen.
Das Formenspektrum der Bronzevotive aus dem Artemision entspricht insgesamt weitgehend dem Bild,
das man auch von anderen ionischen Heiligtümern gewinnt, unterschiedlich sind jedoch die Mengenverhält-
nisse. Der große Anteil an Schmuckgegenständen unter den Bronzen aus dem Artemision ist außergewöhnlich,
andere Gattungen kommen hingegen sehr selten vor oder fehlen völlig: Erstaunlich ist die geringe Zahl der
gefundenen Greifenprotomen, hält man sich die Nähe zu Samos, einem Hauptproduktionszentrum dieser Figu-
ren, vor Augen. Waffen kamen nur vereinzelt zutage, und Arbeitsgeräte wie Fischerhaken sind bislang überhaupt
nicht belegt. Aus derartigen Besonderheiten können aber kaum konkrete Hinweise auf den Namen der im Arte-
mision zu dieser Zeit verehrten Gottheit(en) abgeleitet werden, nur ganz allgemein lässt sich ein Schwerpunkt
 
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