204
Bronzefunde aus dem Artemision von Ephesos
XIIL2 Bronzewerkstätten im Heiligtum. Zur lokalen Produktion
Die große Mehrheit der im Artemision gefundenen Bronzeartefakte gehört Formen an, die im ostgriechischen
Raum oder in Ionien beheimatet sind. Dazu zählen besonders eine Reihe von Fibeltypen, wie etwa die ge-
stelzten Fibeln mit einer Kugel im Bügel (Kat. 28-85, Taf. 3-6) und die meisten Fibeln phrygischer Art. Auch
für die in großer Zahl gefundenen, halbmondförmigen Ohrringe, einfachen Armreifen mit kräftig profilierten
Enden, kleinen Nadeln mit profiliertem Kopf und sog. Spulen ist kaum anzunehmen, dass sie von weit her
nach Ephesos gebracht worden waren. Für die Gürtel phrygischer Art wurde ebenfalls eine Herkunft in Ionien
festgestellt. Abgesehen von einer kleinen Zahl Bronzen, die man mit einiger Wahrscheinlichkeit als Erzeug-
nisse fremder Kunstkreise ansprechen darf420, kommen im Artemision also vorwiegend Formen vor, die in
der Region selbst beheimatet sind. Die große Zahl und Gleichförmigkeit dieser serienmäßig produzierten
Bronzevotive aus dem Heiligtum legen die Vermutung nahe, dass sich in der näheren Umgebung von Ephe-
sos oder vielleicht sogar im Bereich des Heiligtums selbst eine Metall Werkstatt befunden hat, die zur Deckung
des lokalen Bedarfs arbeitete. Die Menge und die häufig nicht für den praktischen Gebrauch geeigneten
Formate der geweihten Bronzegegenstände legen nahe, dass diese üblicherweise zuvor nicht von den Gläu-
bigen im Alltag verwendet worden, sondern allein für Votivzwecke bestimmt waren. Eine florierende Pro-
duktionsstätte von Metallvotiven wird sich daher auch am ehesten in der näheren Umgebung des Heiligtums
befunden haben; in oder im Bereich von Heiligtümern arbeitende Metall Werkstätten sind in der geometrischen
und archaischen Zeit mehrfach belegt* * * * * 1421. Die im Artemision ergrabenen Befunde konnten allerdings bislang
noch keine sicheren Belege, wie etwa Schmelzöfen, Werkbänke oder Gießgruben, für eine hier tätige Metall-
werkstatt erbringen. Auch Werkzeuge, die für die Metallverarbeitung benötigt werden, fehlen, wenn es sich
nicht bei Kat. 901 (Taf. 88) um ein tatsächlich verwendetes Treibhämmerchen handelt1422. Vereinzelt gefun-
dene Bronzeabfälle, wie etwa Kat. 1009 (Taf. 120), können nur indirekt einen Hinweis auf Metallverarbeitung
geben, da sie auch von einer außerhalb gelegenen Werkstatt in das Heiligtum gebracht worden sein könnten.
Gleiches gilt für jene Bronzestücke, die vielleicht als Barren anzusprechen sind; es könnte sich dabei auch
um Votivgaben handeln, die ausschließlich wegen ihres Metallwertes oder von Schmieden als Objekte aus
ihrem Arbeitsbereich geweiht wurden1423. Fehlgüsse und Halbfabrikate kamen im Artemision bislang nicht
zutage1424. Möglicherweise können zukünftige Grabungen im Heiligtum selbst oder in dessen näherer Umge-
bung Hinweise auf eine hier ansässige Metallwerkstatt erbringen.
Metallanalysen der im Artemision gefundenen Bronzeartefakte stehen bislang nicht zur Verfügung, sodass
nicht bestimmt werden kann, woher das Rohmaterial bezogen wurde. Kupfer wurde an vielen Orten auf den
20 Taf. 14, 841. 861. Ineinander gehängte Fibeln aus dem Athena-Heiligtum von Lindos auf Rhodos: Blinkenberg 1931, Taf. 7,
92. 93. Ineinander gehängte Fibeln aus Knidos: Qaner 1983, 33 f. Nr. 35 Taf. 3. Zwei ineinander gehängte Platten!ibeln aus einem
geometrischen Grab in Delphi: L. Lerat. Tombes submyceniennes et geometriques ä Delphes. BCH 61, 1937. 50 f. Abb. 6; zu
unbrauchbar gemachten Nadeln s. Jacobsthal 1956, 114 f.
14211 Vgl. dazu den folgenden Abschnitt XIII.3.
1421 Im Heiligtum tätige Bronzewerkstätten sind durch Baustrukturen, Gusskuchen, Rohlinge, Fehlgüsse und Halbfabrikate u. a. an
folgenden Plätzen belegt: Fleraion von Samos: Gehrig 1979. 553 f.; Kyrieleis 1990. Kalapodi: Felsch 1983, 123 f. Athener
Agora: C. C. Mattusch. Bronze and Iron Working in the Athenian Agora, Hesperia 46. 1977, 340 ff. Olympia: Heilmeyer 1969;
Philipp 1981, 11 ff.; Zimmer 1990. 21 ff. 39 ff. Argos: Strom 1995, 39 f. Tegea: G. Nordquist, Evidence for metalworking in Late
Geometrie Tegea, in: C. Gillis u. a. (Hrsg.), Trade and production in premonetary Greece. Production and craftsman. Proceedings
of the 4th and 5th International Workshops, Athens 1994 und 1995 (1997) 197 ff. — Allgemein zum Thema MetalIwerkstätten in
Heiligtümern: Zimmer 1990; C. Risberg. Metal-working in Greek Sanctuaries, in: T. Linders - B. Alroth (Hrsg.), Economics ot
Cult in the Ancient Greek World. Proceedings of the Uppsala Symposium 1990. Boreas 21 (1992) 33 ff; C. Risberg. Evidence
of Metal Working in Early Greek Sanctuaries, in: C. Gillis u. a. (Hrsg.), Trade and Production in Premonetary Greece (1997)
185 ff. mit einer Zusammenfassung des aktuellen Forschungsstandes.
1422 s. dazu Kat. 901.
1423 So interpretiert etwa FL Kyrieleis, Offerings ‘of the Common Man in the Heraion at Samos, in: Hägg 1988, 218 Bronzebarren
aus dem Heraion von Samos wegen ihres hohen Metallwertes als Weihungen reicher Menschen; s. dazu auch die Abschnitte zu
den Ringen Kat. 639-650 und zu dem Rad Kat. 900.
1424 Neugebauer 1931, 51 Nr. 131-134 meint, dass Fehlgüsse von Jenen Menschen dargebracht wurden, für die gute Stücke un-
erschwinglich waren. Heilmeyer 1969, 4 mahnt zur Vorsicht bei der Interpretation von in Heiligtümern gefundenen Fehlgüssen,
da auch sie von einem Händler oder Stifter hierher gebracht worden sein könnten.
Bronzefunde aus dem Artemision von Ephesos
XIIL2 Bronzewerkstätten im Heiligtum. Zur lokalen Produktion
Die große Mehrheit der im Artemision gefundenen Bronzeartefakte gehört Formen an, die im ostgriechischen
Raum oder in Ionien beheimatet sind. Dazu zählen besonders eine Reihe von Fibeltypen, wie etwa die ge-
stelzten Fibeln mit einer Kugel im Bügel (Kat. 28-85, Taf. 3-6) und die meisten Fibeln phrygischer Art. Auch
für die in großer Zahl gefundenen, halbmondförmigen Ohrringe, einfachen Armreifen mit kräftig profilierten
Enden, kleinen Nadeln mit profiliertem Kopf und sog. Spulen ist kaum anzunehmen, dass sie von weit her
nach Ephesos gebracht worden waren. Für die Gürtel phrygischer Art wurde ebenfalls eine Herkunft in Ionien
festgestellt. Abgesehen von einer kleinen Zahl Bronzen, die man mit einiger Wahrscheinlichkeit als Erzeug-
nisse fremder Kunstkreise ansprechen darf420, kommen im Artemision also vorwiegend Formen vor, die in
der Region selbst beheimatet sind. Die große Zahl und Gleichförmigkeit dieser serienmäßig produzierten
Bronzevotive aus dem Heiligtum legen die Vermutung nahe, dass sich in der näheren Umgebung von Ephe-
sos oder vielleicht sogar im Bereich des Heiligtums selbst eine Metall Werkstatt befunden hat, die zur Deckung
des lokalen Bedarfs arbeitete. Die Menge und die häufig nicht für den praktischen Gebrauch geeigneten
Formate der geweihten Bronzegegenstände legen nahe, dass diese üblicherweise zuvor nicht von den Gläu-
bigen im Alltag verwendet worden, sondern allein für Votivzwecke bestimmt waren. Eine florierende Pro-
duktionsstätte von Metallvotiven wird sich daher auch am ehesten in der näheren Umgebung des Heiligtums
befunden haben; in oder im Bereich von Heiligtümern arbeitende Metall Werkstätten sind in der geometrischen
und archaischen Zeit mehrfach belegt* * * * * 1421. Die im Artemision ergrabenen Befunde konnten allerdings bislang
noch keine sicheren Belege, wie etwa Schmelzöfen, Werkbänke oder Gießgruben, für eine hier tätige Metall-
werkstatt erbringen. Auch Werkzeuge, die für die Metallverarbeitung benötigt werden, fehlen, wenn es sich
nicht bei Kat. 901 (Taf. 88) um ein tatsächlich verwendetes Treibhämmerchen handelt1422. Vereinzelt gefun-
dene Bronzeabfälle, wie etwa Kat. 1009 (Taf. 120), können nur indirekt einen Hinweis auf Metallverarbeitung
geben, da sie auch von einer außerhalb gelegenen Werkstatt in das Heiligtum gebracht worden sein könnten.
Gleiches gilt für jene Bronzestücke, die vielleicht als Barren anzusprechen sind; es könnte sich dabei auch
um Votivgaben handeln, die ausschließlich wegen ihres Metallwertes oder von Schmieden als Objekte aus
ihrem Arbeitsbereich geweiht wurden1423. Fehlgüsse und Halbfabrikate kamen im Artemision bislang nicht
zutage1424. Möglicherweise können zukünftige Grabungen im Heiligtum selbst oder in dessen näherer Umge-
bung Hinweise auf eine hier ansässige Metallwerkstatt erbringen.
Metallanalysen der im Artemision gefundenen Bronzeartefakte stehen bislang nicht zur Verfügung, sodass
nicht bestimmt werden kann, woher das Rohmaterial bezogen wurde. Kupfer wurde an vielen Orten auf den
20 Taf. 14, 841. 861. Ineinander gehängte Fibeln aus dem Athena-Heiligtum von Lindos auf Rhodos: Blinkenberg 1931, Taf. 7,
92. 93. Ineinander gehängte Fibeln aus Knidos: Qaner 1983, 33 f. Nr. 35 Taf. 3. Zwei ineinander gehängte Platten!ibeln aus einem
geometrischen Grab in Delphi: L. Lerat. Tombes submyceniennes et geometriques ä Delphes. BCH 61, 1937. 50 f. Abb. 6; zu
unbrauchbar gemachten Nadeln s. Jacobsthal 1956, 114 f.
14211 Vgl. dazu den folgenden Abschnitt XIII.3.
1421 Im Heiligtum tätige Bronzewerkstätten sind durch Baustrukturen, Gusskuchen, Rohlinge, Fehlgüsse und Halbfabrikate u. a. an
folgenden Plätzen belegt: Fleraion von Samos: Gehrig 1979. 553 f.; Kyrieleis 1990. Kalapodi: Felsch 1983, 123 f. Athener
Agora: C. C. Mattusch. Bronze and Iron Working in the Athenian Agora, Hesperia 46. 1977, 340 ff. Olympia: Heilmeyer 1969;
Philipp 1981, 11 ff.; Zimmer 1990. 21 ff. 39 ff. Argos: Strom 1995, 39 f. Tegea: G. Nordquist, Evidence for metalworking in Late
Geometrie Tegea, in: C. Gillis u. a. (Hrsg.), Trade and production in premonetary Greece. Production and craftsman. Proceedings
of the 4th and 5th International Workshops, Athens 1994 und 1995 (1997) 197 ff. — Allgemein zum Thema MetalIwerkstätten in
Heiligtümern: Zimmer 1990; C. Risberg. Metal-working in Greek Sanctuaries, in: T. Linders - B. Alroth (Hrsg.), Economics ot
Cult in the Ancient Greek World. Proceedings of the Uppsala Symposium 1990. Boreas 21 (1992) 33 ff; C. Risberg. Evidence
of Metal Working in Early Greek Sanctuaries, in: C. Gillis u. a. (Hrsg.), Trade and Production in Premonetary Greece (1997)
185 ff. mit einer Zusammenfassung des aktuellen Forschungsstandes.
1422 s. dazu Kat. 901.
1423 So interpretiert etwa FL Kyrieleis, Offerings ‘of the Common Man in the Heraion at Samos, in: Hägg 1988, 218 Bronzebarren
aus dem Heraion von Samos wegen ihres hohen Metallwertes als Weihungen reicher Menschen; s. dazu auch die Abschnitte zu
den Ringen Kat. 639-650 und zu dem Rad Kat. 900.
1424 Neugebauer 1931, 51 Nr. 131-134 meint, dass Fehlgüsse von Jenen Menschen dargebracht wurden, für die gute Stücke un-
erschwinglich waren. Heilmeyer 1969, 4 mahnt zur Vorsicht bei der Interpretation von in Heiligtümern gefundenen Fehlgüssen,
da auch sie von einem Händler oder Stifter hierher gebracht worden sein könnten.