Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
174

Bronzefunde aus dem Artemision von Ephesos

Nach den Vergleichsbeispielen ergibt sich für die zweiflügeligen Tüllenpfeilspitzen aus dem Artemision eine
Datierung in das fortgeschrittene 7. oder in das beginnende 6. Jahrhundert.
XII.3.1.1.2 Dreiflügelige Tüllenpfeilspitze mit Seitendorn (Kat. 895, Taf. 86)
Mit einem einzigen Exemplar, Kat. 895, ist unter den Funden aus den österreichischen Grabungen auch der Typus der dreiflüge-
ligen Tüllenpfeilspitze vertreten. Die Spitze setzt sich aus drei lanzettförmigen, in stumpfen Winkeln aneinander gestellten
Schneiden zusammen. Der kräftig ausgebildeten Tülle entspringt auf etwa halber Höhe ein heute nur noch im Ansatz erhaltener
Seitendorn.
Dreiflügelige Tüllenpfeilspitzen dieser Art stehen formal den zuvor behandelten zweiflügeligen sehr nahe.
Sie haben ein ähnliches Verbreitungsgebiet und wohl auch einen gemeinsamen Ursprung1209: Beide Typen
treten an der kleinasiatischen Westküste von Beginn an nebeneinander auf, so etwa in Melie1210 und in
Smyrna1211, wo nach dem zuvor beschriebenen Grabungsbefund der dreiflügelige Typus mit den lydischen
Angreifern um 600 v. Chr. verbunden wird. In Bogazköy kommen dreiflügelige Tüllenpfeilspitzen ab der
Mitte des 7. Jahrhunderts vor und sind damit die bislang ältesten sicher datierten Beispiele in Anatolien1212.
Nach stilistischen Kriterien, wie der ausgeprägten Tülle und der Ausstattung mit einem Seitendorn, gehört
die Pfeilspitze Kat. 895 einer älteren Entwicklungsstufe dieses Typs an und ist noch in das 7. Jahrhundert zu
datieren1213.
XII.3.1.1.3 Zweiflügelige Tüllenpfeilspitze mit dreieckigem Blatt und zwei Widerhaken (Kat. 896, Taf. 86)
Die Pfeilspitze Kat. 896 hat eine rhombischen Querschnitt. Die geradlinigen Schneiden setzen sich auf beiden Seiten in Wider-
haken fort. Der Mittelgrat ist kantig gebildet. Das Blatt schließt mit einer geraden, wenig vorkragenden Unterkante über der zylin-
drischen Tülle ab.
Die Form der Pfeilspitze Kat. 896 ist bislang singulär. Von den bekannten Beispielen zweiflügeliger Tüllen-
pfeilspitzen mit beidseitigen Widerhaken unterscheidet sie sich grundlegend durch die ungewöhnliche Ge-
staltung des Absatzes zwischen Blatt und Tülle1214. Auch Dornpfeilspitzen in der Art von Kat. 897, deren im
Querschnitt rhombische Spitze beidseitig mit Widerhaken ausgestattet ist, sind nicht zu vergleichen, da sie
stets eine bossenartige Erhöhung an der Basis des Blattes und einen Schäftungsdorn aufweisen. Aufgrund
fehlender Parallelen können die Herkunft und die zeitliche Einordnung der Pfeilspitze Kat. 896 vorerst nicht
bestimmt werden1215.

XII. 3.1.2 Dornpfeilspitzen

XII.3.1.2.1 Zweiflügelige, im Schnitt rhombische Pfeilspitze mit Widerhaken, Bosse und Schäftungsdorn
(Kat. 897, Taf. 119)
Die Pfeilspitze Kat. 897 hat ein breites Blatt rhombischen Querschnitts. Der Mittelgrat ist scharfkantig profiliert. Die nur wenig
geschwungenen Schneiden sind auf beiden Seiten zu Widerhaken verlängert. In den von den Widerhaken gebildeten Zwickel ist

1209 Nicholls 1958/59, 129 f. Anm. 120; Snodgrass 1964. 149; vgl. Baitinger 2001. 20 ff. Typ II B 2 (mit Seitendorn). Typ II B 3
(ohne Seitendorn).
1210 Hommel 1967, 135 Abb. 72. 73. Ohne Seitendorn.
1211 Nicholls 1958/59, 133. Mit Seitendorn.
1212 Boehmer 1972, 111 Nr. 934. 935 Taf. 31 aus der Schicht Büyükkale 1. Ohne Seitendorn. Boehmer verweist auf einen entspre-
chenden Befund aus Samaria in Palästina, wo — wie in Bogazköy und Melie — zwei- und dreiflügelige Pfeilspitzen nebeneinander
vorkommen. Mit ausführlichen Eiteraturangaben zu weiteren Fundorten ebenda 111 ff. Dagegen meint 1. Sulimirski, dem diese
Grabungsbefunde noch nicht bekannt waren, dass die frühesten zweiflügeligen Tüllenpfeilspitzen nicht mit dreiflügeligen gemein-
sam vorkommen: Sulimirski 1954, 308.
1213 Vgl. Boehmer 1972, 114. Boehmer weist daraufhin, dass dreischneidige Pfeilspitzen mit Seitendorn vor allem im 7. Jh. nach-
weisbar sind.
1214 Tüllenpfeilspitzen mit beidseitigen Widerhaken sind relativ selten: Snodgrass 1964. 151 Typ 3A3; Weber (Anm. 1192) 162; vgl.
vor allem die »seltene, eigenartige Variante« ebenda Taf. 69 i; Erdmann (Anm. 1207) 57 Dllb; Baitinger 2001, 13 Typ HAI.
1215 Nach den Angaben des Grabungstagebuches stammt die Pfeilspitze aus einer Schicht, die etwa der Höhe des Marmorstereobats
des archaischen Marmordipteros entspricht. Eine spätere Datierung kann damit nicht ausgeschlossen werden.
 
Annotationen