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Fiedler, Conrad
Hans von Marees — München: Nymphenburger Verlagshandl., 1947

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https://doi.org/10.11588/diglit.51228#0067
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zu kleiden. Dann ein leicht erregbares Mißtrauen, ein schneller
Wechsel von Zuneigung und Abneigung, von Hoffen und Ver-
zweifeln, von hochgespanntem Selbstgefühl und von naiver
Freude an dem geringsten Zeichen von Anerkennung und
Erfolg.
Freilich wird vielen bei aller Verwandtschaft beider Naturen
der Abstand so groß erscheinen, daß sie die Berechtigung des
Vergleiches nicht anerkennen werden. Der gewaltige Kampf, den
Kleist mit sich selbst und mit dem Leben ausfocht, hat zu
manchem Siege geführt, bevor er in dem Untergange des Helden
seinen unvermeidlichen Ausgang fand; in einer Reihe glänzender
Werke hat die seltenste Begabung einen dauernden Ausdruck
gefunden. Was haben die Freunde Marees‘ dem an die Seite zu
stellen? Wenn das Wollen ein gleichbedeutendes war, so hat ihm
doch die Sprache gefehlt, in der es sich zu Leistungen von ähn-
licher allgemeiner Bedeutung hätte entwickeln können. Die Zahl
derer wird immer gering bleiben müssen, die aus den Ergeb-
nissen einer so langen und so leidenschaftlichen künstlerischen
Tätigkeit erkennen werden, welche außerordentlichen Kräfte
sich hier in einem unablässigen Ringen verzehrt haben. Man
muß dies zugeben und doch wird man die Berechtigung des Ver-
gleichs nicht nur in Betreff bestimmter gleichartiger Züge ein-
räumen können. Es ist eine und dieselbe große Tatsache, die,
wenn sie auch durch das Schicksal Kleists ihre grellste Beleuch-
tung gefunden hat, doch das unentrinnbare Verhängnis für viele
bildet, die gleich Marees den Besten zugezählt werden müssen.
Mit Vernichtung ist gerade das am meisten bedroht, was die
seltenste und edelste Auszeichnung der menschlichen Natur bil-
det; wer nicht mit Riesenkraft ausgestattet ist, um selbst die
kostbaren Güter zu schützen und zu verteidigen, die er der
Welt entgegenbringt — vom Leben hat er nichts anderes zu
erwarten als Widerstand und Vernichtung.
Wenn wir unseren Blick noch einmal zurückwerfen auf die Per-
sönlichkeit und das Leben desjenigen, dem die vorstehenden
Seiten gewidmet sind, wenn wir uns vergegenwärtigen, welche
außerordentlichen Eigenschaften sich in dem Verstorbenen ver-
einigten, und wenn wir zugleich bedenken, wie allseitig be-
schränkt, nahezu verkümmert seine Laufbahn gewesen ist —

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