FLUGBLÄTTER FÜR
GEMÄLDE-KUNDE
Beilage zur „Internationalen Sammler-Zeitung".
Schriftleiter: Dr. Theodor Frimmel, Wien, 111., Baumannstrasse Nr. 9.
Band 1 1.15. August 1923. Nr. 3
Die neuen Ditderfunde in der <Wiener Jifcademie.
Noch in letzter Stunde vor dem Abschluß der Neu-
ordnung hat man sich in der Wiener Akademie ent-
schlossen, einige Vorratsbilder von alten Krusten, ver-
gilbten Firnissen und Uebermalungen zu befreien. Dies
hat zu einigen erfreulichen Ergebnissen geführt So hat
Professor S. Maurer, als er eine figurenreiche Familien-
darstellung mittelgroßen Formats mit dem falschen
Monogramm Jan Steen’s abdeckte, die Ueberraschung
gebracht, daß man einen zweifellos echten, guten Jan
Steen vor sich hat, der noch die Reste des eigenhän-
digen Monogramms auf dem „Stoofje“, dem bekannten
holländischen Fußwärmer, aufweist. Das Bild ist galerie-
fähig und von hohem Wert. Den Fund eines angeb-
lichen Jugendwerks von Philipps Wouwerman kann
ich dagegen freilich nicht anerkennen. Die Gründe, die
für diese Benennung vorgebracht werden, lassen sich
durch Vergleichungen mit sicheren Bildern aus ver-
schiedenen Perioden des Wouwerman’schen Schaffens
leicht widerlegen, am leichtesten der irrtümliche Zu-
sammenhang des Bildes mit dem Haager fruchtbaren
Landschaftsmaler J. v. Goyen. (Van Goyen lebte von
1596 bis 1656, Phil. Wouwerman von 1619 bis 1668
und war ein Haarlemer.) In der ehemals kaiserlichen
Galerie befindet sich zwar ein unangefochtenes Bildchen
mit den Monogrammen beider Künstler. Die Landschaft
ist von Van Goyen und weist auf den Stil dieses Künstlers
in der Zeit gegen 1640 hin. Die vorzüglichen Figürchen,
die von Wouwerman hineingemalt sind, es läßt sich
nicht genau sagen, wann, haben nun mit dem neu auf-
tauchenden Wouwerman keine Stilverwandtschaft. Noch
weniger kann der Kunstgelehrte, der hunderte von guten
Van Goyens aus allen seinen Perioden im Gedächtnis
hat, das Baumlaub defe angeblichen Wouwerman mit
Van Goyen irgendwie zusammenreimen. Dieses Bild hat
ja viele Züge des Ph. Wouwerman, aber nur in dem
Sinne, daß sie nachgemacht sind. Ph. Wouwerman hatte
viele Schüler und noch weit mehr Nachahmer bis weit
ins 18. Jahrhundert hinein. Vermutlich handelt es sich
um die Arbeit eines geschickten Nachfolgers.
Viel mehr Aussicht auf allgemeine Anerkennung,
als dieser angebliche Wouwerman, haben meines Er-
achtens die Gemälde und Skizzen, die jetzt nach der
geschehenen Reinigung als Werke des Rubens vorge-
führt werden. Die Skizze zur Kreuzschleppung wurde
schon Vorjahren in meinem Buch über die Galerie der
Wiener Akademie (S. 156 f.) abgebildet, besprochen
und mit dem Bilde der Brüsseler Galerie verglichen,
sowie in Beziehung zu weiteren Skizzen gesetzt. Eine
Sonderbarkeit von K. Madsen über diese Kompositi-
onen liegt vor. Es würde zu weit führen und zwar zu
einer ziemlich umfangreichen Abhandlung, wollte ich
die Sache ausführlich behandeln. Die Andeutungen mögen
genügen.
Aehnlich so steht es mit den übrigen Malereien
die jetzt bestimmt auf Rubens bezogen werden, obwohl
sie in übermaltem Zustand dem Meister nur genähert
worden waren. Eine Menge versteckter wissenschaft-
licher Arbeiten ist da aufzuschlagen und zu berücksich-
tigen, so daß man nicht verlangen kann, ich solle so-
gleich, wenige Tage nach dem Fund, wissenschaftliche
Rechenschaft über alles geben. Nur erlaube ich mir die
Frage, ob auch das Gegenstück zu dem kleinen Reiter-
bildnis, das in den alten Verzeichnissen vorkommt und
auch in Lützows Katalog angeführt wird, schon genau
untersucht worden ist. Bei dem vorliegenden, jetzt bei
Herrn Direktor Eigenberger zugänglichen Reiterbildnis
habe ich die Benennung des Dargestellten als Königs
Philipp IV. (so noch in Lützows Verzeichnis) längst
aufgegeben und ich stehe in dieser Beziehung nicht
allein.
Einer genauen Ueberprüfung bedarf noch die Farben-
skizze aus der Schule des Rubens mit Mariae Himmel-
fahrt. Man nennt sie jetzt bestimmt Van Dyck. Ich
war Mitglied des Komitees der Antwerpener Van Dyck-
Ausstellung und hätte es nicht gewagt, diese Skizze als
sichere Arbeit des berühmten Künstlers hinzustellen.
Man kann begierig darauf sein, wie sich der neue
Katalog, der von Herrn Direktor Eigenberger vorbereitet
wird, zu dieser und noch anderen Fragen stellen wird.
Vorher wird freilich die Neuaufstellung zu vollenden
sein, die bei den ungünstigen räumlichen Verhältnissen
keine leichte Aufgabe ist. Stark verfrüht waren einige
Lobeshymnen in der Oeffentlichkeit, die schon vor
Monaten das angeblich vollendete Werk anpriesen, ohne
davon Kenntnis zu haben, wie viele Dutzende von Ge-
mälden noch mit der Schönseite gegen die Wand um-
herlagen.
Wien, Mitte Juli 1923.
Dr. Th. Frimmel.
GEMÄLDE-KUNDE
Beilage zur „Internationalen Sammler-Zeitung".
Schriftleiter: Dr. Theodor Frimmel, Wien, 111., Baumannstrasse Nr. 9.
Band 1 1.15. August 1923. Nr. 3
Die neuen Ditderfunde in der <Wiener Jifcademie.
Noch in letzter Stunde vor dem Abschluß der Neu-
ordnung hat man sich in der Wiener Akademie ent-
schlossen, einige Vorratsbilder von alten Krusten, ver-
gilbten Firnissen und Uebermalungen zu befreien. Dies
hat zu einigen erfreulichen Ergebnissen geführt So hat
Professor S. Maurer, als er eine figurenreiche Familien-
darstellung mittelgroßen Formats mit dem falschen
Monogramm Jan Steen’s abdeckte, die Ueberraschung
gebracht, daß man einen zweifellos echten, guten Jan
Steen vor sich hat, der noch die Reste des eigenhän-
digen Monogramms auf dem „Stoofje“, dem bekannten
holländischen Fußwärmer, aufweist. Das Bild ist galerie-
fähig und von hohem Wert. Den Fund eines angeb-
lichen Jugendwerks von Philipps Wouwerman kann
ich dagegen freilich nicht anerkennen. Die Gründe, die
für diese Benennung vorgebracht werden, lassen sich
durch Vergleichungen mit sicheren Bildern aus ver-
schiedenen Perioden des Wouwerman’schen Schaffens
leicht widerlegen, am leichtesten der irrtümliche Zu-
sammenhang des Bildes mit dem Haager fruchtbaren
Landschaftsmaler J. v. Goyen. (Van Goyen lebte von
1596 bis 1656, Phil. Wouwerman von 1619 bis 1668
und war ein Haarlemer.) In der ehemals kaiserlichen
Galerie befindet sich zwar ein unangefochtenes Bildchen
mit den Monogrammen beider Künstler. Die Landschaft
ist von Van Goyen und weist auf den Stil dieses Künstlers
in der Zeit gegen 1640 hin. Die vorzüglichen Figürchen,
die von Wouwerman hineingemalt sind, es läßt sich
nicht genau sagen, wann, haben nun mit dem neu auf-
tauchenden Wouwerman keine Stilverwandtschaft. Noch
weniger kann der Kunstgelehrte, der hunderte von guten
Van Goyens aus allen seinen Perioden im Gedächtnis
hat, das Baumlaub defe angeblichen Wouwerman mit
Van Goyen irgendwie zusammenreimen. Dieses Bild hat
ja viele Züge des Ph. Wouwerman, aber nur in dem
Sinne, daß sie nachgemacht sind. Ph. Wouwerman hatte
viele Schüler und noch weit mehr Nachahmer bis weit
ins 18. Jahrhundert hinein. Vermutlich handelt es sich
um die Arbeit eines geschickten Nachfolgers.
Viel mehr Aussicht auf allgemeine Anerkennung,
als dieser angebliche Wouwerman, haben meines Er-
achtens die Gemälde und Skizzen, die jetzt nach der
geschehenen Reinigung als Werke des Rubens vorge-
führt werden. Die Skizze zur Kreuzschleppung wurde
schon Vorjahren in meinem Buch über die Galerie der
Wiener Akademie (S. 156 f.) abgebildet, besprochen
und mit dem Bilde der Brüsseler Galerie verglichen,
sowie in Beziehung zu weiteren Skizzen gesetzt. Eine
Sonderbarkeit von K. Madsen über diese Kompositi-
onen liegt vor. Es würde zu weit führen und zwar zu
einer ziemlich umfangreichen Abhandlung, wollte ich
die Sache ausführlich behandeln. Die Andeutungen mögen
genügen.
Aehnlich so steht es mit den übrigen Malereien
die jetzt bestimmt auf Rubens bezogen werden, obwohl
sie in übermaltem Zustand dem Meister nur genähert
worden waren. Eine Menge versteckter wissenschaft-
licher Arbeiten ist da aufzuschlagen und zu berücksich-
tigen, so daß man nicht verlangen kann, ich solle so-
gleich, wenige Tage nach dem Fund, wissenschaftliche
Rechenschaft über alles geben. Nur erlaube ich mir die
Frage, ob auch das Gegenstück zu dem kleinen Reiter-
bildnis, das in den alten Verzeichnissen vorkommt und
auch in Lützows Katalog angeführt wird, schon genau
untersucht worden ist. Bei dem vorliegenden, jetzt bei
Herrn Direktor Eigenberger zugänglichen Reiterbildnis
habe ich die Benennung des Dargestellten als Königs
Philipp IV. (so noch in Lützows Verzeichnis) längst
aufgegeben und ich stehe in dieser Beziehung nicht
allein.
Einer genauen Ueberprüfung bedarf noch die Farben-
skizze aus der Schule des Rubens mit Mariae Himmel-
fahrt. Man nennt sie jetzt bestimmt Van Dyck. Ich
war Mitglied des Komitees der Antwerpener Van Dyck-
Ausstellung und hätte es nicht gewagt, diese Skizze als
sichere Arbeit des berühmten Künstlers hinzustellen.
Man kann begierig darauf sein, wie sich der neue
Katalog, der von Herrn Direktor Eigenberger vorbereitet
wird, zu dieser und noch anderen Fragen stellen wird.
Vorher wird freilich die Neuaufstellung zu vollenden
sein, die bei den ungünstigen räumlichen Verhältnissen
keine leichte Aufgabe ist. Stark verfrüht waren einige
Lobeshymnen in der Oeffentlichkeit, die schon vor
Monaten das angeblich vollendete Werk anpriesen, ohne
davon Kenntnis zu haben, wie viele Dutzende von Ge-
mälden noch mit der Schönseite gegen die Wand um-
herlagen.
Wien, Mitte Juli 1923.
Dr. Th. Frimmel.