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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 6.1931

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Riezler, Walter: Bild und Bau: Betrachtungen zur Bauausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.13708#0288
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z. B. in den Pfullinger Hallen — in diesen gan-
zen Jahrzehnten nur wenige Wandbilder: einige
Bilder von Hodler, die Heckeischen Bilder im Er-
furter Museum und vielleicht noch einige mehr
dekorative Arbeiten, bezeichnenderweise vor
allem in Mosaik.

Woran liegt das? Ist daran nur die Baukunst
schuld, die sich immer eindeutiger von allem
Schmuck der Wand fernhält und damit jedes
Bild, das Staffeleibild wie das Wandbild, so gut
wie unmöglich macht? Es ist zuzugeben, daß die
Tendenz zur glatten Wand — die übrigens be-
reits 1908 von Tessenow proklamiert worden
ist! — heute beinahe übermächtig ist. Jede Art
von rein dekorativer, nur von den „Bedürfnis-
sen des Auges'" diktierter Gliederung einer
Wand wird heute kaum ertragen. Mit „Puritanis-
mus" hat das wahrscheinlich gar nichts zu tun:
sonst wäre die heute auch bei sehr ernsthaften
Architekten beliebte Anwendung kostbarster Ma-
terialien nicht zu erklären. Vielmehr scheint es
so zu sein, daß man jede allzu enge und bewußte
Bindung an den Menschen als Beschauer ver-
meidet, den Bau lieber sozusagen aus seinen
eigenen inneren Gesetzen in seine Form wach-
sen läßt; weswegen ein „Ornament" höchstens
in der Form möglich ist, wie es die Natur selbst
in der Maserung kostbarer Hölzer oder Gesteins-
arten darbietet, oder vielleicht auch noch wie es
sich aus der Natur einer handwerklicher Tech-
nik (der Weberei, des Mosaik oder dergl.) schein-
bar von selbst entwickelt. So erklärt es sich, daß
eine Wandmalerei heute um so unerträglicher
wirkt, je mehr sie dem ornamental-dekorativen
Zweck im früheren Sinne gerecht wird. Zumal da
diese Ornamentik (im weitesten Sinne) heute
meistens nicht natürlich erfunden, sondern durch
einen „kunstgewerblichen" Mißbrauch ernsthaf-
tester Bildformen, Picassos etwa, gewonnen ist.
Und dabei wird deutlich, daß diese Gestaltungen,
so wie sie uns aus den Bildern der wirklich be-
deutenden Künstler unserer Tage entgegentre-
ten, deren persönlichstes Eigentum sind, mit dem
Geister kleineren Formats schlechterdings nichts
Gescheites anzufangen wissen.

Aber auch diejenigen, die über eine eigene
bildliche Sprache verfügen, leisten, wie alle bis-
herigen Erfahrungen (auch die der Bauausstel-
lung) beweisen, ihr bestes nicht auf der — so
sehr ersehnten — Wand. Vielleicht liegt das dar-
an, daß die Wandmalerei eine Arbeitsweise ver-
langt, die zu sehr abweicht von der Art, wie der
ernste Künstler in der Regel heute arbeitet. Die
meisten Bilder entstehen heute in einer mühe-
vollen Arbeit ewiger Versuche und Umgestaltun-
gen, gelingen halb in glücklichen Stunden, um

in weniger glücklichen wieder verdorben oder
zerstört zu werden und schließlich nach einem
leidensvollen Kampfe die endgültige Gestalt zu
erhalten. Die Wandmalerei verlangt ein Gelingen
auf einen Hieb, wenn auch nach langen und
schwierigen Vorarbeiten, — und an die Möglich-
keit dieses Gelingens scheint der Künstler heute
nur dann zu glauben, wenn er sein Ziel niedriger
als sonst steckt, das heißt, wenn er mehr oder
weniger freiwillig ins Dekorative abgleitet. Es
fehlt die absolute Sicherheit einer festgefügten
Formensprache, wie sie allen großen Wand-
malern früherer Epochen zur Verfügung stand,

— und es fehlt daneben auch die Sicherheit des
handwerklichen Könnens: die „Technik" wird zu
sehr nur als ein beliebig anzuwendendes Aus-
drucksmittel benutzt. Deshalb gelingen die
besten Leistungen immer noch da, wo, wie beim
Mosaik oder Sgraffito die Formensprache durch
die Technik weitgehend bestimmt ist.

Dazu kommt aber noch ein anderes: ein
Wandbild ist nicht nur ein künstlerisches Ge-
staltungsproblem, sondern es hat daneben auch
noch etwas zu „bedeuten". Es ist, wenn es über
das Dekorative hinausgeht, immer in irgendeinem
Sinne ein „Monument", das nicht nur über das
einzelne Kunstwerk, sondern über das ganze Ge-
biet der Kunst hinausgreift in ein allgemein
menschliches Bereich. Fast alles aber, was
heute an wirklich Bedeutendem gemalt wird, hat
seinen Sinn allein in der Problematik oder der
Vision des Künstlers. Es ist immer noch — we-
nigstens bei uns in Europa, nicht vielleicht im
neuen Rußland, in dem sich auch eine neue, sehr
primitive, aber echte Wandmalerei vorzubereiten
scheint! — so etwas wie „art pour Part". Man
kann das tausendmal verdammen, — immer wie-
der verlangt die Tatsache, daß noch heute und
trotz aller Bitternisse Künstler nur dieser Malerei
und ihrer Problematik leben, ihr Recht. Und von
da gibt es eben, wenn auch rein formal die Bin-
der immer mehr sich dem Freskostil nähern,
keine Brücke zur „Monumentalmalerei". Da müs-
sen erst die „Gegenstände" kommen, und zwar
solche Gegenstände, die ihre Symbolkraft aus
dem Boden gegenwärtigsten Lebens ziehen, —
wie es vielleicht in Rußland der Fall ist.

So ist die Situation einigermaßen paradox, und
wir alle, die wir einmal den Glauben an das „Staf-
feleibild" verloren hatten und alles Heil von der
„Wand" erwarteten, müssen vielleicht umlernen,

— wozu uns auch die Erfahrung auf der Bauaus-
stellung verhelfen kann: da kommt man mit sehr
gemischten Gefühlen aus dem Korridor, in dem
Bruno Paul durch eine Anzahl sehr ausgezeich-
neter Künstler hat Wände bemalen lassen, und

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