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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 6.1910

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Flamm, Hermann: Die Jahrmarkt-Inschrift in der Turmvorhalle des Freiburger Münsters
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https://doi.org/10.11588/diglit.2638#0057
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Kleine Mitteilungen und Anzeigen

51

Wir dun in auch die besunder gnad und friheide, das
sie [die von Freiburg] eins jeglichen jars in ... ir stat zwen
jarmerkte haben und halten sollen, den einen uf den nehsten
montag nach sant Niclaus kirxve zu Friburg, die da ist uf
den nehsten sontag nach sant Johannestag zu sundgiechten,
und den andern uf den nehsten zinstag nach allerheiligen-
tage, und sollend dieselben beide jaremerkte halten zu einer
jeglichen zit zwen tage aneinander mit soliciter friheide, das
dieselben zwen tag aneinander als dann zu einer jeglichen
zit der jarmarkte ist, und einen tage den nehsten davor
und einen tage den nehsten darnach niemand den andern
in der stat zu Friburg umb deheinerlei schulde haben noch
bekümmern sol in deheine wise1.

Mit dieser Verordnung, die von der Münster-
inschrift sich nur dadurch unterscheidet, dass sie die
Dauer der beiden Jahrmärkte auf „zwen tage aneinander"
bemisst, während die Inschrift noch augenfälliger
Montag und Dienstag, bzw. Dienstag und Mittwoch
ausdrücklich nennt, ergibt sich für unsere Inschrift
als die eine zeitliche Grenze das Jahr 1403; die
andere liefert die abermalige Verlegung der Jahr-
marktstermine am 22. August 1465 durch Kaiser
Friedrich III., der von Neustadt aus verordnete:

Als unsern und des reichs lieben getreuen, burger-
maister, rate, burger, hindersessen und der gemeinde gemein-
lich der statt zu Freyburg in dem Brißgowe under andern
iren freiheiten von unsern vorfarn am reiche, romischen
keisern und kunigen loblicher gedechtnus und von uns ge-
geben ist, in der benanten statt eins jeglichen jars zwen
jarmerkt, den einen auf den nehsten sonntag nach sant Jo-
hanns tag zu sonwenden und den andern auf den nehsten
zinstag nach aller heiligen tag zu haben, die si also bißher
haben gebrauchet und gehalten, daz wir denselben von Frey-
burg umb fleissiger bette irer erbern botschaft und redlicher
ursach willen, uns darzu bewegende und fürgehalten, dise
besonder gnad und freiheit getan, gegeben und verlihen haben,
also daz si für den gemelten einen jarmarkt, der gewesen ist
auf den sonntag nach sant Johannis tag zu sonwenden, nu
hinfür jerlich einen jarmarkt, nemlich auf den nechsten
freitag und sambstag aneinander nach unsers herren fron-
leichnamstag, haben und halten sollen und mögen mit solher
freiheit, daz dieselben zwen tag aneinander als der jarmarkt
ist, und einen tag den nechsten davor und einen tag den
nechsten darnach niemand den andern in der gemelten stat
zu Freyburg umb dheinerlai schuld aufhaben noch bekümbern
sol in dhein weise3.

Unsere Inschrift fällt also in die Zeit zwischen
1403 und 1465, natürlich jedenfalls weit eher an
den Anfang als an das Ende dieser Periode, denn
das Interesse, die beiden Jahrmarktstermine bekannt
zu geben, war 1403 oder kurz darauf am größten.
Auch der Charakter der etwas verwitterten Schrift,
die noch sehr erhebliche Ähnlichkeiten mit der be-
kannten Inschrift über die Grundsteinlegung des
Münsterchors im Jahre 1354 aufweist, passt am besten
für den Anfang des 15. Jahrhunderts und mag wegen
seiner zum Teil noch alten Formen Kempf und
Schuster* veranlasst haben, die Inschrift mit der
Jahrmarktsverleihung von König Wenzel, deren Daten



Schreiber a. a. O. 2, 179.
Schreiber a. a. O. 2, 489.
Das Freiburger Münster S. 55.

Schreiber' nicht mitteilt, in Zusammenhang zu bringen.
Schreiber" selbst verlegte unsere Inschrift in die Mitte
des 14.Jahrhunderts. Marmoti* entschied sich ohne
nähere Begrenzung nach dem Schriftcharakter für
das 15. Jahrhundert. Die richtige Datierung ist wohl
die auf 1403 oder die Zeit bald darnach.

Was nun die in der Inschrift erwähnte St. Ni-
kolauskirchweihe betrifft, so fällt sie nach der Ver-
ordnung des Königs Ruprecht auf den Sonntag nach
Johannistag (24. Juni). Auch die Aufzählung der
Bittgänge7 erwähnt den Kreuzgang „in dedicatione saneti
Nicolai" oder „uf sand Claus kilwie" zwischen Corporis
Christi und Visitationis Mariae (2. Juli), und in ge-
nauer Übereinstimmung mit den beiden Verordnungen
von 1403 und 1465 datiert das (Amt- und) Anniversar-
buch des Münsters (Bd. I Bl. 116): „Uf sant Claus kilwi
dominica post festum Johannis Baptiste." Auf Ende Juni

und Anfang juli weisen auch die Einträge der Hütten-
rechnungen des Freiburger Münsters. Die Rechnungen

vom Jahr 1505 * Z. B. erwähnen die „sant Niclaus kirch-
wiche" zwischen dem 27. Juni (in die Septem dormientium)

und dem 4. Juli (in die Udairici), die Rechnungen von

1507 zwischen dem 29. Juni (zinstag nach Johannis Bap-
tiste) und 18. Juli (suntag nach Margrete) die von 1508

zwischen dem 22. Juni (corporis Christi) und 1. Juli
(vigilia visitationis Marie) und endlich die Rechnungen
von 1510 zwischen dem 29. Juni (Petri et Pauli) und
dem 7. Juli (sontag nach Udairici). Ähnliche Beispiele
ließen sich aus den Hüttenrechnungen noch mehr
erbringen. Die stete Wiederholung der Bezeichnung
„kilwich" oder „dedicatio" und die Beweglichkeit des
auf einen Sonntag fallenden Festes weisen auf ein
tatsächliches Kirchweihfest hin. Für ausgeschlossen
muss es daher gelten, dass das Datum der „sant
Niclaus kilwich" das Fest Translationis Nicolai, der
9. Mai, sein könne. Als Nikolaus-Kirchweihfest
kann in Freiburg nur das der alten Nikolauskirche
in der Vorstadt Neuburg in Betracht kommen.
Dieses fiel also auf den Sonntag nach Johannistag
im Sommer, während die „grose kirwich" des Mün-
sters am fünften Sonntag nach Ostern, dem Sonntag
Vocem joeunditatis, gefeiert wurde, wie schon Mar-
mon9 nach einer Urkunde vom Jahre 1442 fest-
gestellt hat. Auch für diese letztere Fixierung liefern
die oben erwähnten Hüttenrechnungen einen weiteren
Beleg. Die Register von 1507 datieren nämlich
die Verrechnungen des Münsterschaffners mit dem
Meister und den Gesellen der Bauhütte nacheinander

1 Urkundenbuch 2, 24.

6 Das Münster zu Freiburg im Breisgau. Beilagen S. 10.
0 Unser Lieben Frauen Münster S. 19.

7 Vgl. diese Zeitschrift Jahrg. 2, 89.

H Im General-Landesarchiv zu Karlsruhe.
'■' A. a. O. S. 169.
 
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