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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 6.1910

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Flamm, Hermann: Die Jahrmarkt-Inschrift in der Turmvorhalle des Freiburger Münsters
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https://doi.org/10.11588/diglit.2638#0058
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Kleine Mitteilungen und Anzeigen

auf den 9. Mai (uf sambstag nach apparitionis sancti Michae-
lis), 16. Mai (uf sambstag vor der grosen kirwich) und
23. Mai (uf sambstag nach ascensionis domini). Die auf
diese drei Samstage folgenden Sonntage waren Can-
tate, Vocem jucunditatis und Exaudi. Dazu stimmt
es wiederum, wenn in der Reihe der Bittgänge1 der
Kreuzgang in dedicacene monasterü zwischen Ostern
und Christi Himmelfahrtstag, der zwischen Vocem
jucunditatis und Exaudi liegt, aufgezählt wird.

Auch das Wort „gevriet" unserer Inschrift bedarf
nach den oben mitgeteilten Urkunden König Wenzels,
Ruprechts und Friedrichs III. nicht mehr vieler Er-
klärung. Es bedeutet zweifellos „gefreit" und bezieht
sich sicher nicht nur, wie man nach den Quellen-
stellen allenfalls vermuten könnte, auf die Rechts-
garantien zum Schutze der Schuldner, sondern offen-
bar auf die Jahrmarktsfreiheit überhaupt. Diese
nahm nämlich im mittelalterlichen Wirtschaftsleben
eine wichtige Ausnahmestellung ein. Für das ganze
übrige Jahr, also auch namentlich für die Wochen-
märkte, war das gegenseitig abgrenzende Gewerbe-
recht der zünftlerischen Konkurrenzregulierung2 in
Kraft, die nach Möglichkeit auf Fernhaltung aus-
wärtiger Händler und gegenseitige Abgrenzung der
verschiedenen Gewerbe, Einschränkung der Gesellen-
zahl und Arbeitszeit, genaue Bemessung der Arbeits-
menge usw. abzielte. Es wurden also die fremden
Händler nur an gewissen Wochentagen und Stunden
zugelassen und im Verkauf auch sonst beschränkt;
auch zahlten sie höheren Zoll als die Bürger. Aber
auch die einheimischen Gewerbetreibenden waren
in ihrem Geschäftsbetrieb in der verschiedenartigsten
Weise eingeengt, damit jedem Bürger ein genau
umschriebenes Gebiet gewerblicher Tätigkeit ge-
sichert bliebe. Der Bäcker durfte nicht Müller und
dieser nicht Fruchthändler sein. Ebenso sollte der
Metzger weder Handel mit Vieh noch mit Häuten
treiben, der Schuhmacher durfte nicht auch Gerber
oder Lederhändler sein. Später gab es in dieser
Arbeitsteilung noch feinere Unterscheidungen. Die
Metzger schieden sich in Ochsen-, Rinder- und
Bratis- oder Kleinviehmetzger, die Bäcker in Feil-
bäcker, die Brot für den Verkauf am Markte bücken,
und in Hausführer, die nur das Backen des ihnen

1 Diese Zeitschrift Jahrg. 2, 89.

2 Vgl. über diesen Begriff mein Buch „Der wirtschaftliche
Niedergang von Freiburg i. Br. im 14. und 15. Jahrhundert".
Karlsruhe 1905 S. 81 f.

von den Kunden ins Haus gebrachten Brotes be-
sorgten. Um den Großbetrieb niederzuhalten, wurde
die Zahl der zulässigen Gesellen auf 2—3 oder 4
beschränkt und außerdem der Betriebsumfang des
einzelnen Geschäftes durch das Verbot, die nötigen
Rohstoffe im großen, etwa über einen Zentner oder
in erheblicher Zahl einzukaufen, in mittleren Grenzen
gehalten, die nur bei außerordentlichen Anlässen,
z. B. während des Freiburger Reichstages von 1498,
zeitweilig überschritten werden durften. Selbst vor
dem anscheinend rein persönlichen Gebiete der
künstlerischen Betätigung machte dieses System der
Konkurrenzregulierung nicht Halt, wenn auch hier
diese Ideen vielleicht etwas später und nicht gleich
durchgreifend wie in den Handwerken zum Sieg
gelangten. Der Bildhauer sollte nicht Maler sein,
der Maler nicht Stecher, dieser nicht Goldschmied
usw. usw. In Holland durfte seit dem Ende des
17. Jahrhunderts der Landschaftsmaler nicht auch
Porträts in Auftrag nehmen und umgekehrt, ja schon
im 15. Jahrhundert war nach dem geltenden Gewerbe-
recht bei Herstellung von Schnitzaltären die Lieferung
des Figürlichen, des Laubwerkschmucks und die
Fassung des Altars von Rechts wegen verschiedenen
Meistern vorbehalten.

In seinen äußersten Konsequenzen ist dieses
System der Arbeits- und Absatzteilung wohl nie und
in keiner Stadt verwirklicht worden. Schon die
natürlichen Verhältnisse zwangen zu mancherlei Mil-
derungen, weil eben keine Stadt wirtschaftlich sich
ganz und gar selbst genügen und abschließen konnte.
Eine wichtige Durchbrechung des herrschenden
Gewerberechts bildeten namentlich die Jahrmärkte,
während deren Dauer manche der genannten Be-
schränkungen gelockert oder sogar ganz aufgehoben
wurden. Wichtig war namentlich, dass der fremde
Kaufmann, der heute noch ungern gesehene Mess-
händler, auf den Jahrmärkten Handelsfreiheit hatte.
Dies alles ist in kurzen Sätzen der Sinn des Wortes

„gevriet".

Eine nähere Beziehung unserer Inschrift zur
Baugeschichte des Münsters liegt also in keiner
Weise vor. Dafür steht sie aber in engstem Zu-
sammenhang mit dem gewerblichen Leben unserer
Stadt, und sollte je das Thema behandelt werden,
welche Rolle dem Münster im Freiburger Volks-
leben zukam, so wäre sie wiederum nicht ohne wich-
tige Bedeutung.
 
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