Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 13.1917

DOI Artikel:
Kempf, Friedrich: Heimsuchungen und Schicksale des Freiburger Münsters in Kriegsnot, durch Menschenhand und Feuersgefahr: II. Durch Menschenhand
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2399#0023
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kempf, Heimsuchungen und Schicksale des Freiburger Münsters in Kriegsnot, durch Menschenhand und Feuersgefahr 19

Sinn für das Bauwesen zeigte, einen eifrigen und
tatkräftigen Vertreter. Als enthusiastischer Verehrer
der neuen Kunst hat er es verstanden, für seine
Ziele Begeisterung einzuflößen. Durch ihn sind die
drei Säulen vor dem Hauptportal im Jahre 1719 er-
richtet worden. Im gleichen Jahre sollten sechs neue
Altäre an den Mittelschiffspfeilern aufgestellt werden,
in welcher Angelegenheit Rieher selbst genauere,
früher schon erörterte Vorschläge machte'.

Diesen, in
schwerstem Barock
gehaltenen Altären
war, wie wir bald
sehen werden, lange
Lebensdauer nicht
beschieden.

Rieher hatte
auch einen Vor-
schlag für die Aus-
führung eines Lett-
ners, bezw. einer
Orgelempore ge-
macht, die hinten
über dem Haupt-
eingang unter dem
St. Michael geplant
war und wofür er
ein Modell ange-
fertigt hatte. Außer
den zwei quadra-
tischen, steinernen
Säulen auf steiner-
nem Fuße war der
Aufbau völlig in
Holzgedacht, „letz-
teres würd alles ver-
gibst, das man keine
Zoll breit Holz daran
sehen kann. Der
neue Letner wird
aus einer Steinarf
gemacht, wie es an-
jetzobei kaiserlichen

königlichen und fürstlichen Höfen der Brauch ist." Das
sog. Schwalbennest im Langschiff, das er ein „hilzes
Gelechter" nennt, sollte preisgegeben und die Orgel
dahin versetzt werden. Er sagt dann weiter: „die sechs
neuen Altäre haben, glaube wohl, das Münster wenig
gekostet ohne die zwei Gemahl, und wan alsdann, der
es erleben wird, daß der steinerne vordere Letner
in der Mitten auch eröffnet würde2, wie das Dessin

Abbild. 11. Grafen-Kapelle, ehemaliger Ölberg, von Jörg Kempf 1557.

1 Stadtarchiv: Kirchensachen, Münster, Bauherstellungen
und Verschönerung des Münsters im Äußern und Innern 1704
bis 1864 II; vgl. auch Münsterblätter 3, 83 f.

" Daraus dürfte doch zu schließen sein; dass der von
Altermadt 1666 projektierte Umbau des Bdringerschen Lettners

und Riß ausweist3, was gibt das in das Chor gegen den
hohen Altar hinauf für ein schöner Prospekt, besonders
wann die schon angefangenen Capell ' in der Höhe auch
gemacht wirde, so vil nit wüssen, verstehen und er-
kennen, das ein Capell ob dem Letner angefangen und
nit ausgemacht worden".

Wir sehen, dass, wenn Rieher die nötigen Mittel
zur Verfügung gehabt hätte, er mit unbezähmbarer
Lust das Münster in seinem Sinne verändert, d. h.
barockisiert haben würde. Aber damals war die

Fabrik noch mit
der Bezahlung von

Kriegskontribu-
tionen (Glocken-
geldern) so stark in
Anspruch genom-
men, dass nicht
einmal alle Bene-
fizien besetzt wer-
den konnten. Er
selbst meinte des-
halb „die erman-
gelnde Priester-
schaft aber finde ich
nötiger zuvor zu er-
setzen, als ein
schöne Kirch haben
und keine Priester-
schaft."

Um noch zu
zeigen, welche Blü-
ten die zweifelhafte
Geschmacksrich-
tung jener Zeit ge-
trieben hat, ist dar-
auf hinzuweisen,
dass wiederholt,
das erstemal im
Jahre 1770, anläss-
lich der Anwesen-
heit der Erzherzo-
gin Marie Antonie
vor ihrem unheil-
vollen Betreten des
französischen Bodens, der schöne rote Sandstein im
Innern des ehrwürdigen Münsters vollständig durch
graue Tünche verhüllt wurde. Man kann sich vor-
stellen, in welch schreiendem Missklang dieser An-
nich t zur Ausführung gelangt ist. Vgl. Münsterblätter 5, 63.
Übrigens dürfte dies auch aus folgender Bemerkung im Proto-
koll von 1666 November 19 hervorgehen: „Wegen Veränderung
des lettners im Münster ist zwar geredet worden, weil aber
Jacob Altermadt nit mit seinem Vorschlag gefaßt, also ist's ein-
gestellt."

a Siehe Münsterblätter 2, 45.

' Was es damit für eine Bewandtnis haben mag, ist uns
unklar.
 
Annotationen