Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 13.1917

DOI Artikel:
Kempf, Friedrich: Heimsuchungen und Schicksale des Freiburger Münsters in Kriegsnot, durch Menschenhand und Feuersgefahr: II. Durch Menschenhand
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2399#0034
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
30

Kempf, Heimsuchungen und Schicksale des Freiburger Münsters in Kriegsnot, durch Menschenhand und Feuersgefahr

Münster zur Zierde und unserer Zeit zum Ruhme!
Der Vergessenheit entrissen und im Sinne ihrer
Entstehungszeit und wahrer Denkmalpflege wieder zu
farbenfroher Wirkung gebracht, erweisen sich diese
vortrefflichen Ausstattungsstücke, die zu den schön-
sten und größten im Münster gehören, in Form-
und Farbgebung ohne Frage als vorbildlich. Wir
wollen hoffen, daß sie für alle Zeiten in ihrem Be-
stände und an ihrem Orte gesichert bleiben.

Mit den besprochenen drei Epitaphien wurde
infolge unserer Anregung, eine Anzahl von Ge-
mälden aus dem 17. und 18. Jahrhundert von
unterschiedlichem Kunstwerte, die auf dem Spei-
cher der Domkustodie verwahrt waren, nach vor-
heriger sorgfältiger und gewissenhafter Wiederher-
stellung dem Münster im Jahre 1912 zurückgegeben.
Wie jene, sind auch diese in puristisch gesinnter
Zeit, ohne Grund und Zweck, aus dem Münster be-
seitigt worden. Sie tragen heute wieder zur Erhöhung
der weihevollen Stimmung des Innern bei und ziehen
die Aufmerksamkeit jedes Kunstfreundes auf sich.

Mit den vielen, dem frommen Gedächtnis früherer
Freiburger Bürger und Bewohner gewidmeten Grab-
platten, die einst den ganzen Boden des Lang-
hauses1 bedeckten, auch da, wo sich heute das Ge-
stühl befindet, ist schon lange gründlich aufgeräumt.
Man hat sie aus den geweihten Räumen entfernt, als
vom Jahre 1819 an der jetzige, aus quadratischen
roten Sandstein- und gelben Kalksteinplatten be-
stehende Belag hergestellt wurde. Schon zu Anfang
des 14. Jahrhunderts haben im Langhaus des Münsters
Beisetzungen2 stattgefunden. Man darf annehmen,
daß unter den zahlreichen Grabplatten viele alte,
künstlerisch und geschichtlich wertvolle Stücke sich
befanden. Es ist möglich, daß schon 1667, anläßlich
der Bestuhlung im Langhaus, „als die pfleger der hütte
alle grab- und andere stein im münster haben glat und

sowie der Münsterbauverein die erforderlichen Mittel. Es muss
anerkannt werden, daß ersterer, trotz seiner unzulänglichen
Geldmittel, es nicht an Aufmerksamkeit und Sorgfalt fehlen
läßt, das Kircheninnere seiner Würde entsprechend zu ver-
schönern. Sein kunstverständiger Vorsitzender, Dompfarrer
Konstantin Brettle, ist eifrig bemüht, die künstlerisch und
kunstgeschichtlich interessante und wertvolle Ausstattung, so-
weit sie früher eine etwas stiefmütterliche Pflege erfahren hat,
sachgemäß zu erhalten und, wo erforderlich, mit Hilfe des
Münsterbauvereins, wieder instandsetzen zu lassen. Dies ge-
schieht jeweils dann, wenn es sich um unmittelbar ins.Gebiet
der Denkmalpflege fallende Fragen handelt. Denn, obliegt auch
das Innere mit seinem Inventar nicht der Sorge und Pflege
des Vereins, so macht sich derselbe die Gesinnungen und Ab-
sichten des Stiftungsrats zu den seinigen und ist immer gern
bereit, ihm auf Wunsch beratend, helfend und fördernd an die
Hand zu gehen.

1 Vgl. Münsterblätter 8, 2.

2 Vgl. Münsterblätter 7, 27. Im Jahre 1763 war die Taxe
für ein Begräbnis im Langhaus 20 /(, im Kreuzgang 30 fl, im
oberen Chor 60 fl, im Kreuzgang-Chörli 42 fl.

eben legen lassen"3, ein Teil der Platten entfernt und
vernichtet oder verschleppt worden ist; in erster
Reihe werden davon wohl die stark erhaben gear-
beiteten betroffen worden sein. Die Grabplatten vom
Hochchor gingen schon 1791 bei der Tieferlegung
des Bodens verloren4. Welches Los sich all diese
zahlreichen und interessanten ehrwürdigen Zeugen
aus der Vergangenheit gefallen lassen mussten, ist
nicht bekannt. Ihre Preisgabe, die nur aus Gedanken-
losigkeit erfolgt sein kann, ist eine leichtfertige Ver-
letzung der Pietät gegen die Vorfahren.

Die Renaissancevorhalle vor dem süd-
lichen Querhausarm von Michael Glück aus dem
Jahre 1620 war natürlich für die in den Anschau-
ungen von Stileinheit und Stilreinheit befangene Zeit
ein nicht mehr gern gesehener Bauteil. In jenen Tagen,
da man glaubte, „alles wieder mit dem Alten in Einklang
setzen und alles ängstlich vermeiden zu müssen, was
sich mit dem Grundcharakter des Werkes und der von
dem Schöpfer in dasselbe gelegten Stimmung nicht ver-
trägt", herrschte öfters die Neigung, die Halle ab-
zubrechen. So wird in einem Schreiben der Großh.
Bezirksbauinspektion an das Stadtamt Freiburg vom
18. Juli 1838 gesagt: „Da es schon längst beschlossen
ist, das südliche Portal an der hiesigen Münsterkirche,
welches mit dem übrigen Bau durchaus nicht harmo-
niert, wegzubrechen, so muß man dem Vorschlag der
Münsterfabrik-Verwaltung, den Boden unter diesem
Portal nur längs der Kirche mit Platten zu belegen,
den übrigen Raum aber zu pflastern, als ganz sachgemäß
beistimmen. Dieses Portal kann als nichts weiter an-
gesehen werden, als wie eine einstweilen noch bestehende
bedeckte Anfahrt und daß diese gepflastert wird, darin
wird man keinen Mißstand sehen können." Und in
einem Bericht über die Restauration des Münsters
vom 24. Januar 1863 heißt es: „Man hat schon öfter
die Ansicht ausgesprochen, daß dieser Anbau aus dem
17. Jahrhundert als nicht mehr dem mittelalterlichen
Stile angehörend, um vollständig stylgerecht zu restau-
rieren, entfernt werden sollte. In diesem Sinne ge-
nommen und um die jetzt verdeckte Giebelansteigung
des romanischen Portals" wieder bloszulegen, müsste
man der Abtragung das Wort reden, besonders wenn
in Aussicht stünde, die Halle nach Abbruch der Haupt-
wache und des Domkustos' Vordergebäude mit Öffnung
einer breiten Straße gegenüber, etwa als Ehrenhalle
wohltätiger Stifter der Stadt, wieder aufzurichten und
somit dieses nicht uninteressante Bauwerk erhalten zu
können.""

Auch die drei figurengekrönten Säulen vor
dem Hauptportal aus dem Jahre 1719 wurden als
ein Übelstand empfunden. Unterm 8. November
1844 bittet die Bauverwaltung den Gemeinderat um
ihre Entfernung, da der für sich schon enge Markt-

3 Vgl. Münsterblätter 7, 29.

4 Vgl. Münsterblätter 8, 2.

5 Siehe Abbild. 10.

0 Es bestand damals die Absicht, nach der Herrenstraße
zu das Münster freizulegen.
 
Annotationen