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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Editor]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 13.1917

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Kempf, Friedrich: Heimsuchungen und Schicksale des Freiburger Münsters in Kriegsnot, durch Menschenhand und Feuersgefahr: II. Durch Menschenhand
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https://doi.org/10.11588/diglit.2399#0038
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34 Kempf, Heimsuchungen und Schicksale des Freiburger Münsters in Kriegsnot, durch Menschenhand und Feuersgefahr

faandene Kreuz, welches den nördlichen Querhaus- wand wurde auch ein altes Gemälde bloßgelegt1.

giebel bekrönte (Abbild. 23), mit dem jetzigen, im
Jahre 1873 erneuerten (Abbild. 24) vergleicht. Weiter-
hin wurde ins Auge gefaßt, die Seitenschiffdächer neu
zu decken, bei etwas flacherer Neigung mit rautenför-
migen Steinplatten von dünnem Sandstein. Geplant
war ferner, die noch fehlenden Strebepfeileraufsätze
am Chor nachzuholen und die in den Jahren 1844
bis 1855 ausgeführten Pfeileraufsätze mit Figuren zu
schmücken; die „Beseitigung der" oben betrachteten,
„stilwidrig geformten, 1757—1786 gefertigten Spitz-
pfeiler (Abbild. 20), zum Teil der Geländer, und Ersetzen
dieser in den feinen Formungen der Steinhauer aus der
Gmünder Schule". In der Turmvorhalle wollte man
den architektonischen und figürlichen Schmuck von
den Resten der Tünche befreien und die Wand- und
Gewölbeflächen mit Freskobildern neu bemalen. Im
Hinblick auf die oben gekennzeichneten Ausführun-
gen jener Zeit darf es als ein Glück angesehen wer-
den, daß es bei dem bloßen Vorhaben geblieben ist.

Im Jahre 1866 wurde, nachdem es schon drei
Jahre vorher von der Bauleitung geschehen war, von
der Pfarr- und Kirchen-Stiftungs-Kommission ange-
regt, „daß nach dem Vorgang vieler anderer Kirchen,
namentlich längs des Rheins hinab, auch in der Dom-
und Pfarrkirche die ihr keineswegs zur Zierde dienende
graue Tünche abgenommen werden möchte". Der An-
fang mit der Entfernung der Kalktünche von
den Wänden, Pfeilern und Gewölben ist in der
Grafen-Kapelle gemacht worden; sie wurde in der
Universitäts-Kapelle fortgesetzt, deren Altargemälde
von Hans Holbein d. J. durch Maler Sebastian Luz
gleichzeitig (1866) restauriert wurden. Hier hatte man
auch einen nicht geglückten Versuch gewagt, die
Gewölbekappen vollständig mit farbigen Ornamenten
zu schmücken. Von dieser Kapelle kam das Gerüst
zum gleichen Zweck in die Stürtzel- und dann in
die übrigen Kapellen des Chorumgangs. Nur sehr
langsam konnte das begonnene Werk fortgeführt
werden, weshalb die Gerüste lange Zeit nicht aus
dem Münster verschwinden wollten.

Im Jahre 1873 wurde das Langschiff eingerüstet,
um hier mit der Beseitigung der Tünche fortzu-
fahren. Man stellte sich zugleich die Aufgabe, die
skulptierten Schlußsteine der Gewölbe neu zu fassen
und die in ihrer Umgebung angebrachten, nach der
Abkalkung bruchstückweise wieder zum Vorschein
gekommenen alten Gewölbedekorationen zu erneuern.
Leider hat man sich bei diesen Erneuerungen nicht
streng an die vorhandenen Anhaltspunkte gehalten.
Ihre Zeichnung ist mehr oder weniger aus dem
Empfinden der Zeit heraus entworfen, denn so, wie
jetzt, sahen die alten Ornamente sicherlich nicht aus.
Bei der Abnahme der Tünche an der Triumphbogen-

All diese Herstellungen kamen, wie schon angedeutet
stufenweise, je nach dem Stande der verfügbaren
Geldmittel, unter der kunstverständigen Leitung des
um die Verschönerung und innere Ausstattung des
Münsters verdienten Domkapitulars Joseph Marmon
zur Ausführung. Nach ihm haben die Münsterpfarrer
und Domkapitulare Rud. Behrle und Fr. J. Knecht
der derzeitige Weihbischof, die Arbeiten tatkräftigst
gefördert. In der St. Alexander-Kapelle erfolgte die
Abnahme der Tünche erst im Jahre 1881; die Ka-
pellewurde auf Anregung des damaligen Domkustos
Karl Mayer im Jahre 1884 einer umfassenden Wieder-
herstellung unterzogen. Es ist hier festzustellen, daß
man bei der Enttünchung im Innern teilweise in
derselben inkorrekten Weise verfahren ist, wie am
Äußern bei der Giebelfront des südlichen Quer-
schiffs, d. h. man hat das Steinwerk ganz neu auf-
gestockt. So beispielsweise in der zuerst enttünchten
Universitäts-Kapelle. Später ist man von dieser
Neubearbeitung des Quaderwerks, offenbar aus dem
Grunde, abgekommen, weil man die Erfahrung machte,
daß durch einfaches Abwaschen der Tünche das
gleiche Ergebnis erreicht wurde, und daß sich dieses
Verfahren als das weniger kostspielige herausstellte.
Die Art der Behandlung des Steinwerks, wie sie da-
mals beliebt war, entspricht weder dem alten hand-
werklichen Gebrauch noch unseren heutigen Schön-
heitsbegriffen. Durch die wüsten Zementergänzungen
bei der Ausbesserung schadhafter Stellen und das
Ausfugen mit gefärbtem Zement, hat das Innere ein
unruhiges, scheckiges Aussehen erhalten. Hinsicht-
lich der Ausfugung sagte Cuypers in seinem oben
erwähnten Gutachten sehr zutreffend: „. . . es wäre
der Natur der Sache, wie dem von den Alten hierin
durchweg befolgten Verfahren entsprechend gewesen,
die Mörtelfugen weiß aufzuziehen, statt rot, wie es
jetzt geschehen". Es läßt sich nicht leugnen: die
Raumwitkung des Innern würde erheblich lebendiger,
ansprechender und malerischer geworden sein, wenn
in dieser Weise das Steinwerk behandelt worden
wäre.

Im Jahre 1880 erhielt der Stamm des schönen
Röhrenbrunnens hinter dem Hochaltar aus dem
Jahre 1511'2 einen neuen Aufsatz, den eine zu kleine
Engelsstatue bekrönte (Abbild. 25 und 26). Er erwies
sich aber als eine stilistisch verfehlte, ganz modern an-
mutende Erneuerung, die mit der ganzen Erscheinung
des Brunnens nicht harmoniene. Den Grund, warum
des geschah, ob der alte Abschluß nicht mehr vor-

1 Vgl. darüber un=eren Aufsatz Münsterblätter 10, 1.

2 Ein „Meister Theodosius" fertigte die Steinmetzarbeit,
während ein „bildhouwerlin in der Augustinergassen" die Bild-
hauerarbeiten zu diesem Brunnen ausgeführt hat.
 
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