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Verein zur Förderung des Fremdenverkehrs für Heidelberg und Umgebung [Editor]
Heidelberger Fremdenblatt: Stadt-Anzeiger ; amtliche Fremdenliste — 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.30255#0029
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lti'SLbeiii^ xvKki'enä äsi' /VIoiiLls Nsi bis einscküessiicli Zeplember >vöLbeiitiick 6msi, ist in siien Qsstböken unä pensionsn, Kuffeebüusei'n uucl XViitscbafteii vei'breitet, cbsiih sis uus-
scbiiessücbes smtücbes proZrumm für cüs Kon^srte äes stuätiscben Orcbesters unci iisZt in äen Ksse^immern rubireicber Kurorts, uusvürtizten IZubnboisv/iitscbniien unä Onstböksn
unä sonstiLsu Kremäenuukentbsitsorten uuk. — 6 s 2 u 8 8 P r ei s kür äie Agii^e Krsckeinunxsrsit mit ^usteiiung kVik. 3.— Ourcb äie Uost bsrogen iVUc. 3.— uusscbüsssiicb IZssteÜLsiä.

vVnreixen 20 ?ksnnix äis secksLespsiteus petitreüs oäer äeren Knum. 6ei Wieäerboiunxen numbakter biucbiuss.

Nr. 8.

Mrmlag, 10. Mal

1S09.

Nur ein Zufall.

Skizze von E. Fahrow.

(Nachdruck verboten.)

— Herr Heinz Beier stand vor dem Kiichenherd und
bemühte sich, ganz allein ein wenig Wasser zum Kochen
zu bringen; denn es war Mitternacht vorbei, uitd er war
soeben erst aus der Stadt zurückgekommen und wollte zu
so später Stunde weder das Mädchen noch seine Frau mehr
bemühen.

Jrgend etwas mußte mit deM Gaskocher los sein, er
funktionierte nicht, obwohl der Haupthahn doch auf war.
Endlich warf Herr Beier das siebzehnte Streichholz, das
er umsonst über die Oeffnung gehalten hatte, mit einer
nicht ganz tugendhaften Aeuherung in den Mülleimer
und machte sich nun daran, ein „richtiges" Feuer in dem
Herde zu entfachen.

Das mußte ja ganz leicht sein. Wie oft hatte er auf
dem Felde und im Gebirge so ein nettes, kleines Holz-
feuerchen angezündet!

Sorgsam nahm der Herr des Hauses einige Ringe ab,
legte ein wenig Holz hübsch quer übereinander und wollte
es entzünden, aber — merkwürdig, es ging wieder nicht.

Das Holz mußte also feucht sein! — Ein wenig Pa-
pier fand sich vielleicht — dort lagen ja überhaupt schon
kleine Papierfetzen auf der Herdplatte; offenbar mußten
auch andere Leute mit dergleichen nachhelfen!

Heinz blickte Plötzlich starr auf die kleinen Fetzchen,
die da so harmlos verweht in der Ecke der Herdplatte
lagen. — Sie waren beschrieben — er sah, daß es die
Handschrift seiner Frau war.

Herr Beier war sonst durchaus nicht neugierig —
welcher Herr wäre das jemals — aber man muß zugeben,
daß es doch nur durchaus natürlich war, wenn man solch
einen beschriebenen Papierfetzen umdrehte und las.

Nur zwei Worte waren, in der grotzen, steilen Hand-
schrift seiner Trude — und diese Worte lauteten „e i n z i-
ger, geliebter . . ."

Finster und finsterer wurde Heinz Beiers Stirn. Jhm
war es, als stehe ein Heer kichernder Kobolde hinter ihm
— nein, eine ganze Armee von Dämonen!

Was bedeutete das?

Entsetzliche Entdeckung! — Da hatte er ja endlich
einen Beweis für seinen schon so lange gehegten Verdacht,
daß Trude ihn — betrog!

Ha, und wie hatte sie stets über seine so „ganz un-
begründete Eifersucht" geklagt! Wie oft ihm erklärt, daß
nur ein mißtrauischer Mensch eifersüchtig sein könne!

Und er hatte sich bezwungen (meinte er), hatte nichts
mehr merken lassen von seiner kleinen Schwäche, — beson-
ders seit diese unangenehme Hete Vortram drüben in der
Villa wohnte. Denn diese unangenehme Freundin hatte so
ein fatales, ironisches Lächeln für ihn gehabt — Gott, was
sollte man dcnn von einer so verblühten, sitzengebliebenen
Jungfrau auch viel Liebenswürdigkeit erwarten!

Und nun — nun hielt er den fürchterlichen Beweis
in Händen — wer war dieser „einzige — geliebte —"?
Himmeldonnerwetter, warum mußte aber auch gerade an
dieser Stelle das Papier abgerissen sein, wo nun der
Name dieses Elenden gestanden hatte?

Ohne Entfaltung irgend welcher Würde beugte sich
Heinz über das Feuerloch und stocherte in der Asche
herum. —

Dort schien ihm noch ein Blättchen unverbranntes
Papier zu liegen — er pustete hinein und fuhr gleich
darauf aufgebracht zurück, denn die Asche hatte die Frech-
heit, ihm ins Gesicht zu fliegen.

Nein, es war nichts mehr daraus zu erkennen.

Aber genügte denn etwa dieser eine Fetzen nicht?

Herr Beier nahm das ominöse Fetzchen und stellte sich
damit dicht an die Lampe. — Kein Zweifel, es war das
dicke, matte Briefpapier, das Trude benützte — er selbst
hatte es der Falschen geschenkt! Und es war ihre Hand-
schrift, welche hingeschrieben hatte „einziger geliebter . ."

Die Stirn des Lesenden glich jetzt einem Gewitterhim-
mel. Hatte er es nicht immer gesagt, daß Weibertreue
nicht existierte? — Natürlich hatte er das ja eigentlich
nicht so ernst gemeint — nein, im Gegenteil! Ein wenig
Neckerei und Renommage war wohl dabei gewesen — es
konnte nichts schaden, wenn Trude und ihre Freundin

dachten, er sei früher ein so ausgepichter Schwerenöter
gewesen, der das weibliche Geschlecht nach allen Richtungen
hin studiert und seine mißtrauische Meinung über dieses
aus gründlicher Erfahrung gebildet hatte. —

Aber seine Trude — wer hätte das gedacht!

Sie schrieb Briefe an einen andern — nannte ihn mit
den zärtlichsten Namen — o, wer, wer war- Va der Räuber
seiner Ehre?

Ein leises Lächeln weckte Heinz aus seinem finsteren
Brüten. — Trude stand im Negligee in der Küchentür
und blickte zu ihm hin, der da mit der Faust am Kinn
neben der Lampe stand und nachdachte.

„Na, Männe?" rief sie fröhlich. „Was in aller Welt
treibst Du denn hier? Jch höre Dich schon seit einer lan-
gen Weile hier rumoren — wolltest Dir noch einen Schlaf-
trunk brauen? Aber das brauchst Du garnicht, ich habe
schon alles iin Speisezimmer zurechtgestellt, heiß Wasser
und den Teekessel und Ruhm. — Eigentlich solltest Du
nichts mehr trinken, wenn Du von Dsiner Mittwochs-
sitzung kommst! Aber ich kenne ja Deine kleinen Schwä-
chen und habe also vorgesorgt . . ."

Endlich hielt sie verwundert in ihrem Plaudern inne.
— Heinz hatte ihr einen wahrhaft niederschmetternden
Blick zugeworfen und schnaubte sie jetzt an:

„Jch danke! Jch brauche Deinen Nachttrunk nicht!"

„Nanu? Was ist denn los, Heinz? Und warum sagst
Du mir eigentlich nicht Gutenabend, Heinzemännchen?
Und was machst Du überhaupt für ein Gesicht?"

Er sah sie an, deren rosiges Gesichtchen über den
Stickereikrausen so lieblich zu ihm hinlächelte, und wieder
wie so oft fühlte er sein Mißtrauen schwinden. — Wer
weiß, vielleicht war doch dieser Zettel — man konnte ja
nicht wissen, ob an dieser Stelle gerade die Ueberschrift
gestanden hatte. — Jedenfalls sollte Trude nichts mer-
ken — war.sie schuldig, so sollte sie sich noch in ihrer
schändlichen Sicherheit weiterwiegen, bis er sie völlig ent-
larven konnte. — War sie aber unschuldig, nun so durfte
sie ja erst recht nicht merken, daß ihn schon wieder die
Geister der Eifersucht gepackt hatten.

„Warst Du heute allein?" fragte er schon etwas
freundlicher, indem er mit ihr hineinging in das gemllt-
liche Speisezimmer.

„Ja, natürlich, Du weißt ja, wie selten :ch hier Be-
such bekomme, in diesem entlegenen Vorort. — Nur
Hete war da. — Jch habe gestrickt und Briefe geschriebsn
und mich gefreut, dah ich lebe."

Sie lachte, wie sie nur lachen konnw, so guelloer-
gnügr. — Heinz lachte mit — eigentlich war das recht
charakterlos, aber er konnte sich nicht helfen.

Am nächsten Morgen suhr er etwas srüher als sonst
zur Stadt; erstwrkündete dabei, daß er auch später zurück-
kommen werde. — Wie ein schwarzer Jntrigant beschlvß
er aber dabei im Stillen, erst recht früher zurückzukehren.
Vielleicht — vielleicht . . .

Als er um fünf Uhr ganz leise seine Korridortür auf-
schloß, hörte er im ganzen Hause keinen Laut. Eins selt-
same Stille herrschte überall — Trude war iooht ausge-
gangen. — Ja, er überzeugte sich, datz ihr Hut fehlte,
ebenso ihr leichter Mantel. —

Das Dienstmädchen schien ihm verlegen zu lacheln,
als er fragte, wohin denn die gnädige Frau gegangen iei.

„Das weiß ich nicht", sagte sie schüchtern, „aüer die
gnädige Frau sagte, es sei sicher, daß der Herr heute erst
später käme."

„Aha", dachte der gekränkte Ehemann, „ganz, wie ich
es annahm! — Nun, ich werde ja sehen, ob ich noch mchr
Anhaltspunkte für meinen leider seit gestern so begrün-
deten Verdacht finde!"

Er ging in den Salon, wo er stracks, wie yingeführt
durch eine unsichtbare Macht, zu dem Schreibtisch schritt,
diesem zierlichen Tische aus Zitronenholz, wo seine Trude
ihre Haushaltungsbücher zu schreiben Pflegte. — Wie ost
hatte sie gesagt, daß sie Briefe ungern schriebe! Die
Heuchlerin!

„Es ist ja eine Gemeinheit von mir", murmelte
Heinz, während er sich auf Trudes Schreibsessel niederließ,
„aber die Weiber treiben einen ja stets selbst in alle Ge-
meinheiten hinein! Jetzt werde ich zum ersten Mal in
meinem Leben spionieren! Allein es muß sein — Klarheit
und Wahrheit vor alleni!"

Und mit mannhaft geschwellter Brust stöberte Heinz
zunüchst in Trudes Schreibmappe herum. — Er entdeckte
freilich nichts — nichts bis auf ei» ziemlich frisches Lösch-
blatt, auf dem einige Zeilen abgedruckt waren.

„Ha!" stieß Heinz heraus. — Und dann sprang er
auf, das Löschblatt in der Hand und eilte damit zum
Spiegel. — Er wollte die schrägen Schristzüge entzifsern,
die ihm vielleicht den heißersehnten Äufschluß geben
Würden.

Sträubte sich nicht sein Haar? Knirschten nicht seine
Zähne? —

Klar und deutlich las er im Spiegel:

„Daß dieser gute Heinz ein Mann ist, der seine Frau
nicht verdient, das weiß ich längst ..."

Dan» kam einiges unleserliches Durcheinander, und zu-
letzt fand sich in grausamer Klarheit der Name „Erwin".

— Nicht genug daran, es stand da sogar gauz deutlich
„liebster Erwin".

Kochend, buchstäblich weißglühend vor Zorn steckt Herr
Beier das Löschblatt in seine Brieftasche. — Und dann
fuhr er in seinem schmachvollen Werke fort — er nahm
sein Schlüsselbund heraus und schloß damit miihelos die
Schreibtischschublade auf.

Da lag zu oberst eine zierliche Seidenstickerei, die sein
Monogramm enthielt. — Mit einem verächtlichen Pusten
schob er sie beiseite. Und siehe da, dort lag wieder ein-
interesscmter Brief; aber diesmal einer mit einer unbe-
kannten Handschrift. — Und dieser lautete ganz' geschäfts-
mäßig:

„Leider kann ich Dir über den gewünschten Gegen-
stand keine bessere Auskunft geben — er kostet nach wie
vor gegen dreitausend Mark. — Jch finde nun allerdings,
daß dieses alte Ekel von Beier seiner reizenden Frau
diesen Wunsch erfüllen könnte, denn Geld genug hat er,
das wissen wir hier in Geschäftskreisen. Doch kommt
Zeit, kommt Rat, vielleicht rennt sie ihm einmal davon,
und dann wird er endlich zur Besinnung kommen! Jhr
Frauen scid doch ünmer am vcrkehrten Ende energisch!

— Grüße Deine Freundin von mir und sage ihr, Auto-
mobile auch der kleinsten Art seien eben teure Gegsn-

stände. — „Dein getreuer-O Tücke — der Name

war unleserlich — unmöglich konnte es doch heißen, Dein
Dicker?" So etwas schrieb doch nie im Leben ein Lieb-
haber — aber überhaupt — dieser ganze Brief konnte doch
nicht an Trude gerichtet sein!

Der Schweiß brach Heinz aus, er wußte nicht mehr,
was er denken sollte. — Mit zitternden Händen kramte
er weiter. Und diesmal fand er einen angefangenen
Brief, der unzweifelhaft von Trudes Hand herrührte.

„Ach, wie veränderte sich da anf einmal das böse Ge-
sicht!

Dieser Brief — was enthielt er denn, daß Hans Beier
auf einmal strahlend aufsprang, die Schublade zuschloß
und Hals über Kopf wieder in die Diele hinauslicf, wo er
Hut und Stock ergriff und fortstürmte?

Es war folgendes in diesem Fragmenl zu lesen:

„Liebes Muttchen, ich danke Dir vielmals für die Be-
sorgnng des Rahmens für mein Bild; ich denke, daß mein
einziger geliebter Heinz sich darüber freuen wird.

— Viel Spaß hat es mir gemacht, daß Du Hetes Hand-
schrift mit meiner verwechselt hast, wir hatten gewettet,
daß niemand sie unterscheiden könnte — das rührt noch
aus unserer Pensionszeit her.

Hetes Bruder hat vor einigen Tagen an sie geschrieben.

— Du weißt, der lange Erwin, der in einer Automobil-
fabrik angestellt ist — und die kleinen elektrischen Wägel-
chen, die ich so entzückend finde, sind boch so furchtbar
teuer, daß ich meinem guten Heinz erst gar nichts davon
sagen will. Er ist so lieb und aufmerksam, es täte ihm
gewiß leid, daß er mir den Wunsch abschlagen müßte.—
Ueberhaupt glaubst Du gar nicht, Muttchen, wie glücklich
ich bin, daß ich Heinz habe! Seine kleine Schwäche der
Eifersucht nehme ich nicht mehr wichtig, dann wird sie
wohl von selbst einfach einschlafen; er weiß es ja gänz
gencm, wie lieb ich ihn habe! —

Eben werde ich wieder abgerufen, man wirklich nie
Ruhe zum Briefschreiben, Muttchen, Du mußt entschuldi-
gen, wenn ich in Absätzen schreibe, einen angefangenen
Brief an Dich habe ich vorhin schon Verbrannt, weil er so
 
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