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Verein zur Förderung des Fremdenverkehrs für Heidelberg und Umgebung [Editor]
Heidelberger Fremdenblatt: Stadt-Anzeiger ; amtliche Fremdenliste — 1924

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Nr. 32 - 44 (August 1924)
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https://doi.org/10.11588/diglit.30256#0253
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I^r. 8amstag, rien 2. ^utzust 1924

Eberbach am Ntlkar

Eine gute halbc Stunde van Heidelberg mit der
Bahn neckaraufwärts liegt in einem mächtigen von Ber-
geshöhen umsäumten Talkessel das freundliche Amtsstädt-
chen Eberbach mit etwa 7000 Einwohnern. beliebt
als Standquartier für Ausflüge in den Odenwald oder
neckaraufwärts. Gleichviel woher und von welchem
Wege man kommt. schon der Zugang ist reizvoll. Das
Neckartal herauf. an malerischen kleinen Städtchen, den
Neckarsteinacher Burgen und dem Schlog Hirschhorn vor
bei oder den Neckar herunter an der Minneburg. dem
Zwingenberger
Schlotz und der
Burg Stolzeneck
vorüber oder von
Norden her durchs
Jttertal — stets
ruht des Wan-
derers Auge be-
wundernd auf die-
sem grotzartigen
Bild. Der belieb-
teste Blick ist der
vom Jtterberg. wo
man die steilen
Höhen herunter-
schauend, die Stadt
aus der Vogel-
schau sieht. im
Hintergrund die
Vurghälde mit den
altersgrauen Re-
sten der Kaiserburg
Eberbach und höher
ragende waldge-
krönte Berge, hin-
ter denen sich der
vielgerühmte Kat-
zenbuckel erhebt,
mit628 Metern der
höchste Verg des
Odenwalds. Aber
auch von der lin-
ken Seite des Nek-
kars von der Burg-
ruine aus. ist dec
Blick nicht minder
schön.

Die heutige Stadt wird erstmals urkundlich erwähnt
im Jahre 1231 in einer Urkunde König Heinrichs. dem'
Sohne des Kaiser Heinrichs II. Iedoch dürfte schon zur
Nömerzeit nach Funden zu schließen. hier eine Ansied-
lung beftanden haben.

Eine Burg Eberbach wird erstmals erwähnt im
Iahre 1227, da sie zugleich mit Wimpfcn vom Bischof
von Worms dem deutschen König Heinrich zu Lehen ge-
geben wurde. Erbaut war die Burg auf dem heute
„Burghälde" genannten Bergvorsprunge wohl etwa
100 Iahre früher von den Wormser Bischöfen. die das
Erafenamt in der fogenannten Weingartau inne hat-
ten. in deren Gebiet die Stätte lag. Die Stadt Eber-
bach als solche wurde aber jedenfalls erst von König
Heinrich gegründet und mit einem Mauerzug in Eestalt
eines etwas unregelmäszigen Vierecks umgeben. Als
dic Empörung des jungen Königs gegcn seinen Vater
niedergeschlagen und Heinrich in Ecfangenschast gera-
ten war, wurde mit seincn anderen Besitzungen a'
Eberbach für das Reich eingezogen. Die Stadt wurde
Reichsstadt; die Privilegienbriefe aber. die sie nach
und nach von verschiedenen Kaisern erhielt, gingen alle
bei einem großen Vrande um das Iahr 1340 zugrunde.
1346 bestätigte Kaiser Ludwig der Bayer der Stadt
aufs neue ihre Freiheiten und verlieh ihr das Wimp-
fcner Recht. Inzwischen hatte er aber schon Eberbacb
mit Mosbach und Sinsheim an die Pfalzgrafen bei

rRhein verpfändet und da weder ihm noch seinen Nm
'folgern die Wiedereinlösung gelang. wurde aus der
Pfandschaft allmählich Vesitz und die freie Verfassung
der Stadt zerbröck'elte. Doch behielt Eberbach eine ge-
wisse Bedeutung. indem es Sitz einer pfälzischen Kelle-
rei und eines Zentgerichts blieb. Im 15. Iahrhundert
war Ebcrbach im Besitz der Mosbacher Nebenlinie der
Pfalzgrafen. nach deren Erlö'chen >s wieder zurückfiel.
Im 16. Iahrhundert hatte wiederholt die vor der Pest
geflüchtete Universität Heidelberg hier ihren Sitz. In^

Rberbaolr, voa clor Narioaböbo Ao^obeu.

Dreißigjährigen Krieg und im Orleansschen Erbfolge-
krieg hatte die Stadt mancherlei zu leiden; noch mehr
aber litt sie nachmals unter der Miszregierung der letzten
pfälzischen Kurfürsten. Beim Zusammenbruch der Kur-
pfalz im Iahre 1803 kam ELerbach an das Fürstentum
Leiningen und dann im Iahre 1807 an das Grotzherzog-
tum Baden. Im Iahre 1818 wurde es Sitz eines Be-
zirksamtes. das bekanntlich in diesem Iahre abgebaut
wurde. Die Entwicklung der Stadt im 19. Jahrhun-
dert und insbesondere seit dcm im Jahre 1879 erfolgten
Anschluß an das Eisenbahnnetz war eine günstige. in-
dem die Vevölkerungszahl sich mehr als verdreifachte.
— Fast noch mehr als in der Zunahme der Bevölke-
rungszahl kommt die Entwicklung der Stadt zum Aus-
druck in der Zunahme der bebaiüen Fläche. Bis 1830
hatte diese sich noch wenig über den Umfang der alten
Befestigung hinaus erstreckt; von dort ab aber folgte
eine Stadterweiterung der andern und besonders in den
letzten 25 Iahren wurde eine grosze Zahl von neuen
Straszen eröffnet.

Vor Aniang des 19. Iahrhunderts war der mittel-
alterliche Charakter des Stadtbildes in der inncren
Stadt noch kaum durchbrochen und heute noch herrscht
hier in den meisten Straszen das alte Eiebelhaus mit
den vorgekragten Obergeschossen vor. doch mischen sich
zwischenhinein Gebäude des 19. Iahrhunderts mit ihren
Latteldächcrn und ihrer nach der Strafze gekehrten

Breitseite. Von der Hauptstraße zweigt rechts die obere
Badstraße. links die Backgasse ab. beides altertümlichs
Straßen. Die Hauptstrasze weiter verfolgend kommen
wir zum alten Markt mit dem Rathause. Dieses, zu
Anfang der 1820er Iahre oon Thierrp, einem Schüler
Weinbrenners. im Stile des letzteren errichtet. ist an
Stelle eines früher dargestandenen Renaissancebaues
getreten. der 1480 in Eegenwart der Pfalzgrafen Otto
und Philipp eingeweiht wurde. Einige Skulpturftücke
vom alten Bau sind in den neuen eingemauert. außer-

dem ein Skulptur-
stück von dem ehe-
mals in der Nähe
gestandenen Nek-
k'artor, eine Hoch-
wassermarke von
1529. die miszver-
ftändlich in Ver-
bindung gebra-chl
wird mit einer
Sage von einem
Kinde. das bei je-
nem Hochwasser in
der Wiege den Nek-
"ar heruntergetri -
ben. in Eberbach
gerettet und hier
nachmals Stamm-
vater einer noch
existierenden Fa-
milie geworden
sein sokl. Neben
dem Rathause. am
Hotel zur Krone
vorüber. haben wir
den ersten Blick auf
den Neckar. wir
wcnden uns jedoch
zunächst nach rechts
in die Kellerei-
strasze. Unter ihren
alten Eiebelhäu-
sern fällt dem Be-
schauer eines als
das stattlichste so-
fort auf; es stammt
noch aus der goti-
schen Zeit. und wenn auch sein schönes Fachwerk über-
putzt und seine Front mit einer Barockkartusche geziert
ist, fo verleugnet es seinen Charakter doch nicht. Weiter-
hin kommen' wir zum alten Amtsgericht, ursprünglich
Sitz der Herren von Thalheim. dann der kurpfälzischen
Kellerei und im Anfang des 19. Jahrhunderts des Für-
sten von Leiningen. Es ist das älteste Wohngebäude der
Stadt. ein Steinhaus mit llberaus dicken Mauern. Da-
hinter steht der südwestliche Eckturm der e'hemaligen
Stadtbefestigung. der zweifliigelige sogenannte Pulver-
oder Mantelturm. ein höchst merkwürdiges Bauwerk'.
Von hier kehren wir ein paar Schritte zurück und biegen
in die untere Badstraße ein. von deren Ende her
wiederum ein Turm uns grllszt, der sogenannte Haspel-
turm. Sein gänzlich lichtloses Untergeschoß war nur
durch einen Schacht mittelst eines Haspels ^ zugänglicm
woher der Name. Es soll als Verließ gedient haben,
doch ist über seine tatsächliche Benutzung als solches nichts
urkundliches überliefert. In den mittleren Eeschosfen
geben Schießscharten einc spärliche Helle. aber in den
beiden obersten Eeschossen sind einige von diesen zu ^-en-
stern erweitert und hier ist scit einigen Iahren das in-
teressante und sehenswerte Stadtarchiv untergebracht.
desscn Bestände bis in das 14. Iahrhundert zuruck-

reichen. , ,

Tenseits des von alten Bäumen umsaumten munte-
ren Itter-Flüszchens sehen wir links die Jttervorstadt,
 
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