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Friedländer, Max J.; Schongauer, Martin [Ill.]
Martin Schongauer — Bibliothek der Kunstgeschichte, Band 42: Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.59319#0007
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In der älteren Kunstliteratur figuriert Martin Schon-
gauer in einsamer Höhe als der süddeutsche Maler
des 15. Jahrhunderts. So herausgehoben aus einer ge-
wißlich großen Zahl tüchtiger Zeitgenossen hat ihn der
Umstand, daß in seinem Fall ausnahmsweise ein wirk-
licher Name mit einer Reihe niemals ganz in Vergessen-
heit geratener Schöpfungen verbunden war. Schongauer
hat Kupferstiche hinterlassen, die mit seinen Initialen
bezeichnet sind. Schon zu Lebzeiten trug er damit sein
Ansehen über den engen örtlichen Wirkungskreis hinaus
und erwarb sich so viel Ruhm, wie damals in deut-
schen Landen Altarmalern, Goldschmieden und Bild-
schnitzern nicht zuteil wurde. Als die Kunsthistorie
mit ihrer Arbeit begann, hielt sie sich zunächst an
die papierenen Monumente, an die Kupferstiche, die
mit ihren Signaturen Aufklärung boten oder doch ver-
sprachen, und wagte sich später erst in das dunkele
Gebiet der zumeist namenlosen Malwerke. Je erfolg-
reicher aber in jüngster Zeit die erstarkte Stilkritik
in Kirchen und Museen Reste der altdeutschen Kunst-
übung auffand, ordnete und würdigte, desto mehr trat
Martin Schongauer aus seiner Sonderstellung zurück.
Wenn wir auch heute seine Begabung nicht mehr wie
ehemals als überragend empfinden und uns über die
gewissermaßen zufälligen Ursachen seiner Berühmtheit
klar geworden sind, bietet sein Hinterlassenes immerhin
mit der langen und geschlossenen Folge der Monumente
eine Vorstellung persönlichen Schaffens und organischer
Entfaltung, damit aus jener Zeit und aus Deutschland
ein beispielloses Beispiel.
Mit dem frühen Ruhme war frühe Wirkung über die
enge Heimat hinaus verbunden. Kupferstiche flatterten
leicht von Ort zu Ort, aus einer Werkstatt in die andere,
verbreiteten Bildgedanken weithin und sorgten für einige
Kontinuität der Stilbildung innerhalb des zersplitterten
und dezentralisierten süddeutschen Treibens. Wir be-

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